Online-Terminmodell

Weniger Stress für Arzt und Patient

Unzufriedene Patienten, die lange warten müssen, Stress für den Arzt. Das wollten zwei Allgemeinmediziner in ihrer Hamburger Praxis ändern – und entwickelten ein eigenes Terminmodell.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Ulrike Stewien und Dr. Turgut Koca haben in ihrer Gemeinschaftspraxis alle Abläufe analysiert und mit einem Online- Terminkalender die Wartezeiten erfolgreich verkürzen können.

Ulrike Stewien und Dr. Turgut Koca haben in ihrer Gemeinschaftspraxis alle Abläufe analysiert und mit einem Online- Terminkalender die Wartezeiten erfolgreich verkürzen können.

© Dirk Schnack

HAMBURG. Lange Wartezeiten für die Patienten, überfüllte Praxis und überarbeitete Ärzte und Mitarbeiter – das kennen viele Praxisinhaber aus eigener Erfahrung. So war es auch in der Gemeinschaftspraxis, in der Allgemeinärztin Ulrike Stewien 2012 ihre Niederlassung startete. Für sie und ihren zuvor eingestiegenen Kollegen Dr. Turgut Koca stand fest: dieser Zustand muss schnell geändert werden.

"Wir haben schließlich noch einige Jahre zu arbeiten. Es ist fraglich, ob wir das unter den damals herrschenden Bedingungen durchgestanden hätten", so Stewien. Neben dem Wunsch nach weniger Stress sprachen zwei weitere Gründe für eine Veränderung: Die Patienten sind zufriedener, wenn sie weniger lange warten müssen und die Ärzte können in einer entspannteren Sprechstundenzeit ihrem medizinischen Anspruch eher gerecht werden. 2014 analysierten Stewien und Koca deshalb die Praxis-Situation. Sie überprüften die Sprechzeiten und die Zahl der Hausbesuche, erstellten Statistiken und ermittelten das Verhältnis zwischen Akut- und Terminfällen. Sie errechneten, wie häufig sie welche Diagnostik anwendeten und wie viel Zeit sie für welche Patienten benötigten.

Terminmodell verbessert Praxisablauf

Gestützt auf diese Datengrundlage entwickelten sie ein Terminmodell, mit dem sie es unter die besten Konzepte für den Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis 2015", der gemeinsam von UCB Innere Medizin und der Fachverlagsgruppe Springer Medizin, zu der auch die "Ärzte Zeitung" gehört, geschafft haben. Ergebnis der Umstrukturierung war ein Terminmodell, das von den Patienten angenommen wird und bestens funktioniert. Beide Ärzte bieten an jedem Arbeitstag jeweils Sprechzeiten-Blöcke für Termin- und für Akutfälle an. "Die Patienten haben sich schnell daran gewöhnt, weil sie gemerkt haben, dass sich die Praxisabläufe verbessert haben", berichtet Stewien.

Klagen von Akutpatienten, die auf die dafür reservierten Zeiten verwiesen werden mussten, gab es kaum. Bei den Terminpatienten achten die Praxismitarbeiter darauf, welche Diagnostik erforderlich ist und ob geriatrische Patienten dabei sind. Wenn möglich, werden Patienten mit gleicher Diagnostik geballt einbestellt. Patienten ab 80 Jahren, für die in aller Regel mehr Zeit einzuplanen ist, bestellt Stewien bevorzugt Mittwochs und Freitags ein. Denn sie hat die Erfahrung gemacht, an diesen Tagen weniger Patienten zu behandeln.

Ergänzt wurde das Modell durch die Möglichkeit, einen Termin online zu buchen. Dafür stellen die Ärzte regelmäßig einen Teil ihrer Sprechstundenzeiten in einen Terminkalender, den die Patienten über die Praxis-Website aufrufen können. Dort können sie Termine aussuchen und belegen. Die anfangs zur Verfügung gestellten zehn Prozent der Sprechzeiten werden auf diesem Weg inzwischen auch gebucht, die Ärzte weiten diesen Anteil nun aus.

Arzt und Patient profitieren

Vorteil für beide Seiten: Die Patienten können ihren Termin ohne telefonische Warteschleife buchen und die Praxis wird entlastet, weil weniger Patienten anrufen. Außerdem können sie ihren Wunsch nach einem Termin auch per E-Mail äußern und bekommen noch am gleichen Tag einen Vorschlag. Rund 15 Prozent der Patienten nutzen diese Möglichkeit.

Dass es in der Gemeinschaftspraxis im Hamburger Stadtteil Schnelsen heute deutlich entspannter als noch vor einigen Jahren zugeht, hat aber noch weitere Gründe: Die frühere Praxis lag im zweiten Stock ohne Fahrstuhl und war für alte Menschen kaum noch zu erreichen. Folge: Viele zeitaufwendige Hausbesuche.

Stewien und Koca suchten sich einen neuen Standort in einem Neubau mit Fahrstuhl und optimierter Raumaufteilung. Für die Patienten ist die Praxis gut erreichbar, es fallen weniger Hausbesuche an und es bleibt Zeit für jeweils 33 Stunden Sprechzeit pro Woche und Arzt. So versorgen die Ärzte gemeinsam 2200 Patienten im Quartal. Zweiter Punkt: Das Personal am alten Standort wollte sich mit den Veränderungen nicht anfreunden und zog einen Wechsel vor. Die Praxischefs konnten sich gezielt Mitarbeiter suchen, die das neue Konzept voll mittragen. Derzeit sind dies vier MTA und eine Auszubildende. Keine Sache des Konzeptes, sondern der Einstellung ist Stewiens Arbeitsbeginn: Um sechs Uhr morgens startet sie in den Praxisalltag, um vor der Sprechstunde nachzusehen, welche Patienten an diesem Tag kommen. Damit ist sie vorbereitet und spart Zeit in der Sprechstunde.Dank der durchstrukturierten Sprechstunde gibt es aber auch rechtzeitig Feierabend.

15%

der Patienten, die in der Gemeinschaftspraxis von Ulrike Stewien und Dr. Turgut Koca behandelt werden, buchen ihre Termine im Online-Terminkalender oder per E-Mail.

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