Online-Bewertungen

Praxischefs ziehen Lehren aus den Voten

Patientenkritik an der Praxis auf Online-Portalen lassen Praxischefs meist nicht kalt. Mehr als jeder Zweite hat bereits reagiert, um die Prozesse in seinem Versorgungsalltag zu optimieren.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Praxischefs ziehen Lehren aus den Voten

© Danielle Bonardelle / fotolia.com

MÜNCHEN. Das Internet ist für Patienten ein probates Mittel geworden, ihr Urteil über eine Arztpraxis öffentlich zu teilen – zum Beispiel auf Online-Arztbewertungsportalen. Doch: Wie gehen Ärzte mit dieser Kritik um, die im Zweifelsfall alles andere als werbewirksam sein kann?

Sechs von zehn Ärzten werten ihre Online-Bewertungen mindestens einmal im Monat aus, wie eine jetzt im "Journal of Medical Internet Research" veröffentlichte Studie der Universität Erlangen-Nürnberg zeigt.

 Für die Studie unter der Leitung von Professor Martin Emmert, Inhaber der Juniorprofessur für Versorgungsmanagement, wurden laut Auftraggeber Jameda, dem nach eigenen Angaben führenden Online-Arztbewertungsportal in Deutschland, 2360 Ärzte und weitere Heilberufler befragt, die mindestens kostenlos auf www.jameda.de registriert sind.

Nur jeder Zehnte ignoriert die Voten

87 Prozent der befragten Mediziner gaben an, dass sie Einträge, die sie auf Arztbewertungsportalen erhalten, lesen. 61 Prozent werten diese mindestens einmal im Monat aus, jeder Dritte macht dies monatlich (32 Prozent), jeder Zehnte mehrmals im Monat und 19 Prozent sogar mindestens einmal pro Woche.

Hierbei unterscheiden sich Fachärzte deutlich von Allgemeinmedizinern, wie die Befragung ergab. 65 Prozent der Fachärzte werten ihre Bewertungen mindestens einmal im Monat aus, von den Allgemeinmedizinern sind es immerhin noch 52 Prozent. Mit 85 Prozent wertet die große Mehrheit der Ärzte ihre Bewertungen selbst aus, in fünf Prozent der Praxen ist dafür eine Medizinische Fachangestellte zuständig, in acht Prozent ein Praxismanager.

Interessanter Nebenaspekt: 49 Prozent der Befragten gaben an, sie läsen die Bewertungen von Kollegen. Laut Emmert kann auch das zur Qualitätsverbesserung in Arztpraxen führen, da Vergleiche gezogen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet würden, um bessere Leistungen zu erbringen als der Wettbewerb. Zwölf Prozent der Ärzte lesen Bewertungen von Kollegen nach eigener Aussage aber auch, um Patienten zu einem Facharzt zu überweisen.

Mit 55 Prozent hat bereits mehr als jeder zweite Praxischef mindestens einmal auf im Web geäußerte Patientenkritik reagiert. Über die befragten Fachdisziplinen hinweg zeigt sich, dass die Ophthalmologen mit 68 Prozent am sensibelsten sind für die von Patienten online geäußerte Kritik.

An zweiter Stelle folgen die Gynäkologen mit 65 Prozent vor den HNO-Ärzten mit 62 Prozent. Internisten kommen auf 54 Prozent. Die drei letzten Ränge teilen sich die Psychiater mit 50 Prozent vor den Kinder- und Jugendärzten mit 40 Prozent sowie die Schlusslicht sind die ärztlichen Psychotherapeuten mit 38 Prozent.

Augenärzte am reaktivsten

Was die konkreten Maßnahmen zur Optimierung des Praxisalltags angeht, so drehten die Ärzte mit 29 Prozent am häufigsten an der Stellschraube der Patientenkommunikation. Details wurden hierzu nicht abgefragt. Mit 24 Prozent am zweithäufigsten gingen Praxisteams das Thema Terminvergabeprozess an, gefolgt von geänderten Praxisabläufen mit 21 Prozent.

Zehn Prozent nahmen sich das Thema Soft Skills – Kommunikationskompetenz oder Empathiefähigkeit – vor und schickten ihre Mitarbeiter auf Fortbildung oder verteilten die Verantwortlichkeiten um.Maßnahmen, welche die Praxismitarbeiter betreffen, spielen ebenfalls eine große Rolle.

So gab jeder zehnte Befragte an, aufgrund von Online-Bewertungen Schulungen für das Praxispersonal durchgeführt zu haben. Fast genauso viele haben Mitarbeiterverantwortlichkeiten umverteilt. Sechs Prozent der Ärzte stellten aufgrund des Feedbacks von Patienten weitere Mitarbeiter ein. Bei drei Prozent führten Bewertungen zum genauen Gegenteil: Sie entließen aufgrund des Feedbacks auf Arztbewertungsportalen Mitarbeiter.

Des Weiteren haben acht Prozent der Befragten in neue Technologien und/oder neue Praxisausstattung investiert, ähnlich viele Ärzte haben ihre Sprechzeiten aufgrund von Online-Bewertungen ausgeweitet. Immerhin sieben Prozent der Mediziner gaben an, dass Online-Bewertungen dazu geführt haben, dass sie selbst Fortbildungen besuchten.Für Emmert steht angesichts der Studie fest, dass die Arztbewertungen im Web bereits integraler Bestandteil der ambulanten Versorgung sind.

"Die Ergebnisse legen nahe, dass Online-Arztbewertungen die Patientenversorgung in deutschen Arztpraxen beeinflussen. Betrachtet man die stetig steigende Anzahl an Bewertungen und die wachsende Relevanz von Online-Bewertungen für die Arztsuche, dürfte der Einfluss in den kommenden Jahren weiter steigen. In den USA beispielsweise liegt der Anteil der Ärzte, die aufgrund von Online-Bewertungen Maßnahmen für eine bessere Patientenversorgung einleiten, bei über 75 Prozent", so Emmert.

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