Schädel-Hirn-Trauma

Hoffnungsvoller Wirkstoff fällt durch

Auf der neuroprotektiven Wirkung von Progesteron hatten große Hoffnungen gelegen. In einer großen Studie mit Schädel-Hirn-Trauma-Patienten ist das Steroid jedoch durchgefallen.

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ATLANTA. Trotz jahrzehntelanger Forschung hat sich bislang kein Wirkstoff gefunden, der die Prognose von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma (SHT) verbessern kann. Daran wird sich nun so schnell nichts ändern.

Der jüngste Hoffnungsträger ist gerade gescheitert. Progesteron hatte im Tierexperiment Hirnödeme, Neuronenuntergang und Verhaltensausfälle reduziert und auch in zwei kleineren Studien mit SHT-Patienten Mortalität und Funktionsstatus gegenüber Placebo verbessert.

In einer randomisierten Multizenter-Studie konnten diese Ergebnisse jetzt jedoch nicht reproduziert werden. Die mit dem Steroid behandelten Patienten hatten nach sechs Monaten nicht häufiger ein günstiges funktionelles Ergebnis als Patienten unter Placebo, wie Ärzte von der Universität in Atlanta berichten (N Engl J Med 2014, online 10. Dezember).

Eigentlich hätten an der Studie über 1100 Patienten teilnehmen sollen. Aufgrund des fehlenden Gruppenunterschieds bei Interimsanalysen wurde die Studie jedoch vorzeitig beendet, die Teilnehmerzahl erreichte damit nur 882.

Die Patienten hatten ein mittleres bis schweres SHT erlitten (Glasgow Coma Scale, GCS: 4-12 Punkte von 3-15 möglichen Punkten; niedrigere Werte entsprechen geringerem Bewusstseinsgrad); über die Hälfte hatte eine mittelschwere bis schwere Verletzung (GCS: 6-8).

Der mittlere Injury Severity Score betrug 24,4 (auf einer Skala von 0 bis schlimmstenfalls 75). Die Studienbehandlung - i.v. Progesteron oder Placebo - war spätestens vier Stunden nach dem Unfall begonnen und über 96 Stunden fortgesetzt worden.

Behandlungen statistisch gleichwertig

Zum Wirksamkeitsvergleich wurde primär der Anteil an Patienten mit günstigem Sechs-Monats-Ergebnis herangezogen. Ob ein solches vorlag, wurde mit dem Extended Glasgow Outcome Scale (GOS-E) bestimmt, und zwar jeweils in Abhängigkeit vom Schweregrad des anfänglichen Schadens; das heißt Patienten mit leichterem SHT mussten dafür einen besseren Funktionsstatus erreichen als Patienten mit schwerem SHT.

In der Steroidgruppe erreichten 51 Prozent der Patienten diesen Endpunkt, in der Placebogruppe waren es 55 Prozent; der Unterschied war nicht signifikant. Auch beim sekundären Endpunkt Mortalität waren die Behandlungen statistisch gleichwertig. Unter Progesteron starben 18,8 Prozent der Patienten, unter Placebo 15,7 Prozent.

Ein signifikanter Unterschied zeigte sich dagegen bei den Nebenwirkungen: Mit dem Steroid kam es häufiger zu Phlebitiden und Thrombophlebitiden (17,2 Prozent vs. 5,7 Prozent).

Den Studienautoren um David W. Wright zufolge könnte das negative Ergebnis der Studie mit der großen Heterogenität von SHT-Patienten zusammenhängen.

Für künftige Studien sei es daher möglicherweise sinnvoll, homogenere Patientengruppen einzubeziehen beziehungsweise gezieltere und adaptive Behandlungsstrategien zu erproben, schlussfolgern die Wissenschaftler. (bs)

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