Der Evidenz alternativer Medizin auf der Spur

Komplementärmedizin, etwa die Traditionelle Chinesische Medizin, ist bei Patienten beliebt. Oft fehlt jedoch ein Wirksamkeitsbeleg. Daran arbeitet die Berliner Forscherin Professor Claudia Witt.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:

Komplementärmedizin ist immer wieder dem Vorwurf der Scharlatanerie ausgesetzt. Dennoch können Ärzte Selbstzahlern seriöse Angebote aus diesem Bereich machen, meint die Berliner Professorin Claudia Witt im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". "Wichtig ist, dass Ärzte sich an die besser belegten Methoden halten, sie nur dort anwenden, wo es medizinisch sinnvoll ist und dass sie eine gute Ausbildung haben. Dann ist der Vorwurf entkräftet", so die Inhaberin der Professur der Carstens-Stiftung für Forschung zur Komplementärmedizin an der Charité. Witt hat als stellvertretende Direktorin des Charité-Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie die bislang größte Akupunktur-Studie betreut. Diese Studie hat schließlich zur teilweisen Kostenerstattung der Akupunktur in der gesetzlichen Krankenversicherung geführt.

Die forschende Medizinerin vertritt die Auffassung, dass Komplementärmethoden mit Wirksamkeitsnachweis in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen werden müssen. "Wenn eindeutige Evidenz vorliegt, gehört eine Methode aus meiner Sicht ganz klar in die GKV, wie es bei der Akupunktur für Gonarthrose der Fall ist", ist sie fest überzeugt.

In diesem Fall müssten aber auch die Bedingungen für die Ärzte so gesetzt werden, dass sie die Methode mit guter Qualität anbieten könnten. "Wenn für eine Methode zu wenig erstattet wird, besteht gegebenenfalls die Gefahr, dass Qualitätsprobleme auftreten", so Witt.

Derzeit forscht ihr Institut zur Akupunktur, zur Homöopathie und zum Qigong. Eine aktuelle Studie bei Patienten mit chronischen Nackenschmerzen hat nun erste Hinweise geliefert, dass Qigong gegenüber Nichttherapie überlegen ist.

Viele Wirksamkeitsbelege bei Komplementärmedizin gibt es für die Traditionelle Chinesische Medizin.

Viele Wirksamkeitsbelege bei Komplementärmedizin gibt es für die Traditionelle Chinesische Medizin.

© Foto: Gabriele Balling

Während Teile der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) bereits relativ gut belegt sind, hält Witt weitere Forschungen vor allem zur Naturheilkunde für nötig. "Ein Modellvorhaben zur Naturheilkunde wäre sinnvoll, weil das unsere Tradition in Deutschland widerspiegelt", sagt die Charité-Professorin. Dieses Modellvorhaben müsste ihrer Auffassung nach eine komplexe Therapie zulassen, denn zur klassischen Naturheilkunde zählen Phyto-, Bewegungs- und Ernährungstherapie ebenso wie Ordnungstherapie zur Lebensstiländerung und Hydrotherapie.

"Modellvorhaben sind sinnvoll für Ärzte, Patienten und Krankenkassen, weil die Erstattung der Verfahren möglich ist und zusätzlich Forschungsdaten generiert werden", meint Witt. Sie äußert jedoch auch Verständnis dafür, dass Krankenkassen ihren Versicherten aus Marketing-Gesichtspunkten Komplementärmedizin auch ohne den Rahmen eines Modellvorhabens anbieten. "Es ist bekannt, dass Komplementärmedizin gern von jüngeren, gebildeten Menschen genutzt wird. Mit entsprechenden Angeboten kann eine Kasse also eine bestimmte Klientel anziehen oder verhindern, dass sie abwandert", so Witt. Auch Ärzten mit Zusatzausbildung bieten sich hier Chancen, denn die Kassen brauchen für ihre Angebote Partner.

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Kommentare
Dieter Döring 22.09.200907:16 Uhr

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