Interview

Mit UV-Licht und Luftfiltern gegen Corona: Bringt das etwas?

Mit UV-Licht, Ozon oder mechanischen Filtern Corona-Viren inaktivieren: Was diese Ansätze taugen oder ob simples Lüften reicht, darüber haben wir mit Dr. Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt gesprochen.

Alexander JoppichVon Alexander Joppich Veröffentlicht: | aktualisiert:
Desinfektion mittels UV-Licht in der Klinik: Neue Lampengenerationen sind an der Decke angebracht.

Desinfektion mittels UV-Licht in der Klinik: Neue Lampengenerationen sind an der Decke angebracht.

© Juan / stock.adobe.com

Ärzte Zeitung: Das Unternehmen Signify preist seine UV-C-Leuchten zur Reinigung der Luft wie auch von Oberflächen an. Taugen UV-C-Strahler zur Desinfektion von Oberflächen und Geräten vor Corona-Viren?

Dr. Heinz-Jörn Moriske: UV-C-Licht ist in der Tat viruzid, kann also Viren inaktivieren. Das weiß man auch nicht erst seit heute, das weiß man seit Jahrzehnten. So wird die UV-Technik beispielsweise seit über 20 Jahren auch zur Behandlung von Badebeckenwasser eingesetzt. Die Reinigung funktioniert, es hängt aber davon ab, wie groß der Abstand der Lampen zu den Oberflächen ist. Und grundsätzlich gilt beim Einsatz von UV-Technik ohnehin, dass dieser nur in Räumen geschehen soll, in denen sich nicht zeitgleich Personen aufhalten. Denn das UV-Licht kann auch zu Hautschäden führen und letztendlich auch zu Schäden am Auge.

In der Signify-Pressemitteilung steht, dass zum Beispiel Ärzte und Hoteliers ihre Geschäftsräume außerhalb der Öffnungszeiten reinigen können. Jetzt muss man bedenken, dass die Lampen ziemlich hoch an der Decke hängen. Funktioniert die Reinigungswirkung auf diese große Entfernung?

Das ist das, was auch wir mit Skepsis sehen. Wir würden im Zeichen der aktuellen Corona-Pandemie nicht empfehlen, dass in Arztpraxen oder auch in der Gastronomie oder Ähnlichem solche Lampen an der Decke installiert werden und dann abends nach Feierabend die Oberflächen desinfiziert werden. Denn aus hygienischer Sicht ist es viel entscheidender, jedes Mal, wenn Gäste beispielsweise im Restaurant den Tisch verlassen haben, sofort den Tisch abzuwischen und zu desinfizieren – und nicht erst, wenn alle Gäste bereits das Gebäude verlassen haben. Aus verschiedenen Gründen halten wir die UV-Technik dort daher nicht für die ideale Lösung. Ohnehin ist aber auch nicht das Abwischen und Desinfizieren der Flächen das Hauptproblem für die Infektion, sondern die Übertragung über Aerosole.

Dr. Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt

Dr. Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt

© Privat

Jetzt gibt es ein Start-up, das Handläufe bei Rolltreppen in U-Bahn-Stationen reinigen will. Ist das sinnvoll?

Das kann sinnvoll sein. Früher in alten Gebäuden hatte man immer die klassischen Türklinken aus Messing. Messing enthält Kupfer und Kupfer ist per se keimabtötend. Bei Rolltreppen sind die Handläufe dagegen aus Kunststoff. Das allerdings regelmäßig zu desinfizieren, halten wir für etwas übertrieben. Denn viel wichtiger ist, dass Personen, die sich in öffentlichen Räumlichkeiten, aufhalten, beim Rausgehen ihre Hände desinfizieren und zu Hause waschen.

Bei manchen Lampen wird die Strahlung mithilfe eines Reflektors nach oben gelenkt und bildet unter der Raumdecke einen UV-C-Schleier, durch den die Raumluft zirkuliert und gereinigt wird. Ist das effektiv?

Die Risiken überwiegen den Nutzen. Wenn jemand im Warteraum sitzt und niest: Bis die Keime nach oben zur Lampe gelangen und über die Leuchte inaktiviert würden, hat man schon längst die übrigen Personen im Raum angesteckt. Deswegen ist die Installation solcher Technik an der Decke in genutzten Räumen kein Thema.

Also können wir zusammenfassen, dass es sehr darauf ankommt, wie die Luft zirkuliert. Kurz zusammengefasst: in der Theorie ein gutes Konzept, in der Praxis nicht?

