Deutliche Worte der Regierung

Corona-Lockdown: Kein Zeitpunkt für Öffnungs-Debatten

Seit rund sechs Wochen befindet sich Deutschland im Corona-Lockdown. Erste Politiker werden unruhig und fordern Szenarien für Lockerungen. Der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel widerspricht – und verweist auf eine „sehr ernste Gefahr im Hintergrund“.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht: | aktualisiert:
Regierungssprecher Steffen Seibert: Für eine Lockerungsdebatte ist es noch zu früh

Für eine Lockerungsdebatte ist es noch zu früh: Regierungssprecher Steffen Seibert. (Archivfoto)

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Berlin. Der Bund hält aktuelle Debatten um mögliche Lockerungen der Corona-Maßnahmen für verfrüht. Deutschland sei mit Blick auf die Neuinfektionen und die Zahl der Intensivpatienten auf einem „guten Weg“. Diesen jetzt zu unterbrechen, „wäre falsch“, sagte der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Steffen Seibert, am Montag in Berlin. Bund und Länder hätten sich erst vor knapp einer Woche auf eine Fortsetzung des Lockdowns bis zum 14. Februar verständigt.

Sinkende Fallzahlen seien das Ergebnis der beschlossenen Maßnahmen und „des disziplinierten Verhaltens von Millionen von Menschen“, betonte Seibert. „Im Hintergrund“ ziehe allerdings „die dunkle Wolke einer sehr ernsthaften Gefahr“ auf. Diese liege in den Virusmutationen. Seibert verwies auf den Ausbruch der Corona-Mutante B.1.1.7. am Humboldt-Klinikum im Berliner Stadtbezirk Reinickendorf.

Politiker sehen wachsende Ungeduld in der Bevölkerung

Zuvor hatte es mehrere Wortmeldungen gegeben, wonach über erste Lockerungen nach dem 14. Februar nachgedacht werden solle. Unionsfraktions-Vize Dr. Georg Nüßlein (CSU) hatte dies damit begründet, dass die Infektionszahlen nach unten gingen. Zudem gebe es eine wachsende Ungeduld in der Bevölkerung, hatte Nüßlein am Wochenende in der „Augsburger Allgemeinen“ erklärt. Voraussetzung für Lockerungen sei allerdings, dass sich die Infektionslage nicht erneut dramatisch zuspitze – etwa durch Mutationen.

Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD), brachte Schulöffnungen ab Februar ins Spiel. „Sicher nicht vollständig“, sagte Brandenburgs Bildungsministerin am Montag der „Rheinischen Post“. Bei entsprechender Infektionslage und mit Wechselunterricht sei eine Öffnung aber möglich.

Bundeswehr unterstützt Heime

Ein „großes Anliegen“ der Bundesregierung sei, die Pflegeheime besser vor Infektionsausbrüchen zu schützen, ging Seibert auf einen weiteren Corona-Brennpunkt ein. Für den Einsatz von Antigen-Schnelltests bräuchten die Heime Unterstützung. Dazu kämen in einem ersten Schritt auch Bundeswehr-Soldaten zum Einsatz. Landkreise müssten ihren Bedarf ermitteln und melden. Aktuell seien etwa 1400 Soldaten im Einsatz.

In einem zweiten Schritt sollten Freiwillige akquiriert werden, sagte Seibert. Deren Schulung sei Aufgabe des Deutschen Roten Kreuzes. Die Bundesagentur für Arbeit habe eine Hotline und Website geschaltet, über die sich Freiwillige informieren und melden könnten.

Das Robert Koch-Institut geht aktuell von bis zu 900 Pflegeheimen aus, die von Corona-Ausbrüchen betroffen sind. Allerdings gebe es wohl auch eine hohe Dunkelziffer. Auch der Deutsche Ethikrat hatte zuletzt mehr personelle Unterstützung für die Einrichtungen gefordert. Adressiert werden sollten ehemalige Pflegebeschäftigte und junge Medizinstudierende.

Gute und schlechte Nachrichten zur Impfkampagne

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erwartet derweil die Zulassung des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA noch an diesem Freitag. Die „gute Nachricht“ daran sei, dass Deutschland dann im Februar „mehrere Millionen Impfdosen“ des britisch-schwedischen Herstellers bekommen werde – allerdings „weniger als erwartet“, setzte der Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hinzu.

Da aber weitere Impfstoff-Zulassungen – etwa der Hersteller CureVac und Johnson & Johnson – zu erwarten seien, bleibe das Gesundheitsministerium „zuversichtlich, dass man im Sommer allen Deutschen ein Impfangebot machen kann“.

Der Sprecher stellte erneut klar, dass das BMG keine Impfpläne im Sinne von Mengenangaben erstelle. Man gebe nur Liefermengen, die die entsprechenden Hersteller dem Ministerium mitteilten, an die Länder weiter.

Vakzinelieferung: „Es gibt Unwägbarkeiten“

Regierungssprecher Seibert sagte, alle von der Bundesregierung genannten Perspektiven für Impfangebote würden stark davon abhängen, dass die Lieferungen der Vakzine „wie vereinbart“ stattfänden. Die Impfproduktion sei das Ergebnis von „langen, langen Lieferketten“. „Es gibt da Unwägbarkeiten, das gehört zur ehrlichen Information natürlich dazu.“

Kanzlerin Merkel hatte vergangene Woche erklärt, die Bundesregierung wolle allen Bürgern bis zum 21. September ein Impfangebot unterbreiten. Gesundheitsminister Spahn hatte diesen Sommer genannt.

Scharfe Kritik an der Impfpolitik übte die Linke. „Jetzt rächt sich, dass die Bundesregierung auf die Produktionsmöglichkeiten einzelner Hersteller setzt, statt durch Lizenzvergabe und Technologietransfer weitere Hersteller zur Impfstoffproduktion zu befähigen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Achim Kessler, am Montag.

FDP: Immer mehr Fehler und Versäumnisse

FDP-Generalsekretär Volker Wissing sagte, das Corona-Krisenmanagement der Regierung weise immer mehr Lücken, Fehler und Versäumnisse auf. „Wir sehen, dass in anderen Ländern weitaus mehr geimpft werden kann als bei uns. Selbst im europäischen Vergleich liegen wir weit hinten.“

Die Bundesländer könnten ihre Impfzentren nicht voll auslasten. Termine müssten „massenweise“ wieder abgesagt werden, weil Impfstoff fehle. Auch seien in Deutschland zu wenige Sequenzierung vorgenommen worden, um die Mutation des Virus zu verfolgen, kritisierte Wissing.

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