Elektronische Patientenakte

Raus aus der Warteschleife?

Den Akteuren der Selbstverwaltung ist aufgefallen, dass die Vernetzung im Gesundheitswesen Vorteile bringt. Und dass sie besser selbst mitgestalten sollten, als sich vom Markt überrennen zu lassen. Nicht umsonst stürzen sich derzeit alle auf die E-Patientenakte. Holt das die Akte aus ihrem Dornröschenschlaf?

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

"Für weitere Verzögerungen und Verhinderungen sollten wir uns keine Zeit mehr gönnen", lautete erst vor wenigen Wochen die klare Ansage von AOK-Chef Martin Litsch in Richtung Telematikinfrastruktur (TI). Auf dem gevko-Symposium "Digitales Gesundheitswesen 2021" in Berlin bezog er dabei explizit die elektronische Patientenakte mit ein. Denn, da ist sich die Selbstverwaltung mittlerweile einig: Sie ist Kernelement der Vernetzung im Gesundheitswesen. Weil sie die Kommunikationswege verkürzt und Informationen an einer Stelle bündelt – also Doppeluntersuchungen oder Arzneifehler verhindert.

Einig ist man sich auch, dass die E-Patientenakte unbedingt in die Telematikinfrastruktur (als einheitliche Datenautobahn in der Versorgung) eingebettet werden sollte. Das hat auch die KBV in ihren gerade erst publik gewordenen Positionen zur E-Patientenakte verlangt.

Mehr Spielraum gefordert

Trotz dieser Erkenntnis besteht aber nach wie vor Dissens bei der Frage, wer die Akte federführend koordiniert. Litsch als Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes sieht die Koordinationshoheit nicht unbedingt bei den Ärzten. Zumindest würde er dies mit einem Fragezeichen versehen, da die Finanzierung letztlich ja über die Beitragszahler bzw. GKV-Versicherten laufe. Dass sich die Ärzte als Hauptbefüller und -nutzer einer solchen E-Akte hier in der Pflicht sehen, ist verständlich und durchaus sinnvoll. Auch, dass sie aktiv mitgestalten wollen, wie das Positionspapier der KBV sehr deutlich aufzeigt. Dabei spricht die Standesvertretung allerdings von mehr Spielraum für die Selbstverwaltung insgesamt.

Der mag notwendig sein, die Frage ist aber: Wie weit soll er gehen? Es ist kein Geheimnis, dass einige Krankenkassen bereits fleißig an eigenen Gesundheitsakten arbeiten. Ganz vorne mit dabei ist die Techniker Krankenkasse, die hier nach eigenem Bekunden schon etliche Krankenhäuser für das Projekt gewinnen konnte. So hätten etwa die Helios Kliniken, Agaplesion, Vivantes und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf ihre Kooperationsbereitschaft bekundet (wir berichteten). Aber auch die AOK Nordost arbeitet laut Christian Klose, Chief Digital Officer der Krankenkasse, an einer Plattform-Lösung. Den Start sollen einige Anwendungen wie die E-Medikation, die Arzneimitteltherapiesicherheit, der E-Impfpass und das Entlassmanagement machen. Getestet werde die Plattform mit Ärztenetzen, Kliniken und Patienten.

Mehr Akten, mehr Tempo?

Hier entsteht eine Vielfalt an Akten, die durchaus politisch erwünscht ist. Das hatte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) noch auf seiner Sommerreise bei einem Besuch der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bekräftigt. Damit könnte dann doch der Markt regeln, welches Angebot sich durchsetzt. Das kann Kostenvorteile bei dem ohnehin schon milliardenschweren Telematik-Projekt bringen. Wettbewerb sorgt oft auch dafür, dass sich tatsächlich nutzerfreundliche Varianten durchsetzen.

Kann dadurch jedoch mehr Tempo in den Zeitplan kommen, und besteht nicht doch die Gefahr vieler Insellösungen, die die Ärzte dann aufwändig einzeln befüllen müssten? Das Problem der Insellösungen muss dann nicht gegeben sein, wenn die einzelnen Akten fähig sind, Daten ohne Medienbrüche untereinander strukturiert auszutauschen. Wenn also die TI als Plattform genutzt wird und eine Art Arbeits-Cloud entsteht. Denn in welcher Ansicht Arzt oder Patient die einzelnen Daten sehen – also in der E-Akte der Praxissoftware oder der Gesundheitsakte der Kasse als reine Arbeitsoberfläche – ist technisch gesehen egal, solange alle auf dieselben Daten zugreifen. Hier muss der Gesetzgeber vorweggreifen und Regeln für einheitliche Standards und den Datenaustausch zwischen den Systemen schaffen. Allein mit dem Interoperabilitätsverzeichnis der gematik kommt man da nicht weit.

Dann wäre da noch der Zeitplan: Ursprünglich sollte die E-Patientenakte laut E-Health-Gesetz 2019 starten. Das beinhaltet, dass die sektorübergreifende Akte dann bereits läuft. Im Bundesgesundheitsministerium geht man hingegen jetzt davon aus, dass bis 2021 alle gesetzlich Versicherten eine solche Akte haben sollen. Das klingt stark nach einkalkulierter Verzögerung.

Lesen Sie dazu auch: Telematik: Patientenakte steht weit oben auf der Agenda der Politik

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