Hilfe per Videoschalte

Telenotarzt in Niedersachsen ausgebaut – bald bis zu acht Standorte

Schnelle notärztliche Hilfe am Unfallort per Videoschalte – darauf können Sanitäter im Kreis Goslar seit 2021 zurückgreifen. Inzwischen nutzen fünf niedersächsische Regionen das System. Wie geht es weiter?

Veröffentlicht:
Die Arbeit von Telenotärzten in die Notfallversorgung zu integrieren  – hier ein Kollege in der Region Vorpommern-Greifswald – bewährt sich. Das Angebot, in solchen Situationen auf Telenotärzte zugreifen zu können, wird  in Niedersachsen jetzt ausgebaut.

Die Arbeit von Telenotärzten in die Notfallversorgung zu integrieren – hier ein Kollege in der Region Vorpommern-Greifswald – bewährt sich. Das Angebot, in solchen Situationen auf Telenotärzte zugreifen zu können, wird in Niedersachsen jetzt ausgebaut.

© Stefan Sauer / dpa / picture alliance

Hannover/Goslar. Ein Notarzt schaltet sich per Video zu Rettungseinsätzen und gibt lebensrettende Hinweise: Dieses Angebot in Niedersachsen wird ausgebaut. Inzwischen können fünf Landkreise auf den Telenotarzt zugreifen, wie das Niedersächsische Innenministerium mitteilte. Künftig soll das bisherige Pilotprojekt im gesamten Bundesland verfügbar sein.

Ziel sei „eine flächendeckende, landesweit einheitliche, rechtssichere und effektive Versorgung“ mit dem System, hieß es. Damit befasse sich eine Strategiegruppe im Innenministerium; ein Gesetzentwurf sei in Arbeit. Geplant sind demnach acht Standorte für den so bezeichneten Telenotarzt, die vernetzt zusammenarbeiten sollen. Bisher kümmert sich der Standort Goslar um die Landkreise Goslar, Northeim, Hildesheim, Emsland und Grafschaft Bentheim.

In den Landkreisen leben zusammen etwa 1,1 Millionen Menschen. Die Rettungsleitstelle Ems-Vechte wird laut Innenministerium derzeit als zweiter Standort des Telenotarztes aufgebaut.

Seit 2021 mehr als 4.800 Einsätze mit zugeschaltetem Notarzt

„Gerade in Zeiten des demografischen Wandels bietet der Telenotarzt eine Chance, die Digitalisierung zu nutzen und dem Personalmangel im notärztlichen Bereich zu begegnen“, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD) kürzlich bei einem Besuch des Telenotarztes in Goslar. Im Entwurf für den Landeshaushalt 2024 und in der mittelfristigen Planung sind für eine Anschubfinanzierung des Projekts 332.000 Euro sowie jährlich 1,8 Millionen Euro veranschlagt.

Seit Beginn des Projektes im Januar 2021 gab es mehr als 4.800 Einsätze, bei denen ein Notarzt zugeschaltet wurde. Gesammelte Erfahrungen seien dabei bereits in Verbesserungen eingeflossen, hieß es: Unter anderem gebe es nun eine bessere Vorrichtung zum Tragen des Funksystems am Körper.

Das System habe sich aber von Beginn an bewährt, teilte das Innenministerium mit. In etwa einem Prozent der Fälle müsse die Nutzung wegen technischer Probleme abgebrochen werden, in zwei Prozent der Fälle werde aus medizinischen Gründen ein Notarzt vor Ort hinzugezogen. In den übrigen Fällen werde der gesamte Einsatz über den Telenotarzt abgewickelt.

Zugriff auf Vitalwerte der Patienten

Ob überhaupt auf den Notarzt über eine Handykamera zurückgegriffen wird, entscheiden die Notfallsanitäter vor Ort. Während des Einsatzes kommuniziert der Sanitäter dann mit dem Notarzt über eine App. Neben dem Telefonat und einem Video-Stream hat der Arzt auch Zugriff auf die Vitalwerte des Patienten.

