Künstliche Hand

Lippen schminken mit Prothese

Nach einer Amputation kann eine künstliche Hand helfen. Noch können die Prothesen weit weniger als echte Hände. Doch sie werden immer besser: Eine neue Prothese erfasst jetzt sogar die Handstellung.

Von Christiane Oelrich Veröffentlicht:
Eine Patientin mit einer Handprothese aus der Zollo-Studie hält einen Lippenstift.

Eine Patientin mit einer Handprothese aus der Zollo-Studie hält einen Lippenstift.

© dpa

GENF/ROM/FREIBURG. Zwei neu entwickelte Handprothesen geben Unterarmamputierten mehr Gefühl beim Greifen. Ein Ansatz zielt darauf ab, dass Patienten nicht nur Form und Härte von Objekten fühlen, sondern auch ihre Handstellung wahrnehmen.

Ein zweites Forschungsprojekt konzentriert sich auf eine künstliche Hand, mit deren Hilfe Patienten spüren können, wenn ihnen ein Objekt aus den Fingern gleitet, um dann kräftiger zuzugreifen. Beide Prothesen wurden im Fachmagazin „Science Robotics“ vorgestellt.

Ein Team um Loredana Zollo von der Campus Bio-Medico Universität in Rom implantierte einer jungen Frau, der die linke Hand amputiert worden war, spezielle Elektroden in Armnerven. Die Probandin konnte dadurch viel gefühlvoller mit Objekten umgehen und unter anderem verhindern, dass ihr Gegenstände durch die Finger rutschen. Auf Bildern ist zu sehen, wie sie mit der Prothese Wasser in einen Becher schüttet und sich Lippenstift aufträgt.

Nerven im Arm stimuliert

Bei der Prothese, die eine Wahrnehmung der Handstellung möglich macht, werden ebenfalls Nerven im Arm stimuliert. Zwei Patienten konnten bei Tests ohne hin zuschauen ähnlich akkurat wie Menschen ohne Amputation angeben, ob und wie weit ihre künstliche Hand geöffnet war, wie Forscher aus Lausanne, Genf, Pisa, Zürich, Rom und Freiburg im Breisgau schreiben.

In Videos zu den Experimenten ist zu sehen, wie die Probanden mit einer künstlichen Hand einen Gegenstand umfassen. Aufgrund der Stellung ihrer Finger können sie sagen, ob es sich um ein größeres oder kleineres Objekt handelt. Die Hand war dabei nicht am Armstumpf befestigt, sondern lag auf einem Tisch.

Das neue System hat zwei Vorteile, wie Thomas Stieglitz von der Uni Freiburg, der an der Studie beteiligt war, erläutert: „Wenn der Patient die Handstellung nur durch Hinschauen kennt und dann greifen will, erfordert das hohe Konzentration und dauert viel länger. Zudem nimmt der Patient eine Prothese stärker als eigenes Körperteil wahr, wenn er die Handstellung intuitiv spürt.“

Was ist der Unterschied zu herkömmlichen Prothesen?

Mit herkömmlichen Prothesen können Patienten zwar mit Muskelkraft greifen lernen, fühlen die Bewegung aber nicht. Sie müssen deshalb immer hinschauen, um die künstliche Hand zu steuern. Die Wissenschaftler hatten 2014 gezeigt, dass ein Patient mit einer künstlichen Hand Form, Größe und Härte fühlen kann, wenn mit der Prothese kommunizierende Elektroden durch die Nerven im Arm gefädelt werden.

Inzwischen konnten sie zwei weiteren Patienten die Elektroden für jeweils sechs Monate implantieren. Die Patienten bekamen je zwei Implantate mit je 14 Kontakten im Nervus medianus, der Empfindungen von Daumen und Zeigefinger ans Gehirn leitet, und im Nervus ulnaris, der die Signale für den kleinen Finger leitet.

Nach etwas Training hätten die Patienten nicht nur Form und Härte erfasst, sondern auch, wie weit die Finger der Prothese zum Greifen auf waren. „Das ist dann wie Fahrradfahren“, sagte Stieglitz. „Einmal lernen reicht.“

Technisch noch in Entwicklung

Bevor Amputierte solche Prothesen im Alltag nutzen können, seien technische Weiterentwicklungen nötig, sagt Stieglitz. Zum einen waren die Kabel bei den Versuchen seines Teams bislang durch die Haut gelegt. Das birgt die Gefahr von Infektionen. Die Stimulatorelektronik müsse unter die Haut gelegt werden, wie bei einem Herzschrittmacher etwa im Brustbereich.

Dafür existierten aber noch keine Stecker, die klein genug sind, um die im Nerv des Oberarms implantierten Elektroden mit der Elektronik zu verbinden. Auch die Elektroden, die durch die Nerven gefädelt werden und so dünn wie Blattgold sind, müssten für jahrelangen Gebrauch stabiler gemacht werden. Stieglitz hofft auf genügend Materialfortschritte in den nächsten fünf Jahren. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Hörsaalgeflüster

Südkorea: Klinikalltag im Ausland

Gelistet als Best-Practice-Intervention

Psychische Gesundheit: OECD lobt deutsches Online-Programm iFightDepression

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren