Reaktionen auf GMK-Beschluss

Corona-Impfangebot an Teenager entzweit die Ärzteschaft

Falsches Signal oder weise Entscheidung? Der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zur Corona-Impfung von Kindern und Jugendlichen löst bei Ärzten ein geteiltes Echo aus. Gesundheitsminister Spahn verteidigt die Entscheidung – und hält manches in der Debatte für konstruiert.

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Die Gesundheitsminister empfehlen, Kinder und Jugendliche gegen COVID-19 zu impfen. Die STIKO hat noch keine Entscheidung getroffen.

Die Gesundheitsminister empfehlen, Kinder und Jugendliche gegen COVID-19 zu impfen. Die STIKO hat noch keine Entscheidung getroffen.

© Frank Hoermann / SvenSimon / picture alliance

Berlin. Die Entscheidung von Bund und Ländern für ein Impfangebot an Kinder und Jugendliche hat in der Ärzteschaft zu unterschiedlichen Reaktionen geführt.

Der Chef des Deutschen Hausärzteverbands Ulrich Weigeldt sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ am Dienstag, die Politik habe unter „Missachtung der Kompetenz“ der Ständigen Impfkommission (STIKO) entschieden. Dies könne eher zur Verunsicherung führen und der Impfkampagne schaden. Das Ganze klinge für ihn „ein wenig nach Wahlkampfgetöse“, setzte der Verbandschef hinzu.

Der Vorstandsvize der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Stephan Hofmeister erklärte, er stufe es als sehr kritisch ein, „dass von politischer Seite großer Druck auf die STIKO ausgeübt wird“. Letztlich gehe es bei der Impfung um eine medizinische Frage. Sie sei daher auch von Medizinern zu beantworten.

Die Politik müsse alles daran setzten, die noch nicht geimpften Erwachsenen „vom unbestrittenen Sinn der Impfung für diese Gruppe zu überzeugen“, sagte Hofmeister.

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KBV-Chef Dr. Andreas Gassen warf Bund und Ländern vor, mit ihrem Beschluss bei Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern „erheblichen Impfdruck“ aufzubauen. Damit wälze die Politik auch ihr Versäumnis ab, andere Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um etwa Präsenzunterricht nach den Sommerferien wieder zu ermöglichen.

Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Dr. Thomas Fischbach wies darauf hin, dass es Ärzten gemäß der aktuellen STIKO-Empfehlung bereits jetzt möglich sei, Teenager gegen COVID-19 zu impfen. Voraussetzung dafür sei eine intensive Aufklärung der Kinder und Jugendlichen, sagte Fischbach der „Rheinischen Post“ am Dienstag.

Das Risiko von Nebenwirkungen durch die Impfung sei extrem gering, das zeigten Daten aus anderen Ländern, zeigte sich der Kinder- und Jugendarzt aus Solingen überzeugt. In der „Ärzte Zeitung“ hatte Fischbach die STIKO bereits am Wochenende dazu aufgerufen, sich erneut mit der Kinder-Impfung gegen COVID-19 zu befassen.

Mertens spricht von „Stellvertreterdiskussion“

STIKO-Chef Professor Thomas Mertens bezeichnete die Debatte als „Stellvertreterdiskussion“. Entscheidend für den Verlauf der befürchteten vierten Welle sei eine hohe Durchimpfung der 18- bis 59-Jährigen, sagte Mertens dem „Spiegel“.

Im Übrigen könnten sich die Kinder und Jugendliche, die das wollten, schon jetzt impfen lassen – das habe die STIKO „ermöglicht“. Mit einer weiteren Stellungnahme sei wohl in den nächsten zehn Tagen zu rechnen.

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Laut Bundesgesundheitsministerium waren zuletzt 900.000 der rund 4,5 Millionen Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren geimpft. Die STIKO empfiehlt explizit bislang die Impfung von Teenagern mit bestimmten Vorerkrankungen wie etwa Adipositas oder schwerer Herzinsuffizienz.

STIKO-Mitglied Professor Ulrich Heininger sagte dem „Deutschlandfunk“ am Dienstag, er hätte sich gewünscht, dass sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern vor ihrer Entscheidung mit den Ärzten abgestimmt hätten, „zu welchem Zeitpunkt es klug ist, mit so einer Maßnahme an die Öffentlichkeit zu gehen“.

Auch der Chef des Virchowbundes Dr. Dirk Heinrich kritisierte, die Gesundheitsministerkonferenz habe ihren Beschluss ohne Abstimmung mit der STIKO gefasst. Diese „faktische Demontage“ einer „unabhängigen, wissenschaftlichen und glaubwürdigen Institution“ schade der Impfkampagne, sagte Heinrich.

Spahn: Wollen keinen Druck ausüben

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verteidigte den Beschluss von Bund und Ländern. Es gehe nicht darum, „Druck zu machen“, sagte der CDU-Politiker im „Inforadio“ vom RBB. Die Politik wolle vielmehr allen Kindern und Jugendlichen ein Impfangebot machen und die Möglichkeit geben, mit ihren Eltern darüber zu entscheiden. Die Behauptung, es gebe einen „Gegensatz“ zwischen Politik und STIKO, halte er für „konstruiert“.

Per Kurznachrichtendienst „Twitter“ teilte Spahn mit, aktuell hätten 43,7 Millionen Bundesbürger den vollen Impfschutz erhalten – das entspreche einem Anteil von 52,6 Prozent. 51,4 Millionen Bundesbürger hätten die erste Spritze bekommen. „Erfreulich und wichtig“ sei, dass die Impfquote in der Altersgruppe der über 60-Jährigen auf einem „sehr guten Weg“ sei. Nahezu 80 Prozent seien vollständig geimpft. (hom)

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