Grenzen für den Einsatz des Telenotarztes gebe es immer dann, „wenn eine manuelle therapeutische oder diagnostische Fähigkeit eines Arztes am Notfallpatienten notwendig ist“, erklärte eine Sprecherin des Innenministeriums. Gehe es lediglich um eine ärztliche Entscheidung oder Einschätzung, könnte sich auch qualifiziertes, aber nicht-ärztliches Personal wie Sanitäter um die Patienten kümmern.

Gesetz zur Ausweitung des Gemeinde-Notfallsanitäters angekündigt

Ein andere Modellprojekt könnte demnächst ebenfalls in Niedersachsen ausgeweitet werden. Die CDU-Landtagsfraktion in der Opposition hat kürzlich ein Gesetz zur Ausweitung des Gemeinde-Notfallsanitäters angekündigt. So sollen Rettungsdienste entlastet werden. Ein speziell ausgebildeter Rettungssanitäter kann in Notfällen angefordert werden.

Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben sich in ihrem Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen und bereits im Juni in einem Entschließungsantrag die Landesregierung aufgefordert, den flächendeckenden Einsatz von Gemeinde-Notfallsanitätern oder gleich qualifizierten Personen zu ermöglichen. Die Regierungsfraktionen setzen dafür allerdings auf gesetzliche Rahmenbedingungen auf Bundesebene.

„Die CDU greift hier ein Thema auf, das von Rot-Grün bereits intensiv bearbeitet wird und auf einem guten Weg ist“, sagte die kommunalpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Nadja Weippert. Es werde intensiv an der Klärung der Finanzierung gearbeitet. Die Kosten dürften nicht allein bei den Kommunen hängen bleiben.

Notfallsanitäter mit Zusatzausbildung unterwegs

Um Notärzten den Rücken für lebensrettende Einsätze freizuhalten und Kosten im Rettungswesen zu senken, hatten die Stadt Oldenburg und die Landkreise Ammerland, Cloppenburg und Vechta 2019 das Pilotprojekt gestartet. Beim Start waren pro Standort sechs Notfallsanitäter mit einer Zusatzausbildung unterwegs. Sie werden von der Rettungsleitstelle zu Patienten geschickt, wenn nach dem Notruf 112 klar ist, dass zwar keine Lebensgefahr vorliegt, aber medizinische Hilfe notwendig ist.

In ihrem Entschließungsantrag wiesen SPD und Grüne darauf hin, dass laut unterschiedlichen Studien zwischen 30 und 50 Prozent der Patienten, die die Notaufnahme aufsuchen, aus medizinischer Sicht nicht im Rahmen der stationären Notfallversorgung behandelt werden müssten. Finanziert wird das Projekt von den Krankenkassen. Die Gemeinde-Notfallsanitäter dürfen allein und in kleineren Einsatzfahrzeugen zu Patienten fahren. (dpa)

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Tag der Privatmedizin 2023

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Verschiedene Gesichter

© Robert Kneschke / stock.adobe.com / generated with AI

Seltene Erkrankungen

GestaltMatcher – Per Gesichtsanalyse zur Orphan Disease-Diagnose

Künstliche Intelligenz gilt auch in der Medizin als Schlüsseltechnologie, mit deren Hilfe zum Beispiel onkologische Erkrankungen stärker personalisiert adressiert werden könnten.

© Kanisorn / stock.adobe.com

EFI-Jahresgutachten 2024 übergeben

KI: Harter Wettbewerb auch in der Medizin

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Begeisterte Surferin, Medizinerin und Unternehmerin

Hausärztin Stahl scheut die raue See in der Selbstständigkeit nicht

Lesetipps
„Unsere Ergebnisse ziehen die herkömmliche Ansicht in Zweifel, wonach das Belastungs-EKG eine hohe Rate falsch positiver Befunde produziert“, bilanzieren die Studienautoren. (Symbolbild)

© Photographee.eu / stock.adobe.com

Studie bescheinigt hohe Spezifität

Feiert das Belastungs-EKG ein kardiologisches Comeback?

Will mehr Spezialisierung der Kliniken: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz.

© Kay Nietfeld/dpa

Kabinett beschließt Reformgesetz

Lauterbach: Klinikreform rettet zehntausende Menschenleben