Beim Einsatz in diesen mobilen Luftreinigern, der auch überall propagiert wird, wird die Wirksamkeit der UV-Technik durch zwei Parameter beeinflusst. Das eine ist die Strahlungsintensität, die Strahlungsdosis. Das Zweite ist die Verweilzeit der Luft im Bereich der UV-Leuchte. Wenn die nämlich zu schnell daran vorbeiströmt, dann hat die UV-Strahlung gar keine Zeit, die Viren in der Luft zu erreichen. Der Luftdurchsatz muss exakt definiert sein, exakt eingestellt werden. Und genau da beginnen die Probleme: Einige Hersteller, mit denen wir auch Gespräche geführt haben, haben zugegeben, dass der Einsatz zwar in Laborbedingungen getestet wurde, aber im Realbetrieb noch sehr große Lücken bestehen, ob die Wirksamkeit dort auch so gegeben ist, wie man sich das verspricht. Solange Wirksamkeitsprüfung und Sicherheit im praktischen Gebrauch nicht ausreichend belegt sind, sind wir sehr reserviert dieser Technik gegenüber. Wir raten nicht völlig ab, aber sind doch sehr zurückhaltend und empfehlen dann als Alternative vielleicht doch einfach Luftreiniger mit Gewebefiltern – mit HEPA-Filtern – einzusetzen.

Dr. ing. Heinz-Jörn Moriske

  • Geschäftsführer der Kommission Innenraumlufthygiene am Umweltbundesamt
  • Autor von Büchern über Innenraumprobleme wie Schimmel, Fogging oder auch Bioklima
  • Befürwortet das Lüften als einfachstes und wirksamstes Mittel gegen die Pandemie

Wie schätzen Sie die Wirkung von Ozon zur Reinigung der Luft ein?

Ozon ist ein sehr aggressives Agens. Das hat den Vorteil, dass es in der Tat auch Keime inklusive Viren abtötet beziehungsweise Viren inaktiviert. Ozon setzt man seit Jahren zum Beispiel auch bei massiv verschimmelten Wohnungen ein. Die werden dann ebenfalls in Abwesenheit der Raumnutzer mit Ozon begast. Die Übertragung auf die Corona-Diskussion lehnen wir aus zwei Gründen ab: Erstens ist Ozon ein sehr reaktives Gas, das, wenn es in die Luft geleitet wird, zu erheblichen Reizerscheinungen führen kann; zweitens ist es ebenso wichtig, aber nicht so bekannt, dass Ozon, im Beisein von anderen Stoffen in der Luft, mit diesen Stoffen reagiert und Schadstoffe wie Formaldehyd bildet. Also Ozon als Reaktionspartner mit natürlicherweise in der Luft vorhandenen Stoffen? Dann entstehen völlig neue Schadstoffe, die man gar nicht haben will. So wird möglicherweise der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Die Behandlung der Luft mit Ozon als Mittel, um Viren zu inaktivieren, lehnen wir jedenfalls schlichtweg ab.

Als letzte Technik, Sie haben eben bereits mechanische Filter kurz angesprochen. Sind diese in ihrer Wirkung besser als Ozon oder UV-C?

Bei mobilen Luftreinigern kommt ein Dichtenfilter, sogenannte Hochleistungsschwebstofffilter, zum Einsatz, der auch winzige Partikel, an denen diese Viren haften, zurückhält. Das funktioniert und wird auch in der Praxis, bei Anlagen in Operationssälen im Krankenhaus beispielsweise, seit Jahrzehnten eingesetzt, damit keine Partikel in den OP-Saal gelangen. Auch hier gilt es allerdings zu beachten, dass beim Einsatz in mobilen Geräten zwar das Rückhalteprinzip dort auch funktioniert, aber je nach Aufstellsituation des Mobilreinigers in dem Raum, in dem man die Luftreinigung durchführt, gute oder sogar auch ganz schlechte Ergebnisse erzielen kann. Es gibt eine neuere Untersuchung der Universität Bonn, wo das mit Bakteriophagen geprüft wurde: Unmittelbar vor den Luftreinigern man eine sehr gute Reduktion der Bakteriophagen als Gradmesser, auch für die Viren – denn Viren direkt zu bestimmen, ist sehr aufwändig. Bakteriophagen, direkt vor dem Gerät unschädlich zu machen, das hat sehr gut geklappt, in einem Meter Abstand aber nur noch etwa zu 40 Prozent reduziert und in zwei Meter Abstand war überhaupt nichts mehr nachweisbar vom Reinigungs- oder Reduktionseffekt. Die Aufstellsituation und die Luftführung im Raum haben erheblichen Einfluss. Deswegen sagen wir als Umweltbundesamt: Luftreiniger nie als Ersatz fürs Lüften, sondern allenfalls ergänzend unter bestimmten Bedingungen einsetzen.

Den ungekürzten Podcast mit Dr. Heinz-Jörn Moriske, auf dem dieses Interview basiert, finden Sie unter aerztezeitung.de/UV-C-Podcast. Hören Sie rein!

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