Grippe-Impfung

Ausschreibungspraxis "skandalös"

Infektiologen und Impfexperten haben vor dem Beginn der Grippesaison scharf die derzeitige Ausschreibungspraxis für Influenza-Impfstoffe in Deutschland kritisiert.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

ERFURT. Als "nicht vertretbar" bezeichnet es der Virologe Professor Peter Wutzler, Jena, wenn man sich bei der Grippeimpfung in Deutschland nicht an der Qualität eines Impfstoffes orientiere, sondern "im Wesentlichen am Preis".

Eine individualisierte Impfstoffauswahl bleibe Impfärzten damit verwehrt, schreibt Wutzler in einem Beitrag für die "Münchner Medizinischen Wochenschrift" (MMW 2015: 157 (15): 60).

Noch deutlicher wurde beim derzeit laufenden 5. Deutschen Influenza-Kongress in Erfurt der pädiatrische Infektionsimmunologe Professor Markus Knuf, Wiesbaden.

Besonders mit Blick auf zu impfende Kinder sagte Knuf: "Es ist skandalös, dass wir diese Ausschreibungspraxis haben! Unwirksame, nicht kindgerechte Impfstoffe werden ausschließlich über den Preis unters Volk gebracht. Das ist ein ausschließlich ökonomisch motivierter Vorgang."

Knuf, Wutzler wie auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (STIKO), Dr. Jan Leidel, wiesen in Erfurt darauf hin, dass ein tetravalenter Influenzaimpfstoff wünschenswert wäre, um die beiden B-Viruslinien mit abzudecken.

Wenn jedoch versucht werde, nur den jeweils kostengünstigsten Impfstoff anzuwenden, so Leidel, dann hätten Vierfachimpfstoffe nur geringe Chancen.

Bei Vorhersage oft daneben gelegen

Seit 2001 ko-zirkulieren während der Influenzasaisons häufig beide B-Linien. Es ist schwer einzuschätzen, welche der beiden Linien relevant werden wird.

So erstaunt es nicht, dass die Vorhersage in sechs von elf Saisons daneben gelegen hat, die protektive Wirkung trivalenter Impfstoffe war wegen der häufigen Diskrepanz zwischen Impfvirus und zirkulierenden Virusstämmen nicht optimal.

Wutzler ist daher überzeugt, dass in zwei Jahren die Hersteller nur noch quadrivalente Impfstoffe anbieten werden.

In der MMW erinnert der Virologe daran, dass bis zu 70 Prozent der Kinder unter 12 Jahren noch keine Antikörper gegen Influenza-B-Viren aufweisen. "Influenza-B-Infektionen betreffen deshalb bevorzugt Kinder und Jugendliche."

Kinder generell impfen!

Pädiater Knuf sprach sich in Erfurt für eine generelle Impfung von Kindern und Jugendlichen aus. Keine andere Bevölkerungsgruppe bekomme so häufig eine Influenza wie Säuglinge und Kleinkinder.

"Auch völlig gesunde Kinder können schwer und komplikationsträchtig erkranken", warnte er und verwies auf hohe Hospitalisationsraten und Komplikationen bis hin zur Enzephalitis.

Zudem seien Kinder die Hauptüberträger während der Influenzasaison. Sie scheiden länger als Erwachsene die Viren aus, der enge körperliche Kontakt zu anderen Kindern, zu den Eltern und Großeltern tue ein Übriges.

Ideal sei daher die Impfung mit kindgerechten, wirksamen und sicheren Impfstoffen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Durchaus ein Skandal!

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Kommentare
Dr. Andreas Rahn 19.09.201516:56 Uhr

Kosten sagen nichts aus - die Kosten-Nutzen-Relation sagt alles

Kosten alleine besagen im Grunde gar nichts - erst die Herstellung einer Beziehung zwischen Kosten und Nutzen kann als Entscheidungsgrundlage dienen.
Leider wird dies allzu oft vergessen.
Wahrscheinlich liegt es daran, wer bei uns im Gesundheitswesen das Sagen hat: Wirtschaftler und Politiker. Diese können Kosten beziffern - aber den Nutzen können sie nicht beurteilen, denn das geht nur mit medizinischem Sachverstand, den diese Gruppen nicht haben - den haben nur Ärzte. Leider können sich Ärzte oft nicht zu einer einheitlichen begründeten Stellungnahme durchringen.
Im vorliegenden Fall scheint das anders zu sein. Wenn der Vorsitzende der STIKO neben div. anderen kompetenten Personen den tetravalenten Impfstoff befürwortet, dann ist die Sache relativ klar - und zwar in Bezug auf die Kosten-Nutzen-Relation. Es ist dann Sache der Politiker und Wirtschaftler, das mit der herstellenden Industrie zu verhandeln. Die Pharma-Industrie neigt natürlich dazu, die Gewinne mitzunehmen, die sie bekommen kann. Auch diese Problematik ist von Politikern zu lösen - aber das wird nur mit solchen gehen, die unabhängig sind.

