Weniger Tierversuche dank Nanopartikeln

Experimente an Tieren sind seit Jahrzehnten in der Kritik. Forscher in München haben jetzt eine neue Alternative gefunden: Mit Hilfe von Sensor-Nanopartikeln wollen sie die Zahl der Versuche reduzieren.

Veröffentlicht:
Nanosensoren zeigen durch das gelbe Signal im Überlagerungsbild (rechts), dass die Zellen aktiv sind. Wären sie in einem schlechten Zustand , wären sie deutlich roter. Mitte: Signal des Indikatorfarbstoffs. Links: Signal des Referenzfarbstoffs.

Nanosensoren zeigen durch das gelbe Signal im Überlagerungsbild (rechts), dass die Zellen aktiv sind. Wären sie in einem schlechten Zustand , wären sie deutlich roter. Mitte: Signal des Indikatorfarbstoffs. Links: Signal des Referenzfarbstoffs.

© Fraunhofer EMFT

MÜNCHEN (eb). Forscher der Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien EMFT in München haben eine Alternative zu Tierversuchen gefunden: Mit neuartigen Nanosensoren wollen sie die Zahl der Tierexperimente verringern.

"Wir testen Chemikalien quasi im Reagenzglas auf ihre Wirksamkeit und ihr Risikopotenzial", erläutert Dr. Jennifer Schmidt vom EMFT in einer Mitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft.

Schmidt: "Hierfür setzen wir lebende Zellen, die aus menschlichem und tierischem Gewebe isoliert und in Zellkulturen gezüchtet wurden, der zu untersuchenden Substanz aus."

Ist der Wirkstoff in einer bestimmten Konzentration giftig für die Zelle, stirbt sie. Diese Änderung des "Wohlbefindens" lässt sich mit Sensor-Nanopartikeln sichtbar machen.

Energie wird in Form von ATP gespeichert

Gesunde Zellen speichern ihre Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP). Je mehr ATP vorhanden ist, desto aktiver ist die kleinste lebende Einheit.

Wird diese stark geschädigt, verringert sie schlussendlich ihre Stoffwechselaktivität, speichert weniger Energie und produziert infolgedessen auch weniger ATP.

"Mit unseren Nanosensoren können wir das Adenosintriphosphat detektieren und feststellen, in welchem Gesundheitszustand sich Zellen befinden", wird Schmidt in der Mitteilung der Gesellschaft zitiert.

Dies wiederum lasse Rückschlüsse auf den zellschädigenden Einfluss von Medikamenten oder Chemikalien zu.

Je gelber das Signal, umso aktiver ist die Zelle

Damit die Nanopartikel das ATP erkennen, statten die Forscher sie mit zwei Fluoreszenzfarbstoffen aus: einem grünen Indikatorfarbstoff, der sensibel auf ATP reagiert, und einem roten Referenzfarbstoff, dessen Farbe sich nicht verändert.

Im nächsten Schritt schleusen die Wissenschaftler die Partikel in die lebenden Zellen ein und beobachten sie unter dem Fluoreszenzmikroskop.

In Abhängigkeit der Menge des vorhandenen ATPs leuchteten die Partikel unterschiedlich stark, meldet die Fraunhofer-Gesellschaft: je gelber das Signal im Überlagerungsbild erscheint, desto aktiver ist die Zelle.

Wäre diese in einem schlechten Zustand, würde das Überlagerungsbild deutlich röter ausfallen.

"Werden beispielsweise Krebszellen verwendet, lässt sich zukünftig die Wirksamkeit neu entwickelter Chemotherapeutika testen", so die Forscherin.

Detektiere man mit den Nanosensoren eine geringe ATP-Konzentration in den Zellen, gebe dies den Hinweis, dass das Medikament die Tumorzellen in ihrem Wachstum hemmt oder gar abtötet, so die Forscherin. "Die vielversprechendsten Medikamente können dann weiter untersucht werden."

Nanopartikel passieren problemlos die Zellmembran

Die Nanopartikel der EMFT-Forscher sind nicht giftig für Zellen und sie passieren problemlos die Zellmembran: Auch lassen sie sich sogar gezielt dorthin transportieren, wo die Testsubstanz detektiert werden soll, heißt es in der Mitteilung der Gesellschaft.

Bevor das Verfahren angewendet werden könne, müssen die Zulassungsbehörden es anerkennen. Das hält die Forscher nicht davon ab, die Technologie inzwischen weiterzuentwickeln und flexibel einzusetzen: Zum Beispiel, um Qualität und Genießbarkeit von verpacktem Fleisch zu ermitteln.

Hierfür haben sie nach Angaben der Fraunhofer-Gesellschaft Nanosensoren entwickelt, die die Konzentration von Sauerstoff und toxischen Aminen bestimmen können.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

ARE in Grafiken

RKI: Grippewelle deutet sich an

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Wie Zink das Immunsystem stärken kann

© Tondone | AdobeStock

Risikogruppen schützen

Wie Zink das Immunsystem stärken kann

Anzeige | Wörwag Pharma GmbH & CO KG
Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 03.01.201213:29 Uhr

Zell-Kultur

Das wäre doch zu schön, könnte man alle Toxizitäts-Prüfungen an intakten Wirbeltier-Organismen durch schlichtes Beträufeln von nackten Zellkulturen ersetzen!
Das ist wohl denkbar für Haut- und Schleimhautzellen -hätte man dafür sog. monolayer-Kulturen vom gleichen Zelltyp; hat man aber nicht. Schließlich sind selbst die Haut und die Schleimhäute schon ein Gewebeverband aus verschiedenen Zellarten.
Und letztlich werden potentielle Schadstoffe (Gifte) nach Aufnahme (Inkorporation) in einen Wirbeltierkörper verstoffwechselt und dabei z.T. in der Leber auch wieder entgiftet oder erst recht toxisch wirksam transformiert.
Die sog. Tierversuchs-Ersatzmethoden sind bisher lediglich -und im besten Falle- Komplementärmethoden!
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rosotck

Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Pharmakokinetik von Rezafungin bei einer Dosierung von 400mg, gefolgt von 200mg einmal wöchentlich

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [10]

Invasive Candida-Infektionen

Modernes Echinocandin – optimierte Eigenschaften und klinische Vorteile

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Mundipharma Deutschland GmbH & Co. KG, Frankfurt/Main
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Finale Analyse der SPOTLIGHT-Studie zum fortgeschrittenen, Claudin-18.2-positiven und HER2-negativen Adenokarzinom des Magens/AEG: Gesamtüberleben (PPS-Population)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Zolbetuximab: Standardtherapie bei CLDN18.2+/HER2− Magenkarzinomen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Update der Studie EPIsoDE

Psilocybin hält therapieresistente Depressionen ein Jahr lang in Schach

Lesetipps
Warnschild Grippewelle

© nmann77 / stock.adobe.com

ARE in Grafiken

RKI: Grippewelle deutet sich an

Fünf Menschen im Wartezimmer.

© Tyler Olson / stock.adobe.com

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig

Im Krankenhaus wird der Patient unter Aufsicht eines Radiologen einer CT-Untersuchung unterzogen.

© Valerii Apetroaiei / stock.adobe.com

Vereinfachter Diagnose-Algorithmus

Lungenembolie mit weniger Bildgebung sicher ausschließen