Kontrollierte US-Studie

Demenzprävention: Fischöl schützt wohl weiße Substanz

Gute Nachrichten in puncto Demenzprävention: Eine Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren beugt Läsionen in der weißen Substanz vor. Das hat jetzt eine kleine kontrollierte Studie in den USA ergeben. Auf das Hirnvolumen hat die Behandlung aber wohl keinen erkennbaren Einfluss.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:
Fischöl: Die Supplementierung mit  Omega-3-Fettsäuren beugte in einer Studie Läsionen in der weißen Substanz (WMH) vor. Eine hohe WMH-Last geht mit einem beschleunigten kognitiven Abbau einher.

Fischöl: Die Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren beugte in einer Studie Läsionen in der weißen Substanz (WMH) vor. Eine hohe WMH-Last geht mit einem beschleunigten kognitiven Abbau einher.

© PhotoSG / stock.adobe.com

Denver. Der Genuss von viel fettem Fisch geht in Kohortenstudien mit einem geringeren Demenzrisiko einher, in kontrollierten Studien haben Fischöl und die darin enthaltenen Omega-3-Fettsäuren bislang aber wenig gebracht, wenngleich sich in einzelnen Subgruppen mit sehr hohem Risiko und geringen Omega-3-Serumwerten Vorteile bei der Kognition andeuteten. Biomarkeranalysen in Kohortenstudien wie der Oregon Brain Aging Study sprechen wiederum für einen Nutzen von Omega-3-Fettsäuren primär auf die weiße Substanz, weniger bei der Hirnatrophie. So haben ältere Menschen mit hohen Serumwerten seltener Läsionen der weißen Substanz (white matter hyperintensity, WMH).

Darauf verwies Professor Gene Bowman von der Universität in Portland, USA, beim Internationalen Alzheimerkongress AAIC in Denver. WMH sind ein früher, vaskulär bedingter Demenzindikator, sie deuten auf Schäden wie Demyelinisierung, Axonverlust, erweiterte perivaskuläre Räume und Spongiose; eine hohe WMH-Last geht in der Regel mit einem beschleunigten kognitiven Abbau einher. Als eine Ursache der WMH gelten Schäden in den Arteriolen, die die weiße Substanz versorgen.

102 Menschen über 75 Jahren untersucht

In einer kleinen kontrollierten Studie haben Neurologen um Bowman nun geschaut, ob sich die WMH-Progression mit einer Omega-3-Fettsäurensupplementierung bremsen lässt. Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein. An der drei Jahre dauernden Studie nahmen 102 Menschen über 75 Jahren teil, die noch keine Demenz, aber niedrige Omega-3-Plasmaspiegel (unter 110 Mikrogramm pro ml) und bereits eine deutliche WMH-Last aufwiesen. Bei solchen Personen versprachen sich die Neurologen am ehesten positive Effekte.

Die Hälfte bekam einen Fischölmix mit 1,65 g Omega-3-Fettsäuren (980 mg EPA: Eicosapentaensäure plus 670 mg DHA: Docosahexaensäure), die übrigen erhielten Kapseln mit Sojaöl. Im Schnitt waren die Teilnehmer 81 Jahre alt, etwa 60 Prozent wiesen einen Hochschulabschluss auf, ebenso viele waren Frauen, etwas mehr als ein Viertel trug ein ApoE4-Allel, die Omega-3-Plasmawerte (EPA plus DHA) erreichten im Mittel 68 μg/ml.

Geringerer WMH-Volumenzuwachs

In der Intention-to-Treat-Analyse über alle Teilnehmer ergaben sich weder Unterschiede beim WMH-Volumen noch beim Hirnvolumen, wohl aber in der Per-Protocol-Analyse: Hier schauten die Neurologen nach den tatsächlich erreichten Serumwerten. Offenbar hatten einige Teilnehmer in der Placebogruppe eigenhändig Omega-3-Supplemente eingenommen, dafür Personen in der Fischölgruppe die Kapseln weggelassen. Wurden Teilnehmer mit Serumwerten über dem Zielwert von 110 μg/ml mit solchen darunter verglichen, so hatte das WMH-Volumen bei Ersteren um rund 4 ml zugenommen, bei Letzteren um 6,5 ml, und dieser Unterschied von etwa 50 Prozent war signifikant. Allerdings zeigte sich der Vorteil nur im periventrikulären Bereich, nicht in subkortikalen Regionen. Beim Gesamthirnvolumen gab es einen Trend zugunsten der Fischöl-Supplementierung, aber keine signifikanten Unterschiede.

