PKV

Prämienerhöhungen stehen auf dem Prüfstand

Sind viele Prämienerhöhungen in der PKV aus der Vergangenheit unwirksam? Das müssen jetzt die Gerichte beantwerten. Denn: Es gibt Zweifel an der Unabhängigkeit von PKV-Treuhändern.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Kommen mehr als 30 Prozent des Umsatzes von einem Auftraggeber, gilt die Unabhängigkeit eines Treuhänders als fraglich.

Kommen mehr als 30 Prozent des Umsatzes von einem Auftraggeber, gilt die Unabhängigkeit eines Treuhänders als fraglich.

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KÖLN. Die Prämienerhöhungen der privaten Krankenversicherer stehen auf dem Prüfstand. Vor mehreren Gerichten klagen Kunden derzeit gegen Beitragsanpassungen aus der Vergangenheit. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die neuen Prämien sachlich korrekt berechnet waren, sondern um formale Aspekte, insbesondere die Rolle des Treuhänders.

Zur Erklärung: In der PKV müssen unabhängige Treuhänder jede Beitragsanpassung prüfen und ihr zustimmen. Sie sollen darauf achten, dass die Belange der Versicherten ausreichend berücksichtigt werden.

Im Oktober vorigen Jahres hatte das Amtsgericht Potsdam die Prämienerhöhungen der Axa Krankenversicherung aus den Jahren 2012 und 2013 für unwirksam erklärt und das Unternehmen dazu verpflichtet, einem Versicherten fast 1100 Euro zurückzuzahlen. Das Landgericht Berlin verhandelt in einem ähnlichen Fall. Die für vergangene Woche erwartete Urteilsverkündung ist aber verschoben worden.

In beiden Verfahren geht es um die Frage, wie viel Umsatz der Treuhänder mit der Axa gemacht hat. Die Kläger orientieren sich dabei an einer Vorgabe für Wirtschaftsprüfungsfirmen, die nicht mehr als 30 Prozent ihres Umsatzes mit einem Auftraggeber machen dürfen.

War ein beurteilender Mathematiker unabhängig?

Die Potsdamer Richter stellten zwar fest, dass es solch eine starre Grenze für die PKV-Treuhänder nicht gibt. "Zu beachten ist aber, dass die Beeinflussbarkeit eines abhängigen Treuhänders mit dem Grad seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit steigt." (Az: 29 C 122/16).

Das Gericht ging davon aus, dass der Mathematiker auf die Bezüge der Axa angewiesen und deshalb nicht unabhängig war. Es erklärte die von ihm genehmigten Beitragsanpassungen für unwirksam.

Das Urteil sorgte in der PKV-Branche für Furore. Setzt sich diese Einschätzung auch in den nächsten Instanzen durch, könnte das zu einer Klage-Flut gegen PKV-Prämienerhöhungen führen; die Unternehmen wären gezwungen, den klagenden Kunden in erheblichem Umfang Beiträge rückzuerstatten.

Bei einigen Versicherern sei über die Jahre jeweils nur ein Treuhänder tätig und für alle Beitragsanpassungen zuständig gewesen, berichtet Dr. Knut Pilz von der Berliner Kanzlei Pilz Wesser Hippe & Partner. "Dadurch kann es zu Interessenkonflikten kommen." Allein seine Kanzlei vertritt Versicherte in über 100 ähnlich gelagerten Verfahren.

In der Vergangenheit hat es bereits ähnliche Klagen gegen die Axa Kranken gegeben. Mit Ausnahme des Potsdamer Amtsgerichts hätten die Gerichte dem Versicherer Recht gegeben, so Vorstand Dr. Thilo Schumacher. "Wir sehen diese Verfahren gelassen". Die Axa habe sich bei der Beschäftigung von Treuhändern an alle gesetzlichen Vorschriften gehalten.

Rückendeckung von der BaFin

In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Potsdam ist die Axa in die Berufung gegangen. "Wir wollen auf jeden Fall eine abschließende Klärung", sagt Schumacher. "Die Versicherten müssen wissen, woran sie sind."

Rückendeckung bekommt die Axa von der Finanzaufsicht BaFin. Der Chef der Versicherungsaufsicht Dr. Frank Grund betont, dass die BaFin jeden Treuhänder vor der Bestellung auf seine wirtschaftliche Unabhängigkeit hin überprüft. Dafür würden andere Grundlagen gelten als bei den Wirtschaftsprüfern, betont Grund.

Laut BaFin darf bei jedem Krankenversicherer jeweils nur ein Treuhänder tätig sein, der die Aufgabe persönlich erfüllen muss. Wenn ein Treuhänder bei einem großen Versicherer viel Aufwand hat, müsste dieser die Vergütung künstlich gering halten, um nicht über die 30 Prozent-Marke zu kommen, argumentiert Grund. "Das halten wir für schlicht abwegig."

Treuhänder könnte auch von Außerhalb der Branche kommen

Auch wenn ein PKV-Unternehmen nur einen Treuhänder beschäftigt, heiße das nicht, dass es über zehn oder sogar noch mehr Jahre derselbe sein muss, findet dagegen Rechtsanwalt Pilz.

Zudem müssten die Versicherer seiner Ansicht nach nicht ausschließlich mit auf die PKV spezialisierten Experten zusammenarbeiten. Sie könnten genauso gut Versicherungsmathematiker aus der Lebensversicherung nehmen. Pilz: "Ich glaube, das sind Scheinargumente".

Erklären die Gerichte wegen der fehlenden Unabhängigkeit der Treuhänder Beitragsanpassungen für unwirksam, erhalten die Kunden, die geklagt haben, die zu viel gezahlten Prämien zurück.

Wenn sich die ursprüngliche Kalkulation aber als richtig erweist, werden die zugrunde liegenden Mechanismen bei der nächsten Beitragsanpassung greifen. Die Prämienerhöhung wird also nur verzögert, nicht verhindert, der Kunde profitiert nur kurzfristig.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Private Krankenversicherung: Digitalisierung sorgt für Druck

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Kommentare
Carsten Windt 15.06.201707:57 Uhr

Nicht die Prämienerhöhungen stehen auf dem Prüfstand

Tatsächlich geht es in den Klagen um die Unabhängigkeit der Treuhänder. Nicht geprüft wurde ob tatsächlich die Erhöhungen gerechtfertigt waren.

Was bedeutet das in der Praxis? Wir haben einen oder einige Rechtsanwälte, die sich die Taschen füllen. Möglicherweise eine Reihe von Beitragserhöhungen, welche aus formalen Gründen ungerechtfertigt waren und zu einer Rückzahlung der Beitragserhöhungen führen. Im Gegenzug kommt es aber zu einer erneuten Beitragsanpassung um den Mehrbedarf an Beiträgen auszugleichen (Wir können davon ausgehen, dass dieser besteht). Durch den Mehraufwand der durch solche Maßnahmen entsteht dürfte die Anpassung dann aber erheblich "knackiger" ausfallen, denn wirken die Urteile tatsächlich viele Jahre zurück (bei u.a. deutlich höheren Zinsniveau), muss eine Anpassung auf Basis der aktuellen Zinswerte um einiges höher ausfallen.

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