Corona-Splitter der KW 13/2021

RKI-Modellrechnung spricht gegen Lockdown-Lockerungen

Eine Modellrechnung des RKI zur möglichen Entwicklung der Zahlen von Impfungen und Corona-Infektionen sieht eine Entlastung frühestens im Mai. Besonders in armen Ländern nehmen Geburtskomplikationen zu.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel und Anne BäurleAnne Bäurle und Marco MrusekMarco Mrusek Veröffentlicht:
Mit drei Impfstoffen wird inzwischen in den USA geimpft: mit den Vakzinen von BioNTech/Pfizer, von Moderna und von Johnson & Johnson.

Isolation zum Schutz vor SARS-CoV-2: Daten zum Infektionsgeschehen stützen die Maßnahmen.

© astrosystem/stock.adobe.com

Update vom 1. April

Nur mit strikten Maßnahmen zur Eindämmung von SARS-CoV-2-Infektionen lasse sich eine Überlastung von Intensivstationen in Deutschland vermeiden. Dieses Fazit ziehen Forscher des Robert Koch-Instituts (RKI) aus den Ergebnissen ihrer Modellrechnung. Grundlage dafür ist ein SEIR-Modell („susceptible, exposed, infectious, recovered“). Die Ausgangssituation: Zunehmende Dominanz der besonders kontagiösen Virusvariante B.1.1.7 und gleichzeitige Rücknahme von Kontaktbeschränkungen lassen die SARS-CoV-2-Infektionszahlen ansteigen. Problematisch ist der aktuell hohe Ausgangswert der Infektionszahlen. Bisherige Impffortschritte (etwa zehn Prozent der Bevölkerung sind einmal geimpft) beeinflussen das Infektionsgeschehen kaum. Fazit: Vorsichtige Lockerungen wären erst ab Mai/Juni ratsam. Bis in den Spätsommer ließe sich sukzessive weiter lockern, bis ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist. Aktuell sei nur durch eine möglichst frühe und umfassende Reduktion der seit März wieder gestiegenen Kontakte in der Bevölkerung eine Überlastung der Intensivstationen zu vermeiden, so das RKI (Epi Bull 2021; online 31. März).

Die Zahl von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen hat während der Pandemie weltweit zugenommen, berichten britische Forscher. Sie haben 40 Studien aus 17 Ländern zum Thema ausgewertet. Totgeburten und Müttersterblichkeit nahmen danach in Entwicklungsländern zu. So stieg zum Beispiel die Rate der Totgeburten in der Metaanalyse von 1099 pro 168.295 Schwangerschaften vor Pandemie auf 1325 pro 198,993 Schwangerschaften während der Pandemie. Anders in Industrieländern: Dort nahm das Risiko für Frühgeburten sogar ab. Insgesamt hat sich die Zahl an chirurgischen Eingriffe wegen Eileiterschwangerschaften versechsfacht, allerdings auf niedrigem Niveau. Auch werden deutlich häufiger Wochenbettdepressionen registriert. Die Studiendaten verdeutlichen den destruktiven Einfluss der Pandemie auf Länder mit anfälligen Gesundheitssystemen, so die Forscher (Lancet Global Health 2021; online 31. März).

Update vom 31. März

Das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe wird durch Einnahme von ACE-Hemmern (ACEs) oder AT2-Rezeptorblockern (ARBs) nicht erhöht. Im Gegenteil: Bei Risikopatienten ist die Einnahme der Substanzen möglicherweise sogar mit einer gewissen Schutzwirkung verbunden, berichten Forscher der Norwich Medical School in England. Sie haben in einer Metaanalyse 52 Studien zum Thema mit nahezu 102.000 COVID-19-Patienten ausgewertet, knapp ein Viertel von ihnen wurde mit einer der beiden Substanzen behandelt. Nach den nach Störfaktoren bereinigten Daten war eine Therapie mit einer der beiden Substanzen im Vergleich zu keiner solchen Therapie mit einem deutlich verringerten Risiko für Tod oder schwerem Verlauf assoziiert. Eine Subgruppen-Analyse der COVID-Patienten mit Hypertonie ergab zudem: Bei Behandlung mit ACEs oder ARBs waren im Vergleich Mortalität (adjustierte Odds Ratio [aOR]: 0,66) und COVID-19-Komplikationen (aOR: 0,51) signifikant reduziert. Die Studie deutet auf einen protektiven Effekt der Substanzen bei COVID-19 hin. Die Behandlung mit ACEs und ARBs sollte bei Corona-Patienten daher nicht abgesetzt werden, wenn nicht triftige Gründe dagegen sprechen (JAMA Network Open 2021; 4: e213594).

