Gutachten für Krankenhausplanung
Bis zu 15 Prozent weniger Klinikpatienten in Thüringen bis 2030
Die Landesregierung arbeitet an einem neuen Krankenhausplan für Thüringen. Zur Bestandsaufnahme wurde eine Agentur mit einem Gutachten beauftragt. Jetzt sind Zwischenergebnisse bekannt.
Veröffentlicht:Erfurt. Bevölkerungsrückgang und mehr ambulante Behandlungsmöglichkeiten stellen Thüringens Krankenhäuser vor Herausforderungen. Auf sie kommt einer Prognose zufolge in den nächsten Jahren ein anhaltender Patientenschwund zu. Bis zum Jahr 2030 könnte die Zahl der vollstationären Behandlungsfälle um bis 15 Prozent gegenüber dem Jahr 2022 sinken, wie aus am Dienstag in Erfurt vorgestellten ersten Ergebnissen eines Gutachtens für den neuen Thüringer Krankenhausplan hervorgeht.
Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die in der Corona-Pandemie zurückgegangenen Fallzahlen an den Kliniken wieder erholen werden, sagte Thomas Topf, Manager der mit der Expertise beauftragten Berliner PD-Agentur.
In der Pandemie hatten die Häuser viele nicht dringliche Operationen teils monatelang verschoben, nicht zuletzt um Kapazitäten für Corona-Kranke verfügbar zu haben. Im Vor-Pandemie-Jahr 2019 hatten Thüringens Krankenhäuser dem Gutachten zufolge rund 595.000 Menschen behandelt, 2022 waren es noch rund 510.000.
Bis zu 80.000 stationäre Eingriffe könnten ambulant erfolgen
Im Jahr 2030 könnte es auf gut 433.000 heruntergehen, wenn das Potenzial ambulant machbarer Behandlungen ausgeschöpft würde. Dieses liege bei 70.000 bis 80.000 Behandlungen jährlich, so Topf. Zudem wirkt sich laut Gutachten der Bevölkerungsrückgang in Thüringen aus: Weniger Menschen bedeuten auch weniger Patienten.
Für die Häuser dürfte diese Entwicklung die finanziellen Schwierigkeiten als Folge von Inflation und überdurchschnittlichen Tarifabschlüssen verschärfen, lautet eine der zentralen Aussagen in dem Gutachten. Weniger Patienten bedeuteten Umsatzeinbrüche. Thüringen verfüge bereits jetzt über eine im Bundesdurchschnitt vergleichbar hohe Bettenzahl – bei unterdurchschnittlicher Auslastung.
Bereits heute seien einzelne Fachabteilungen so klein, dass unsicher sei, ob sie künftig bestehen könnten. Dies hänge auch von der Verfügbarkeit von Fachkräften ab. Aus Sicht der Krankenkasse AOK Plus legt das Gutachten mit dieser Einschätzung den Finger in die Wunde, wie Vorstandschef Rainer Striebel erklärte.
Viele Krankenhäuser beklagen Belastungen wegen gestiegener Personal- und Sachkosten, die durch das derzeitige Vergütungssystem aus Festpreisen für erbrachte Behandlungen nicht aufgefangen werden könnten. Für Schlagzeilen hatte zuletzt die Insolvenz der Klinikkette Regiomed mit Standorten auch in Neuhaus, Sonneberg und Hildburghausen in Südthüringen gesorgt. Nach Einschätzung von Gesundheitsministerin Heike Werner gibt es in Thüringen aktuell keine Anzeichen für weitere Klinikinsolvenzen.
Diskutiert wird ein Bürgschaftsprogramm für Krankenhäuser
„Ich hoffe, dass das so bleibt“, sagte die Linke-Politikerin am Dienstag in Erfurt. Allerdings sei die Situation für alle Häuser herausfordernd. Die Landesregierung beschäftige sich deshalb mit möglichen finanziellen Hilfen für die Kliniken. „Wir diskutieren, ob wir eventuell über eine Art Bürgschaftsprogramm Krankenhäuser unterstützen können“, sagte Werner. Bereits jetzt gebe es Möglichkeiten für Kliniken, beim Finanzministerium Bürgschaften zu beantragen, um kurzfristig Hilfe zu haben. „Wir versuchen, das als Programm zu installieren“, so Werner.
Die FDP forderte mit Blick auf das Gutachten von der Landesregierung, eine Strukturreform endlich anzugehen. „Wir haben 1.500 Betten zuviel, aber gleichzeitig zu wenig Personal“, erklärte der FDP-Landtagsabgeordnete Robert-Martin Montag. „Die ersten Insolvenzen erschüttern unsere Kliniklandschaft auch deshalb, weil den Häusern seit Jahren Orientierung und Planungssicherheit fehlt“, äußerte der CDU-Landtagsabgeordnete Christoph Zippel. „Die fehlgeleiteten Reformpläne von Herrn Lauterbach und die Tatenlosigkeit der Ramelow-Regierung verstärken sich derzeit gegenseitig.“ (dpa)