Ebenfalls einen Trend zugunsten der Supplementierung konnten die Neurologen bei der fraktionalen Anisotropie (FA) in der Diffusionsbildgebung erkennen. Eine geringe FA deutet auf mikrostrukturelle Schäden im untersuchten Gewebe. Der FA-Trend ließ sich praktisch komplett auf Unterschiede bei ApoE4-Trägern zurückführen. Bei ihnen war die FA unter Fischöl nach drei Jahren signifikant höher als bei ApoE4-Trägern mit Placebo, dagegen gab es praktisch keine Unterschiede unter Personen mit anderen ApoE-Allelen. Da nur relativ wenige Teilnehmer ein ApoE4-Allel aufwiesen, sind diese Resultate jedoch mit Vorsicht zu interpretieren.

Die Forscher um Bowman streben nun eine deutlich größere Studie bei älteren Personen mit hoher WMH-Last an.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Blick in die Zukunft

Alzheimertherapie 2.0: Neue Strategien gegen Beta-Amyloid

Das könnte Sie auch interessieren
Was die MS-Behandlung auszeichnet

© Suphansa Subruayying | iStock

Lebensqualität

Was die MS-Behandlung auszeichnet

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

© AscentXmedia | iStock

Lebensqualität

Unsichtbare MS-Symptome im Fokus

Anzeige | Merck Healthcare Germany GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

© brizmaker | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Depressionsscreening

Depression und Schmerz gehen häufig Hand in Hand

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Dr. Werner G. Gehring 30.07.202112:06 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren, bitte teilen Sie mir zu dieser Publikation die Literaturstelle mit.
Dankeschön

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Joppich antwortete am 02.08.202110:12 Uhr

Hallo Dr. Gehring,

der Autor hat die Ergebnisse der Studie bei dem Kongress erfahren, da diese dort vorgestellt worden sind. Sie sind also noch nicht in einer Publikation erschienen.

Dr. A. Constantin Rocke 29.07.202119:41 Uhr

Man sollte individueller (Messung des HS-Omega-3-Index, Ziel 8-11%) und höher (2-4g/d) dosieren, dann wird höchstwahrscheinlich ein feinerer Schuh daraus. Wenn dann noch auf möglicherweise negative Effekte durch häufig bestehenden oxidativen Stress geachtet wird, könnte eine richtig gute Studie entstehen - aber wer würde das bezahlen?

Sonderberichte zum Thema

ADHS im Erwachsenenalter

Wechseljahre und ADHS: Einfluss hormoneller Veränderungen auf Symptomatik und Diagnose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Entwicklungen in der Therapie neuromuskulärer Erkrankungen

Neue Ansätze zur Behandlung seltener Krankheitsbilder

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Abb. 1: a) Verlauf einer Gruppe unbehandelter Personen, b) 5-Jahres-Daten der SUNFISH-Studie Teil1, c) Teil2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Therapie der 5q-assoziierten SMA

Risdiplam-Filmtabletten: flexiblere Anwendung im Alltag

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

Wie kann man Impfskeptiker überzeugen?

Lesetipps
Eine Kinderärztin hält im Rahmen einer Kinderimpfung gegen Meningokokken eine Spritze

© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Neuerungen der STIKO-Impfempfehlungen

Meningokokken: Warum gerade Jugendliche geimpft werden sollten

Eine Ärztin führt eine körperliche Untersuchung bei einem Baby durch.

© Anna Ritter / stock.adobe.com

Sorgfältige Abklärung stets erforderlich

Hämatome bei Säuglingen: Immer Anzeichen für Kindesmisshandlung?