Assistierte Reproduktion

Embryotransfer erhöht womöglich Leukämierisiko der Kinder

Reproduktionsmedizinische Techniken haben theoretisch das Potenzial, den epigenetischen Code zu verändern und somit das Krebsrisiko der Kinder zu erhöhen. Zwischen Embryotransfer und Leukämie scheint sich ein solcher Zusammenhang bestätigt zu haben.

Von Dr. Dagmar Kraus Veröffentlicht:
Die Forschenden aus Frankreich resümieren, dass die landesweite Kohortenstudie mit mehr als 8,5 Millionen Kindern darauf hinweise, dass Kinder, die nach FET oder ET zur Welt kommen, ein höheres Leukämierisiko haben als natürlich gezeugte Kinder, wenngleich sich das allgemeine Krebsrisiko nicht unterscheidet.

Die Forschenden aus Frankreich resümieren, dass die landesweite Kohortenstudie mit mehr als 8,5 Millionen Kindern darauf hinweise, dass Kinder, die nach FET oder ET zur Welt kommen, ein höheres Leukämierisiko haben als natürlich gezeugte Kinder, wenngleich sich das allgemeine Krebsrisiko nicht unterscheidet. (Symbolbild)

© Svitlana / stock.adobe.com

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Unterscheidet sich das Krebsrisiko von Kindern, die mit Hilfe reproduktionsmedizinischer Techniken gezeugt wurden, von denen, die auf natürlichem Weg entstanden sind?

Antwort: In einer Kohortenstudie mit rund 8,5 Millionen Kindern und einem Follow-up von durchschnittlich sieben Jahren war die Wahrscheinlichkeit einer akuten lymphoblastischen Leukämie nach FET 61 Prozent höher als nach natürlicher Zeugung (Risikodifferenz: 23,2/Mio. Personenjahre). Bei Kindern, die zwischen 2010 und 2015 nach ET zur Welt gekommen waren, lag das Leukämierisiko 42 Prozent höher (Risikodifferenz: 19,7/Mio. Personenjahre). Für das allgemeine Krebsrisiko hingegen machte es keinen Unterschied, ob reproduktionsmedizinische Verfahren genutzt worden waren oder nicht.

Bedeutung: Das Leukämierisiko nach FET und ET ist sorgfältig zu überwachen, zumal diese Verfahren immer häufiger eingesetzt werden.

Einschränkung: Geringe absolute Erkrankungszahlen.

Saint-Denis. Krebserkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen bei Kindern. Das teils sehr frühe Erkrankungsalter sowie die embryologischen Charakteristika mancher Tumore legen nahe, dass der Auslöser der Erkrankung rund um die Konzeption zu suchen ist. Im Verdacht stehen unter anderem Verfahren der assistierten Reproduktion (assisted reproductive technologies; ART), wie der Transfer frischer bzw. eingefrorener Embryonen (ET bzw. FET) oder die künstliche Insemination (artificial insemination; AI).

Über ein Risikosignal für mehr Leukämieerkrankungen berichteten kürzlich Forschende aus Frankreich. Sie haben die Daten von über 8,5 Millionen Kindern aus dem French-National-Mother-Child-Register ausgewertet und das Krebsrisiko der nach FET, ET oder AI Geborenen mit dem Krebsrisiko natürlich gezeugter Kinder verglichen (JAMA Netw Open 2024; online 2. Mai).

Die meisten (96 Prozent) kamen nach Einlingsschwangerschaft zur Welt, 12 Prozent waren bei Geburt zu klein oder zu leicht für das Gestationsalter und 3 Prozent hatten kongenitale Fehlbildungen. In rund 260.000 Fällen (3 Prozent) waren assistierte Reproduktionsverfahren genutzt worden, am häufigsten ET (1,6 Prozent), gefolgt von FET (0,8 Prozent) und AI (0,7 Prozent).

Mehr Leukämieerkrankungen nach FET und ET

Nach durchschnittlich sieben Jahren hatten 9.256 Kindern eine Krebsdiagnose, davon waren 165 nach ET, 57 nach FET und 70 nach AI zur Welt gekommen. Für das allgemeine Krebsrisiko machte es keinen Unterschied, ob reproduktionsmedizinische Verfahren genutzt worden waren oder nicht, für das Risiko einer Leukämie, die in dieser Altersgruppe am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung, hingegen schon.

Nach FET lag die Wahrscheinlichkeit einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) 61 Prozent höher als nach natürlicher Zeugung. Die Risikodifferenz betrug 23,2 pro 1 Million Personenjahre. Bei Kindern, die zwischen 2010 und 2015 nach ET zur Welt gekommen waren, lag das Leukämierisiko 42 Prozent höher; mit einer Risikodifferenz von 19,7 pro 1 Million Personenjahre.

Zusammenhang mit anderen Tumorentitäten nicht ausgeschlossen

Die landesweite Kohortenstudie mit mehr als 8,5 Millionen Kindern weist darauf hin, dass Kinder, die nach FET oder ET zur Welt kommen, ein höheres Leukämierisiko haben als natürlich gezeugte Kinder, wenngleich sich das allgemeine Krebsrisiko nicht unterschied, so das Resümee der Forschenden.

Dass ausschließlich für Leukämien eine Assoziation mit ART beschrieben werden konnte, lässt sich aus Sicht der Onkologin Marie Hargreave vom Danish Cancer Society Research Center in Kopenhagen mit der Häufigkeit dieser Erkrankung im Kindesalter erklären. Andere Tumorentitäten kommen bei Kindern deutlich seltener vor, sodass womöglich nur die Teststärke der bisherigen Studien zu gering war, um Zusammenhänge mit seltenen Tumorerkrankungen zu bestätigen. „Für Hepatoblastome, Neuroblastome, Retinoblastome, Tumoren des zentralen Nervensystems und Sarkome existieren jedenfalls entsprechende Hinweise.“

Da immer mehr Kinder mit Hilfe reproduktionsmedizinischer Techniken zur Welt kommen, fordert Hargreave in ihrem Kommentar mehr qualitativ hochwertige Studien, um das erhöhte Leukämierisiko nach ART zu verifizieren und um die ätiologischen Mechanismen zu identifizieren.

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