Update vom 30. März

Ermutigende Real-World-Ergebnisse zu den mRNA-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna kommen jetzt auch aus den USA. Die Centers for Disease Control (CDC) haben fast 4000 Menschen aus Gesundheitsberufen drei Monate nach der Impfung– von Mitte Dezember bis Mitte März – nachverfolgt. Egal welcher Impfstoff verwendet wurde: Zwei Wochen nach der ersten Dosis ergab sich bereits ein Schutz von 80 Prozent vor einer PCR-bestätigten SARS-CoV-2-Infektion, zwei Wochen nach der zweiten Dosis ein Schutz von 90 Prozent. Nach Angaben der Studienautoren waren symptomlose, aber infizierte Menschen mit Impfschutz sehr selten. Daher sei auch die Weitergabe von SARS-CoV-2 durch Geimpfte nur selten zu erwarten. Obwohl der Impfschutz bei Virusvarianten fraglich ist, gab es in der Studie keine Hinweise auf Impfdurchbrüche durch in den USA zirkulierende Mutanten (MMWR 2021; online 29. März).

Die schlechte Prognose von Diabetikern mit stationärer COVID-19-Therapie verdeutlicht ein Update der CORONADO-Studie in Frankreich. In der Studie mit 2800 Betroffenen ist jeder fünfte Diabetiker mit stationärer COVID-19-Therapie binnen eines Monats gestorben, nur jeder zweite wurde in dieser Zeit aus der Klinik entlassen. Faktoren für eine günstige Prognose waren eine lange Dauer von COVID-Symptomen vor der Klinikaufnahme sowie eine Metformintherapie in der Vorgeschichte. Eine Vorbehandlung mit Insulin war dagegen mit ungünstiger Prognose verbunden, ebenso hohe Entzündungswerte, mikrovaskuläre Komplikationen und Atemnot bei der Aufnahme. Die Angaben beziehen sich auf Diabetiker, die während der ersten COVID-19-Welle im Frühjahr 2020 vom 10. März bis zum 10. April in 68 Kliniken in Frankreich aufgrund einer SARS-CoV-2-Infektion behandelt worden waren (Diabetologia 2021; 64: 778). (mut)

Update vom 29. März

Eine Priorisierung von Menschen mit elektiven Operationen für die Corona-Impfung könnte sich auszahlen. Nach einer Modellrechnung müssen dazu deutlich weniger Menschen geimpft werden, um einen COVID-19-Todesfall zu verhindern. Das berichtet die Gruppe „COVIDSurg Collaborative“ im Vereinigten Königreich (UK). Das Forscherteam hat in mehreren Altersgruppen postoperative Corona-Sterberaten bei Patienten mit Sterberaten in der Allgemeinbevölkerung verglichen und daraus die „number needed to vaccinate“ (NNV) für Mortalität errechnet. Am stärksten würden danach über 70-jährige Krebspatienten mit geplanten Eingriffen profitieren: Die NNV beträgt bei ihnen 351, im Vergleich zu 1840 bei >70-Jährigen in der Allgemeinbevölkerung. Etwas weniger günstig wäre die Priorisierung bei >70-Jährigen mit geplanten nicht krebsbedingten Eingriffen (NNV: 733). Insgesamt ließe sich durch eine Priorisierung von Patienten mit geplanten Operationen in UK 58.687 Todesfälle in einem Jahr verhindern, so die Forscher (Brit J Surg 2021; online 24. März).

Impfschutz gegen Influenza geht mit einer reduzierten Rate an COVID-19-Fällen einher. Und COVID-19-kranke Grippe-Geimpfte haben im Vergleich zu Ungeimpften weniger schwere COVID-Verläufe. Das hat eine retrospektive Kohortenstudie von Forschern der University of Michigan School of Medicine in Ann Arbor (USA) ergeben. Diese haben sich Testresultate von etwa 27.000 Patienten mit COVID-19-Verdacht aus der erstem Coronawelle bis Mitte Juli angeschaut. Etwa 1200 davon (4,5 Prozent) waren positiv getestet worden. Bei den knapp 13.000 Influenza-Geimpften dieser Kohorte (Impfsaison 2019/20!) war im Vergleich zu Ungeimpften die Rate positiver COVID-Tests um etwa ein Viertel niedriger (4,0 versus 4,9 Prozentpunkte). Zudem hatten die coronakranken Influenza-Impflinge im Vergleich zu Ungeimpften weniger schwere Verläufe: Bereinigt nach Störfaktoren wurden sie im Vergleich seltener stationär behandelt (Odds Ratio [OR]: 0,58) bei kürzerem Klinikaufenthalt (OR: 0,76), und sie mussten seltener maschinell beatmet werden (OR: 0,45). Keine signifikanten Unterschiede gab es bei Sterberate und intensivmedizinischer Behandlung. Ob die Ergebnisse aber Schutz durch Influenza-Impfung oder etwa besseres Gesundheitsbewusstsein der Impflinge widerspiegelt, lässt sich mit der Beobachtungsstudie nicht klären (Am J Infect Control 2021; online 22. Februar).

Liebe Leser, wir fassen die Corona-Studienlage nun wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier:

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