Hintergrund

Die Klinik als Marke: Schluss mit dem Einheitsbrei

Die Charité und das Universitätsklinikum Eppendorf sind zwei der wenigen Akteure am deutschen Klinikmarkt, die von Patienten als Marke wahrgenommen werden. Die Markenbildung ist für Kliniken - aber auch Praxen - eine große Herausforderung. Vor allem vor dem Hintergrund, dass drei von vier Kliniken ihr Angebot für austauschbar mit anderen Häusern halten, wie eine Studie zeigt.

Von Alexandra Schramm Veröffentlicht:

Niedergelassene und Kliniker können gleichermaßen neidisch auf sie blicken: Google, Microsoft und Coca Cola. Die drei haben es geschafft: Sie stehen an der Spitze des Markenwert-Rankings und sind somit die teuersten Marken der Welt. Von dieser Bekanntheit können Kliniken -und auch Arztpraxen - nur träumen, wenn es um den eigenen Marktauftritt geht. Dass man mit Träumen allein nicht weiterkommt, hat sich bei den Akteuren im Gesundheitswesen aber schon herumgesprochen. Die Markenbildung in der Gesundheitswirtschaft ist in Bewegung.

Zugegeben: Krankenhäuser wie Arztpraxen haben es nicht gerade einfach, sich ein positives Markenimage aufzubauen. Denn Marken funktionieren auf emotionaler Ebene. Und die Assoziation mit einem Krankenhaus oder einer Praxis ist überwiegend mit negativen Begriffen besetzt wie Krankheit, unangenehmer Geruch, Schmerz und sogar Tod. Die einzigen positiv verknüpften Merkmale sind hier Hilfe und Heilung.

Doch der Wettbewerbsdruck zwingt vor allem Kliniken zum Handeln - Patienten müssen gebunden und neue gewonnen werden. 98,9 Prozent der Krankenhäuser sind der Meinung, dass der Wettbewerb in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hat, so ein Ergebnis der neuen Studie "Markenbildung in der Gesundheitswirtschaft" der Fachhochschule Flensburg und der Personalberatung Gemini Executive Search.

Markenbildung beruht auf unverwechselbarer Identität

75,3 Prozent der teilnehmenden Kliniken meinen, dass ihre Häuser und deren Leistungen zum jetzigen Zeitpunkt durch ein anderes in der Umgebung liegendes Krankenhaus ersetzbar seien. Das könnte sich ändern - mit einer langfristig angelegten Strategie zum Markenaufbau und zur Differenzierung. "Markenbildung ist ein Prozess, bei dem ein Unternehmen, ein Produktname oder ein Image zum Synonym für positive Eindrücke wie Vertrauen, hohe Qualität oder eine bestimmte Leistung steht", erläutert Professor Roland Trill von der Fachhochschule Flensburg. "Eine moderne Marke sollte Innovation, Effizienz und Nachhaltigkeit ausstrahlen."

Doch bis der Markenaufbau soweit ist, braucht es seine Zeit: 17,1 Prozent der Kliniken rechnen mit ein bis drei Jahren, 52,4 Prozent mit drei bis fünf Jahren und 28 Prozent sogar mit fünf bis zehn Jahren. Um als Marke erkannt zu werden, benötigt jedes Unternehmen eine eigene, unverwechselbare Identität, die Corporate Identity. Erstaunlicherweise sehen sich bereits 70 Prozent der Krankenhäuser als Marke. "Wohl ist den Unternehmen zuzurechnen, dass sie eine spontane Wiedererkennung bei den Patienten erzielen, doch das zum Markenstatus gehörende Vertrauenspotenzial weisen die meisten davon noch nicht auf", meint Studienleiter Trill. Geschafft hingegen haben es beispielsweise die Mayo Clinic aus den USA und in Deutschland die Charité Berlin sowie das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).

"Wenn ein Krankheitsbild sofort mit einer bestimmten Klinik assoziiert wird, dann hat die Marke ihre volle Wirkung entfaltet", sagt Trill. Die private Martini-Klinik auf dem UKE-Gelände müsste demnach sofort mit der Indikation Prostatakarzinom in Verbindung gebracht werden. Denn sie hat sich darauf spezialisiert und bereits einen guten Ruf etabliert: 70 Prozent der Patienten kommen nicht aus Hamburg und nehmen den Weg für die dortige Behandlung aus ganz Deutschland auf sich. Trotz dieses Erfolges bekennt Professor Jörg Debatin, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE: "Auch wir stehen noch am Anfang. Denn Markenbildung ist ein langjähriger Prozess." Kliniken sollten in Etappen vorgehen: Als Erstes müsse das Markenbild konkretisiert werden. Dabei geht es um Fragen wie "Was können wir besser als die anderen?" oder "Was ist unser Alleinstellungsmerkmal?". Das Ergebnis sollte dann zuerst nach innen transportiert und verfestigt werden, bevor es an die Öffentlichkeit getragen wird. "Nach unseren Erfahrungen ist das Wort ‚Marke‘ bei den Mitarbeitern häufig negativ besetzt", so Debatin, "daher nennen wir es lieber Profil."

Mitarbeiter sind Fundament des Markenaufbaus

Die Mitarbeiter sind die entscheidende Stellschraube im Markenaufbau. Sie haben täglich Patientenkontakt und einen großen Einfluss auf die Patientenzufriedenheit und damit auf die Bindung und Weiterempfehlungsabsicht. Daher ist es wichtig, dass sie sich mit dem gegebenen Markenversprechen identifizieren und motiviert bei der täglichen Arbeit sind. Das funktioniert nur, wenn das Klinikpersonal selbst zufrieden ist. So bekennen auch 97,6 Prozent der befragten Kliniken: "Ohne unsere Mitarbeiter können wir unsere Leistungsversprechen gegenüber den Kunden nicht halten."

Die Studie im Überblick

Die Studie "Markenbildung in der Gesundheitswirtschaft" wurde gemeinsam von der Fachhochschule Flensburg und der auf die Direktansprache spezialisierten Personalberatung Gemini Executive Search durchgeführt. Im Oktober 2008 wurden deutschlandweit 600 Krankenhäuser (mit öffentlichen, freigemeinnützigen oder privaten Trägern) befragt. 85 Fragebögen wurden zurückgesandt (Rücklaufquote von 14,2 Prozent). Mit 52,9 Prozent waren Krankenhäuser im städtischen Umfeld vertreten. Mit 24,7 Prozent beteiligten sich Kliniken in Ballungszentren und 38,8 Prozent sind im ländlichen Bereich tätig. 42,4 Prozent der teilnehmenden Krankenhäuser weisen mehr als 800 Betten auf und ebenfalls 42,4 Prozent mehr als 1500 Mitarbeiter. (mbmed)

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