RWI-Präsident regt Klinik-Abwrackprämie an

Die fetten Jahre sind vorbei, fast jeder zehnten deutschen Klinik droht die Schließung. Die Gründe: Kostendruck, Innovationen und der demografische Wandel. Der Wirtschaftsweise und RWI-Präsident Professor Christoph Schmidt nannte nun als mögliche Lösung: eine Abwrackprämie für Krankenhäuser.

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Der Letzte macht das Licht aus: Viele Kliniken stehen vor finanziellen Nöten. Nun bringt ein Wirtschaftsweiser den Vorschlag einer Abwrackprämie.

Der Letzte macht das Licht aus: Viele Kliniken stehen vor finanziellen Nöten. Nun bringt ein Wirtschaftsweiser den Vorschlag einer Abwrackprämie.

© Julián Rovagnati / shutterstock

ESSEN (ava). Bis zu 200 der 2000 deutschen Kliniken droht die Schließung. Das geht aus dem aktuellen Krankenhaus Rating Report des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) hervor, der kommende Woche vorgestellt werden soll. Betroffen sind vor allem Kliniken im ländlichen Raum, öffentlich-rechtliche und Krankenhäuser im Westen.

Als Gründe für die Schieflage der Krankenhäuser nannte RWI-Präsident Professor Christoph Schmidt am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin" steigendenden Kostendruck, medizinisch-technischen Fortschritt, den demografischen Wandel und den Rückgang öffentlicher Mittel für Investitionen. "Die fetten Jahre sind vorbei" lautet der Titel des 7. Report zur wirtschaftlichen Situation deutscher Kliniken.

RWI-Präsident: Staat hat seine Rolle nicht gut gespielt

RWI-Präsident Schmidt, der auch einer der fünf Wirtschaftsweisen ist, sparte nicht mit Vorwürfen an die Politik: Durch "Reinpumpen von Mitteln" habe die Politik in den Jahren 2009 und 2010 den Anschein von "guten Jahren" erweckt. Jetzt, da die Mittelzuflüsse nachließen, steige der Druck auf die Kliniken.

Schmidt weiter: "Der Staat hat seine Rolle bei der dualen Finanzierung nicht gut gespielt." Schmidt rechnet damit, dass etwa zehn Prozent aller Kliniken - also rund 200 Häuser - von Insolvenz bedroht sind und forderte daher zu Schließungen auf. Auf die Frage, ob er eine Abwrackprämie für Kliniken fordere, sagte Schmidt: "Das ist eine sehr provokante Formulierung, aber in diese Richtung geht es."

Die Politiker haben nach Meinung des Wirtschaftsweisen zwei Möglichkeiten auf die Finanzmisere der Klinken zu reagieren: Sie können entweder weiter die Hände über defizitäre Einrichtungen halten oder sie entschließen sich zu Konsolidierungsmaßnahmen.

"Lieber Geld in die Hand nehmen, um eine bessere Struktur zu schaffen - auch durch Zusammenlegung und Schließung - als etwas aufrecht zu erhalten, was nicht mehr funktionieren kann", so Schmidt.

Vor allem kommunale Kliniken - städtische und Kreiskrankenhäuser - drohen immer tiefer in die roten Zahlen zu rutschen. Schmidt forderte daher die Kommunen auf, nicht länger die Hand über defizitäre Einrichtungen zu halten.

Krankenhausgesellschaft: GKV-Fin-Gesetz ist schuld

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wies die Ursachenanalyse des RWI zurück. Es sei zu kurz gefasst, so der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, die finanziellen Probleme vieler Krankenhäuser auf unwirtschaftliche Strukturen oder Standortursachen zu schieben.

Maßgeblich mitverantwortlich für die Finanzmisere der Kliniken seien die Kürzungen zur Sanierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie führten 2011 dazu, dass die Krankenhäuser bundesdurchschnittlich gerade mal 0,3 Prozent Preiserhöhungsspielraum haben.

Demgegenüber stiegen die "Kosten im Hochkonjunkturtempo", so Baum. Er appellierte an die Politik: Die Warnzeichen aus den Häusern müssten ernst genommen werden und die für 2012 bereits im Gesetz stehende nächste Kürzungsrunde noch einmal überdacht werden. Sie würde den Kliniken nochmals 600 Millionen Euro entziehen.

GKV-Spitzenverband: Es gibt keinen Spielraum

Als "nicht nachvollziehbar" bezeichnete der stellvertretende Vorstandvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung, Johann-Magnus von Stackelberg, diese Forderung der Krankenhausgesellschaft.

Angesichts der weiter stark steigenden Ausgaben im stationären Bereich gebe es keinen Spielraum, um von den im GKV-Finanzierungsgesetz festgelegten Sparplänen abzurücken.

Die GKV werde in diesem Jahr voraussichtlich mehr als 60 Milliarden Euro für die stationäre Versorgung gesetzlich Versicherter ausgeben (2008 waren es noch 52,6 Milliarden Euro). "In den Augen der Krankenhauslobby ist das offenbar viel zu wenig", sagte Stackelberg.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kliniken am Abgrund

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