Stralsunder Praxis

Palliativmedizin funktioniert als zweites Standbein

Palliativmedizin ist wirtschaftlich kaum tragfähig, glauben noch viele Ärzte - und sehen in dem Fach kaum Chancen. Nicht so Dr. Matthias Henneske. Ihm gibt der Erfolg Recht.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Bei der ambulanten Palliativmedizin begleiten Ärzte ihre Patienten und meist auch deren Familien in schweren Zeiten.

Bei der ambulanten Palliativmedizin begleiten Ärzte ihre Patienten und meist auch deren Familien in schweren Zeiten.

© openlens / Fotolia

STRALSUND. Ambulante Palliativmedizin ist nur für wenige niedergelassene Ärzte ein so wichtiges Standbein, dass die Praxisinhaber fast die Hälfte ihrer Arbeitszeit damit zubringen. Aus der Gemeinschaftspraxis von Dr. Matthias Henneske und Dr. Matthias Frenzel ist sie hingegen nicht mehr wegzudenken.

Die beiden Anästhesisten sind auch Palliativmediziner und versorgen Menschen, die meist nur noch wenige Wochen zu leben haben.

Sie kommen in ihr häusliches Umfeld, ins Pflegeheim oder auch ins Hospiz. Henneske empfindet diese Zeit als erfüllend, weil er die Patienten und deren Angehörige wie ein "Familienarzt" durch die schwere Zeit begleitet.

Der Gegensatz zu seinem zweiten Praxis-Schwerpunkt, den ambulanten Narkosen, könnte kaum größer sein: Hier entsteht wenig Bindung zu Patienten, weil er sie nach einer Beratung nur für die kurze Zeit der Operation begleitet.

"Bei dieser Tätigkeit ist man hauptsächlich ein Dienstleister für den Operateur, und die Arbeit ist Routine. Die stellt sich in der Palliativmedizin nicht ein", berichtet Henneske.

Der heute 49-Jährige hat Palliativpatienten schon in seiner Klinikzeit in Neubrandenburg kennengelernt. Sein erster Patient war ein austherapierter junger Mann, den er noch als Klinikarzt behandelt hatte und anschließend in Stralsund als niedergelassener Arzt weiter bis zum Tod begleitete.

"Damals habe ich erkannt, dass austherapierte Patienten nach der Entlassung aus der Klinik häufig durch das Netz der ambulanten Regelversorgung zu fallen drohen und die gewünschte palliative Versorgung zu Hause unmöglich wird", erinnert sich Henneske.

Eine Handvoll Kollegen

Noch vor zehn Jahren war die ambulante Palliativmedizin wirtschaftlich kaum tragfähig, entsprechend wenige Ärzte verfolgten diese Richtung auch in seinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. "Damals gab es nur eine Handvoll Kollegen", betont Henneske.

Diese wenigen aber tauschten sich regelmäßig aus und brachten sich in die ersten dreiseitigen Verträge mit Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen ein.

Dank des Aufbaus professioneller Strukturen bildet die Palliativmedizin heute für Henneske einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt.

Zur Wirtschaftlichkeit dieses Arbeitsschwerpunkts: Der Umsatzanteil der Palliativmedizin an seiner Tätigkeit liegt bei rund 20 Prozent, während die aufgewendete Zeit ähnlich hoch ist wie die für die ambulanten Narkosen.

Doch wirtschaftliche Aspekte sind nicht allein entscheidend: So schätzt Henneske die Palliativmedizin wegen der Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen. Gemeinsam mit seinem Praxispartner Dr. Matthias Frenzel hat er eine Gesellschaft gegründet, die als Vertragspartner von KV und Kasse die ambulante Palliativmedizin in der Region Stralsund und auf Rügen abdeckt. Rund ein Dutzend solcher Vertragspartner gibt es im Nordosten landesweit für die einzelnen Regionen.

Um Vertragspartner zu werden, war die Gesellschaftsgründung erforderlich – mit einzelnen Ärzten war ein Vertragsabschluss nicht möglich. Viele ärztliche Leistungen in ihrer Region erbringen Henneske und Frenzel selbst, sie arbeiten aber auch gerne mit ärztlichen Kooperationspartnern zusammen.

Auf Rügen sind dies insgesamt fünf Ärzte aus der Allgemeinmedizin, Inneren Medizin und Anästhesie. Für die Region Stralsund suchen sie derzeit nach einem weiteren ärztlichen Mitstreiter.

Förderverein rundet Konzept ab

Die Koordination und soziale Betreuung der Palliativpatienten übernimmt die Firma von Henneskes Frau Christina, außerdem arbeiten sie mit Pflegediensten Hand in Hand.

Abgerundet wird das Konzept durch den Förderverein "Lebenszeit", der Betroffene und Angehörige zu Fragen der palliativen Versorgung berät, Veranstaltungen organisiert, Fort- und Weiterbildungen initiiert und dies über das Einwerben von Spenden ermöglicht.

Die Einbettung in dieses Netzwerk hilft Henneske bei der nicht immer einfachen Begleitung der Patienten. Dass ein solches Netzwerk überhaupt entstehen konnte, ist auch MLP-Berater Christian Wojda zu verdanken.

Wojda hat Henneske schon beim Start in die Niederlassung 2007 begleitet und beim Ausbau des palliativmedizinischen Angebotes unterstützt. "Er hat mir die Türen in die Niederlassung geöffnet und mich beraten. Als Arzt hatte ich keine Vorstellung, was finanziell möglich war und was die Summen zu bedeuten hatten, mit denen man konfrontiert wird", sagt Henneske heute.

Ohne den Rat Wojdas, die ambulante Palliativmedizin weiter zu verfolgen und die Struktur- auch in Vertragsanpassungen umzusetzen, wäre dieses Praxisstandbein heute wahrscheinlich deutlich kleiner – und die Palliativpatienten hätten weniger Begleitung.

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