Gastkommentar

Intervallfasten – Top oder Flop bei Diabetes?

Intervallfasten ist populär und viele Studiendaten sprechen für die Anwendung bei Typ-2-Diabetes. Allerdings könnte bei Therapie mit Insulin oder Sulfonylharnstoff das Hypoglykämierisiko steigen.

Prof. Dr. Stephan MartinVon Prof. Dr. Stephan Martin Veröffentlicht:

Als wir Menschen noch in der Steppe als Sammler und Jäger lebten, gab es am Tag keine drei Mahlzeiten und dazwischen noch die Extraportion Obst oder Gemüse. Wenn man einen Büffel erlegt hatte, wurde geschlemmt, gelang dies nicht, wurde zwangsläufig über Tage oder Wochen gefastet.

Heute wird in unserer Überflussgesellschaft viel geschlemmt und nur selten gefastet. Viele Vertreter der Schulmedizin stehen auch dem therapeutischen Fasten reserviert gegenüber, weil dieses oft in der Komplementärmedizin ohne wissenschaftliche Belege propagiert wird. Trotzdem erfreut sich besonders das sogenannte „intermittierende Fasten“ wachsender Popularität. Vor allem der TV-Arzt Dr. Eckard von Hirschhausen hat seine davon abgeleitete „Hirschhausen-Diät“ bekannt gemacht.

Unter „intermittierendem Fasten“ werden verschiedene Regime zusammengefasst, etwa Nahrungsaufnahme jeden zweiten Tag (alternierendes Tag-Fasten), Fasten an zwei Tage pro Woche (5:2 Fasten) oder zeitlich im Tagesverlauf begrenzte Nahrungsaufnahme (alle Mahlzeiten binnen 8 Stunden, 16 Stunden wird gefastet).

Immer mehr Studiendaten zu „intermittierendem Fasten“

Inzwischen werden immer mehr Studien zu „intermittierendem Fasten“ publiziert. So finden sich in „PubMed“ aktuell über 1200 Fachbeiträge dazu. Beispiele sind zwei Arbeiten im renommierten Journal „Cell Metabolism“. In den Studien verloren damit gesunde Menschen sowie Patienten mit metabolischem Syndrom Gewicht; metabolische und inflammatorische Parameter verbesserten sich (Cell Metab 2019; 30: 462; Cell Metab. 2020; 31: 92). In aktuellen Übersichtsarbeiten wird „intermittierendes Fasten“ als vielversprechende Maßnahme gegen Typ-2-Diabetes dargestellt (Nutrients 2019; 11: 873; Diabetes Obes Metab 2020; online 6. Mai).

Allerdings warnen nun drei US-Ärzte in einem kritischen Kommentar vor dem Einsatz von „intermittierendem Fasten“ bei Personen mit Typ-2-Diabetes (JAMA 2020; 324: 341). Die Forscher sehen zum einen die Datenlage als zu gering an, um die Ernährungsform größeren Patientengruppen empfehlen zu können. Zum anderen könne „intermittierendes Fasten“ bei Typ-2-Diabetes aufgrund von Hypoglykämien gefährlich werden.

Begrenzte Datenlage ist ein häufiges „Totschlag-Argument“: Denn wie viele Daten für eine Empfehlung ausreichen, lässt sich nur subjektiv beurteilen. Begründet ist aber sicher das Argument der Hypoglykämiegefahr. Dieses verdeutlicht auch die hohe Effizienz des „intermittierenden Fastens“ bei Typ-2-Diabetes mit Adipositas. Hypoglykämien treten dabei in der Regel allerdings nur auf, wenn solche Patienten mit Insulin oder Sulfonylharnstoff behandelt werden.

Grundsätzlich ist „intermittierendes Fasten“ nicht wesentlich stärker wirksam wie konsequente Nahrungsrestriktion, denn auch diese kann bei den genannten Antidiabetika zu Hypoglykämien führen. Daher bekommen Patienten mit Typ-2-Diabetes manchmal auch den Rat, an der Ernährung nichts zu ändern, da dies sonst „alles durcheinanderbringt“.

Intervallfasten – eine Form der personalisierten Medizin

Nicht jeder Patient schafft es, eine Reduktionsdiät konsequent einzuhalten. Strukturierter Mahlzeitenverzicht beim „intermittierenden Fasten“ passt dem einen oder anderen besser in den Alltag. Zu oft empfehlen wir bei Ernährungstherapien jedem Patienten die gleiche Ernährungsform. Wir müssen mehr auf Vorlieben und Lebensgewohnheiten achten.

Die Popularität von „intermittierendem Fasten“ kommt vermutlich daher, dass es eine Form der personalisierten Medizin ist. Im Rheinland ist das schon länger bekannt, denn da heißt es: „Jede Jeck is’ anders“.

Professor Stephan Martin ist Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheits-Zentrums in Düsseldorf.

Schreiben Sie dem Autor: medizin@springer.com

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