Dr. Andreas Rahn 19.09.201516:56 Uhr

Kosten sagen nichts aus - die Kosten-Nutzen-Relation sagt alles

Kosten alleine besagen im Grunde gar nichts - erst die Herstellung einer Beziehung zwischen Kosten und Nutzen kann als Entscheidungsgrundlage dienen.
Leider wird dies allzu oft vergessen.
Wahrscheinlich liegt es daran, wer bei uns im Gesundheitswesen das Sagen hat: Wirtschaftler und Politiker. Diese können Kosten beziffern - aber den Nutzen können sie nicht beurteilen, denn das geht nur mit medizinischem Sachverstand, den diese Gruppen nicht haben - den haben nur Ärzte. Leider können sich Ärzte oft nicht zu einer einheitlichen begründeten Stellungnahme durchringen.
Im vorliegenden Fall scheint das anders zu sein. Wenn der Vorsitzende der STIKO neben div. anderen kompetenten Personen den tetravalenten Impfstoff befürwortet, dann ist die Sache relativ klar - und zwar in Bezug auf die Kosten-Nutzen-Relation. Es ist dann Sache der Politiker und Wirtschaftler, das mit der herstellenden Industrie zu verhandeln. Die Pharma-Industrie neigt natürlich dazu, die Gewinne mitzunehmen, die sie bekommen kann. Auch diese Problematik ist von Politikern zu lösen - aber das wird nur mit solchen gehen, die unabhängig sind.

Dr. Hans-Jürgen Kühle 19.09.201511:11 Uhr

Diese Ausschreibungspraxis torpediert die Impfbereitschaft!

Wir Kinder- und jugendärzte haben dann die Kurzsichtigkeit der Ausschreibungspraxis auszubaden: wer wird sein kind schon für eine 30%ige Schutzwirkung impfen lassen?? Das schlägt bei vielen Eltern dann auch auf das Verständnis der Standardimpfungen zurück - gerade kämpfen wir darum, die Impfbereitschaft zu erhöhen - wie widersinnig!
P.S. In Hessen wird glücklicheweise von allen auf Empfehlung der Kinder- und Jugendärzte der tetravalente Nasensprayimpfstoff Fluenz Tetra von allen Kassen übernommen.
Und ich impfe mich (>60) mit dem tetravalenten Injektionsimpfstoff Influsplit Tetra - das würde ich auch erst recht jedem alten Menschen empfehlen!

Dr. Hans-Jürgen Kühle 18.09.201517:13 Uhr

Diese Ausschreibungspraxis torpediert die Impfbereitschaft!

Wir Kinder- und jugendärzte haben dann die Kurzsichtigkeit der Ausschreibungspraxis auszubaden: wer wird sein kind schon für eine 30%ige Schutzwirkung impfen lassen?? Das schlägt bei vielen Eltern dann auch auf das Verständnis der Standardimpfungen zurück - gerade kämpfen wir darum, die Impfbereitschaft zu erhöhen - wie widersinnig!
P.S. In Hessen wird glücklicheweise von allen auf Empfehlung der Kinder- und Jugendärzte der tetravalente Nasensprayimpfstoff Fluenz Tetra von allen Kassen übernommen.
Und ich impfe mich (>60) mit dem tetravalenten Injektionsimpfstoff Influsplit Tetra - das würde ich auch erst recht jedem alten Menschen empfehlen!

Dr. Henning Fischer 18.09.201512:35 Uhr

Geiz ist geil, das Motto im Gesundheitswesen seit Seehofer


und noch auf die Spitze getrieben von Ulla Schmidt, unbehelligt weiter unter dem Parteisoldaten Gröhe

oder auch die Schraube:

fester, fester, fester,

und ab. Bald ist es so weit.


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