Hintergrund

BSG: Ungleiche Praxen rechtfertigen ungleichen GKV-Gewinn

Ein Recht auf Gleichstellung bei ihren GKV-Gewinnen - und das über alle Fachgruppen hinweg - haben Ärzte nicht. Das entschied nun das Bundessozialgericht. Mehr noch: Wer viel Zeit in Privatleistungen investieren kann, muss sich diese Umsätze anrechnen lassen.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Zu wenig verdient? Um mehr Honorar einzuklagen, müssen Ärzte gute Gründe liefern.

Zu wenig verdient? Um mehr Honorar einzuklagen, müssen Ärzte gute Gründe liefern.

© Bernd_Leitner / fotolia.com

Es kann nicht jede Arztpraxis den gleichen Überschuss haben. Und bei der Bemessung dieses Überschusses dürfen KVen und Gerichte durchaus auch die Möglichkeiten der Praxis mit im Blick haben, Privatumsätze zu generieren. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden.

Damit wies das BSG eine Hautärztin aus Mittelhessen ab. Die jetzt in Kassel schriftlich veröffentlichten Urteilsgründe hatten unter Fachärzten teils für erhebliches Aufsehen gesorgt. "Die Klägerin kann höheres Honorar nicht unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistung beanspruchen", heißt es in dem Urteil.

Ein "subjektives Recht auf höheres Honorar" könne erst entstehen, "wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden".

Was provozierend klingt, ist letztlich nur eine Zusammenfassung zahlreicher bisheriger Urteile, auf die das BSG verweist. Danach können Ärzte nicht verlangen, dass jede einzelne Leistung angemessen vergütet wird. Wie die meisten anderen Freiberufler und Unternehmer müssen auch Ärzte mit einer Mischkalkulation leben.

Erst wenn die Honorare insgesamt nicht mehr auskömmlich sein sollten, hätten Klagen Aussicht auf Erfolg. Eine insgesamt unzureichende Vergütung der Dermatologen habe die Hautärztin aber nicht behauptet und sei auch sonst nicht ersichtlich.

Weiter - und erstmals mit dieser Deutlichkeit in einem Urteil - wendet sich das BSG gegen Gleichmacherei. Die Regelleistungsvolumina sollten zwar neben besserer Kalkulationssicherheit "auch eine Angleichung der Verdienstchancen" bringen, so die Kasseler Richter.

"Ihr Ziel ist jedoch nicht eine strikte Gleichstellung aller Arztgruppen hinsichtlich der durchschnittlichen Erträge." Im Streitfall sah die hessische Honorarverteilung 2005 ein Eingreifen vor, wenn eine Arztgruppe um mehr als 15 Prozent hinter den anderen zurückbleibt. Das reichte dem BSG aus.

Zur Begründung verweist das BSG darauf, dass für bestimmte Fachbereiche gegebenenfalls höhere Anreize notwendig sind, etwa weil mit höheren Investitionen und Betriebskosten auch höhere Risiken verbunden sind. Auch finanzielle Anreize für die Tätigkeit in unterversorgten Gebieten müssten zulässig sein.

Und schließlich kommt das BSG auf die Privatumsätze zu sprechen: "Bei der Beurteilung, ob eine gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoßende flächendeckend unzureichende Vergütung vertragsärztlicher Leistungen einer bestimmten Arztgruppe vorliegt, sind neben den Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit auch die Einnahmen aus privatärztlicher sowie sonstiger Tätigkeit zu berücksichtigen", heißt es in dem zwölfseitigen Urteil.

Ein Arzt ohne Privatpatienten darf also nach Recht und Gesetz verhungern? Natürlich nicht. Die Aussage des BSG ist vor dem Hintergrund der aufgewendeten Arbeitszeit und zudem anderweitiger Erwerbschancen zu sehen.

Dermatologen sind die Arztgruppe mit einem hohen Anteil an Privatpatienten und Selbstzahlerleistungen. Naturgemäß wenden sie daher auch einen besonders hohen Anteil ihrer Arbeitszeit für diese Behandlungen auf.

Und natürlich, so die wenig überraschende Logik des BSG, könnten Ärzte, die weite Teile ihrer Arbeitszeit mit Privatbehandlungen und IGeln verbringen, nicht erwarten, dass ihnen allein die GKV ein auskömmliches Einkommen verschafft und alles andere noch "on Top" kommt.

Ähnlich sieht es bei den Chirurgen aus, die 30 Prozent ihrer Behandlungsfälle als Heilbehandlung bei den Berufsgenossenschaften und damit außerhalb des GKV-Systems abrechnen.

Ob das Honorar eines Arztes oder einer Arztgruppe angemessen ist, ist demnach immer eine modellhafte Überlegung zu dem fiktiven Einkommen, wenn eine Arztgruppe ausschließlich Kassenpatienten behandeln würde.

Nur so ergibt auch die Aussage des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Steiner auf dem Düsseldorfer Ärztetag einen Sinn, Vertragsärzte dürften für ihr auskömmliches Leben nicht darauf verwiesen werden, "dass es auch Privatpatienten gibt".

Noch nicht diskutiert wird in dem Kasseler Urteil, wie dabei Umsätze zu berücksichtigen sind, die Kassenpatienten aus eigener Tasche in die Praxis bringen - etwa für IGel oder am extremsten wohl bei den Zahnärzten für Zahnersatz und Implantate.

Rein nach Marktgesetzen könnten die Krankenkassen allein für die Eröffnung dieser Erwerbschancen einen "Preisnachlass" bei den Ärzten verlangen. Ob dies auch unter den regulierten Bedingungen der Vertragsärzte angebracht und rechtlich zu berücksichtigen ist, lässt das BSG vorerst noch offen.

Az.: B 6 KA 42/09 R

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Gleichmacherei ist ungerecht

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