Pneumologen-Kongress

Warnung vor heftiger Influenza-Saison

Infektiologen warnen vor einer schweren Influenza-Saison im Winter. Ein Grund dafür sind die Hygienemaßnahmen im Zuge der SARS-CoV-2-Pandemie.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Noch ist eine Grippewelle  nicht in Sicht. Für Pneumologen ist sie aber schon ein Thema – auch weil Influenza-Infektionen in der vergangenen Wintersaison eher selten waren.

Noch ist eine Grippewelle nicht in Sicht. Für Pneumologen ist sie aber schon ein Thema – auch weil Influenza-Infektionen in der vergangenen Wintersaison eher selten waren.

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Berlin. Die in den vergangenen anderthalb Jahren eingeübten Hygieneregeln zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Übertragung haben günstige und weniger günstige Nebenwirkungen. So gab es seit Ausbruch der Pandemie kaum RSV (Respiratory Syncytial Virus)- und Influenza-Erkrankungen.

„Rhinoviren und endemische Coronaviren konnten sich halten, aber RS- und Influenza-Viren sind verschwunden“, berichtete Professor Mathias Pletz vom Universitätsklinikum Jena beim digitalen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Die Bevölkerung habe durch die nichtpharmakologischen Hygienemaßnahmen keinen „Boost“ im Umgang mit diesen Erregern erfahren. „Das bedeutet auch, dass alle Kinder, die während der Pandemie geboren wurden, bislang über keine RSV-Immunität verfügen.“

Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe hat kürzlich historische Daten modelliert und festgestellt, dass Saisons mit sehr niedrigen Influenzainfektionszahlen die Vulnerabilität der Bevölkerung in nachfolgenden Saisons deutlich erhöhen können (PNAS 2020; 117: 30547-30553). Es sei mit schweren postpandemischen RSV- und Influenza-Epidemien zu rechnen, erklärte Pletz mit Verweis auf diese Daten, „auch wenn Modellierungen nicht immer zutreffen“.

Appell, die Chancen der Impfung zu nutzen

Der Jenaer Infektiologe und Pneumologe wies auf die Bedeutung der Grippeschutzimpfung und auf die neuen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) hin. Die Seroprotektionsrate, die nicht der klinischen Effektivität entspricht, liegt bei unter 65-Jährigen bei 70 Prozent, bei älteren Menschen bei über 60 Prozent. Die niedrige Seroprotektionsrate bei älteren Menschen ist mit der Immunoseneszenz und daraus resultierenden schlechteren Impfantwort zu erklären.

Um dieses Problem in dieser Hochrisikogruppe zu lösen, empfiehlt die STIKO für die kommende Influenzasaison eine Influenza-Hochdosisvakzine für Menschen ab 60 Jahren. Sie erhalten damit die vierfache Menge an Antigen. Dies könnte die Rate von Durchbruchsinfektionen, also Erkrankungen trotz Impfung, um bis zu 30 Prozent reduzieren, sagte Pletz.

Die STIKO hat vorgerechnet, dass selbst eine restriktiv kalkulierte zusätzliche Impfeffektivität von lediglich 15 Prozent in einer durchschnittlichen Saison mit der Hochdosisvakzine bei über 60-Jährigen etwa 75.000 symptomatische Influenza-Infektionen und 163 Todesfälle verhindert werden könnten. In einer starken Saison, wie sie kommenden Winter erwartet wird, kann sich dies um das Vier- bis Fünffache erhöhen: Laut STIKO-Kalkulation könnten 236.000 symptomatische Erkrankungen und 564 Todesfälle verhindert werden.

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