Bericht der EU-Kommission

Deutsches Gesundheitssystem erhält mäßiges Zeugnis

Autoren eines Arbeitsberichts stoßen sich vor allem an fragmentierter Versorgung und dem dualen System von GKV und PKV.

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Für das Deutsche Gesundheitssystem hat die EU-Kommission Lob, aber auch Kritik parat.

Für das Deutsche Gesundheitssystem hat die EU-Kommission Lob, aber auch Kritik parat.

© Thomas Reimer - stock.adobe.com

Berlin/Brüssel. Die EU-Kommission hat in einem Arbeitsbericht Wirtschaftsentwicklung und Strukturreformen in Deutschland unter die Lupe genommen – und sieht im Gesundheitswesen viel Luft nach oben. In dem Länderbericht für Deutschland stellt die Kommission bei vielen Wirtschaftsindikatoren Deutschland ein gutes Zeugnis aus.

Umso mehr fallen die kritischen Bemerkungen zum Gesundheitssystem auf. Deutschland habe 2017 mit 4300 Euro pro Kopf gemessen am Bruttoinlandsprodukt im EU-Vergleich anteilig die höchsten Gesundheitsausgaben gehabt – EU-Durchschnitt beträgt 2884 Euro.

Prävention nur durchschnittlich

Vor diesem Hintergrund sei es erstaunlich, dass Deutschland beim Kriterium der durch Prävention und Behandlung vermeidbaren Todesfälle nur durchschnittliche Werte aufweise. Die Mängelliste der Autoren fällt lang aus: ein sehr krankenhaus-zentriertes Gesundheitssystem, überdurchschnittlich Aufenthalte in oft kleinen und ungenügend ausgestatteten Kliniken – und dazu eine stark fragmentierte Versorgungsstruktur.

„Ineffizienzen“ sehen die EU-Autoren auch durch das geteilte Krankenversicherungssystem, das Selbstständigen, Beamten und Besserverdienenden gestattet, aus dem GKV-System auszusteigen.

TSVG mit Anreizen für Ungleichbehandlung

Zwar sei die Zugänglichkeit der Versorgung im Hinblick auf Wartezeiten für einen Arzttermin im europäischen Vergleich gut. Doch trotz der jüngsten Gesetzgebung – etwa durch das Terminservicegesetz (TSVG) – bestünden Anreize zur Ungleichbehandlung von Patienten je nach Versichertenstatus fort.

Sehr gute Noten bekommt Deutschland beim „Unmet medical need“, also dem Versorgungsbedarf von Patienten, der aber nicht erfüllt wird. Kritisch fällt die Bilanz dagegen mit Blick auf ungleiche Gesundheitschancen auf:

Nur die Hälfte der Deutschen aus der untersten Einkommensgruppe berichten, sie seien bei guter Gesundheit. In der Gruppe der wohlhabendsten Deutschen sind es aber 80 Prozent. Das sei ein Hinweis, dass es nicht ausreichend gelinge, Gesundheit als Ziel in allen Politikfeldern zu verankern.

Sorgenkind Pflege

Hohen Handlungsbedarf sieht die Kommission auch bei der Pflege – obwohl Deutschland je 1000 Einwohner mehr Pflegekräfte beschäftigt als viele andere EU-Länder. Der Versuch, die wachsende Lücke an Fachkräften durch Anwerbung im EU-Ausland zu mildern, wird von den Autoren nur als begrenzt erfolgversprechend gesehen.

Beim E-Government, digitalen Angeboten für Bürger, rangiert Deutschland in den Augen der Berichterstatter weit hinten – Platz 24 von 27. Das gilt auch für E-Health-Anwendungen.

2018 haben demnach sieben Prozent der Deutschen digitale Angebote in Gesundheit und Pflege genutzt (EU-Durchschnitt: 18 Prozent). Auch beim elektronischen Rezept oder dem digitalen Austausch von medizinischen Daten liegt Deutschland weit zurück. (fst)

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