Ernährung

Geschmack-Sache der Gene

Warum mag der eine eher Kaffee, der andere grünen Tee? Geschmacksvorlieben sind offenbar auch genetisch bedingt. Forscher haben neun DNA-Bereiche entdeckt, die mit dem Konsum von bestimmten Lebensmitteln assoziiert sind.

Prof. Dr. Stephan MartinVon Prof. Dr. Stephan Martin Veröffentlicht:
Kaffee oder grüner Tee: Worauf stehen Sie mehr?

Kaffee oder grüner Tee: Worauf stehen Sie mehr?

© simone richter/EyeEm / stock.adobe.com

Verwendet man im Deutschen den Ausdruck „einen guten Geschmack haben“, meint man damit nur selten die entsprechende Sinneswahrnehmung. Dabei geht es vielmehr eher um geschmackvolle Kleidung, die ästhetisch ansprechende Einrichtung einer Wohnung oder ein besonders exquisites Geschenk.

Die Funktion des Geschmacksorgans wird selten so angesprochen und ist auch wenig untersucht. Dabei beeinflusst sie entscheidend das Essverhalten: Der eine mag eher Kaffee, der andere grünen Tee. Warum das so ist, ist ungeklärt.

Forscher aus Japan haben nun mit genom-weiten Analysen der DNA Belege gefunden, dass genetische Polymorphismen mit Präferenzen für bestimmte Lebensmittel assoziiert sind (Nat Hum Behav. 2020; 4: 308; 316).

Professor Stephan Martin ist Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ) in Düsseldorf.

Solche Analysen werden normalerweise vorgenommen, um einzelne Abweichungen von Nukleotiden mit Erkrankungen in Zusammenhang zu bringen. Man spricht hier von sogenannten SNPs („single nucleotide polymorphisms“). Wird ein solcher SNP gefunden, kann diese genetische Variante dazu herangezogen werden, ein spezifisches Risiko für eine damit verbundene Krankheit zu ermitteln.

Genbereiche für Tee und Alkohol

Die Wissenschaftler haben nun solche SNPs auf Assoziationen mit Lebensmittel-Präferenzen untersucht. Dazu haben sie Daten von mehr als 160.000 Japanern aus dem „BioBank Japan Project“ analysiert. Außer DNA-Proben und Informationen zu Erkrankungen waren dort auch Nahrungsmittelvorlieben erfasst worden.

Es fanden sich neun genetische Bereiche, die unter anderem mit dem Konsum von Kaffee, Tee, Alkohol, Jogurt, Tofu oder Fisch verbunden waren.

Auch Interferenzen zwischen den Geschmacksrichtungen ließen sich ermitteln: Wer zum Beispiel den genetischen Polymorphismus für bitteren Geschmack hatte, mochte eher Tofu; wer diesen nicht hatte, konsumierte wenig oder überhaupt keinen Alkohol.

Zusätzlich wurden die unterschiedlichen Polymorphismen der „Geschmacks-Gene“ mit Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.

Kaffee und verringerte Rate an Lebererkrankungen

So ergaben sich für sechs solcher genetischen Marker Assoziationen zu verschiedenen Krebserkrankungen und zu Typ-2-Diabetes. Die genetische Vorliebe für Kaffee war mit einer verringerten Rate an Lebererkrankungen assoziiert.

Dies ist von besonderem Interesse: In epidemiologischen Studien war ein erhöhter Kaffeekonsum mit einer reduzierten Rate an Leberleiden verbunden.

Die Geschmacksvorlieben in Japan sind allerdings mit den Präferenzen in Europa schlecht zu vergleichen. Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Ergebnisse verallgemeinern lassen.

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Interessanterweise konnten die japanischen Forscher aber Polymorphismen der „Geschmacks-Gene“ reproduzieren, die bei der Analyse von europäischen Kohorten bereits identifiziert worden waren. Wie stark solche genetisch bedingten Vorlieben des Geschmacks aber unser Verhalten wirklich beeinflussen, ist ungeklärt.

Wüsste man darüber Bescheid und ließen sich solche komplexen Profile genauer identifizieren, könnte die Lebensmittelindustrie sie etwa für personalisierte Werbung nutzen.

Vorlieben können sich ändern

Jeder weiß, dass sich Geschmacksvorlieben im Laufe des Lebens ändern können. Wie bei vielen Erkrankungen auch sind „Geschmacks-Gene“ kein Schicksal. Beim Geschmack gibt es vielmehr umwelt- und sozioökonomischen Faktoren, die genetische Präferenzen neutralisieren.

Die Studie zeigt daher nur einen „proof of principle“. Wie stark unser Verhalten von solchen Faktoren wirklich abhängt, ist ungeklärt. Insofern sind auch Gene in der Tat Geschmacksache ...

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