Corona-Gipfel

Deutschland fährt zum zweiten Mal runter

Wegen Corona fährt Deutschland das öffentliche Leben ab nächster Woche erneut runter. Kitas und Schulen bleiben aber diesmal offen. Bund und Länder wollen so die neue Infektionswelle brechen. Kritik folgt prompt.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Corona-Gipfel mit denLandesministern

Geschafft: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich mit allen Ministerpräsidenten auf neue Corona-Maßnahmen einigen können, die ab dem 2. November greifen sollen.

© Kay Nietfeld/dpa-Pool/dp

Berlin. Die Bundesbürger müssen sich auf neuerliche massive Corona-bedingte Einschränkungen einstellen. Ab dem kommenden Montag (2. November) werden private Kontakte wieder stark eingeschränkt.

Bars, Kneipen, Restaurants, Kinos und Theater müssen flächendeckend schließen. Außerhalb des Freizeitbereichs soll das Wirtschaftsleben keine weiteren Beschränkungen erfahren. Die Einschränkungen sollen mindestens für vier Wochen gelten. Kitas und Schulen bleiben aber – anders als beim ersten Lockdown im Frühjahr – offen.

Auch Einzel- und Großhandel sollen unter geltenden Hygiene- und Abstandsregelungen geöffnet bleiben. Für Risikogruppen wie kranke und pflegebedürftige Menschen sollen „zügig und prioritär“ Schnelltests bereitstehen, damit sichere Kontakte möglich sind.

Merkel: Weitere Kraftanstrengung nötig

„Wir müssen handeln – und zwar jetzt“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Anschluss an die knapp fünfstündigen Gespräche. Deutschland dürfe nicht in eine nationale Gesundheitsnotlage hineinkommen. Infektionsketten ließen sich aktuell nicht mehr nachverfolgen. „Das muss verändert werden.“

Die Infektionskurve müsse wieder abgeflacht werden. Im Frühjahr sei das gelungen, betonte Merkel. Maßgeblich dazu beigetragen hätten Vernunft und solidarisches Handeln der Gesellschaft und staatliches Handeln. Es brauche jetzt eine weitere befristete „nationale Kraftanstrengung“, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Mitte November wollten sich Bund und Länder erneut zusammensetzen, um die Lage zu beurteilen. Dann sollen Maßnahmen „gegebenenfalls“ angepasst werden.

Harte und belastende Maßnahmen

„Es sind harte Maßnahmen, es sind belastende Maßnahmen“, sagte Merkel. Doch die Beschlüsse würden von allen Ländern mitgetragen. „Wir wissen, was wir den Menschen zumuten.“ Familien und Freunde sollten sich zu Weihnachten wieder ohne große Angst treffen können.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte, die Beschlüsse seien ihm „sehr schwer gefallen“. Deutschland sei aber erneut an einem Punkt, wo harte Einschränkungen unumgänglich seien. „Wenn wir jetzt zugucken, werden wir vielen Menschen nicht helfen können. Das muss jedem bewusst sein.“

Intensivbetten würden wieder zunehmend beansprucht. „Das ist eben nichts Abstraktes mehr, da geht es ganz konkret um Gesundheit und um Menschenleben“, sagte Müller, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist.

Söder: Kontakte reduzieren

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach von einem „schweren Tag“ für Deutschland und einer „bitteren Pille“ für die Menschen. Bund und Länder hätten aber sorgsam abgewogen zwischen „Besser nichts tun oder konsequent entscheiden.“ Das Entscheidende sei nun: „Kontakte reduzieren, Kontakte reduzieren, Kontakte reduzieren.“

Auch Bundesländer mit niedrigeren Infektionszahlen trügen die Entscheidungen mit, sagte Söder. Die Therapie müsse jetzt aber auch wirken. Sie dürfe nicht zu früh wieder abgebrochen werden. „Wenn wir das jetzt gemeinsam bewerkstelligen, haben wir eine gute Chance, über den Winter zu kommen.“

Konkret haben sich Bund und Länder unter anderem auf folgende Regelungen verständigt:

  • Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit ist nur noch Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes mit maximal zehn Personen gestattet. Verstöße gegen die Kontaktbeschränkungen sollen von den Ordnungsbehörden geahndet werden. Private Feiern sollen unterbleiben.
  • Kinos und Theater sowie Opern und Konzerthäuser sollen ebenfalls bis Ende November schließen. Auch der Freizeit- und Amateursportbetrieb wird untersagt. Individualsport soll weiter möglich sein.
  • Gastronomiebetriebe müssen für vier Wochen schließen. Speisen für den Verzehr zu Hause zu verkaufen bleibt erlaubt. Kantinen sollen geöffnet bleiben. Auch Bars und Kneipen müssen für vier Wochen dichtmachen.
  • Kitas und Schulen sollen geöffnet bleiben. Die Länder sollen weitere Schutzmaßnahmen entwickeln.
  • Groß- und Einzelhandel bleiben offen – jedoch unter Auflagen: So darf sich in den Geschäften nicht mehr als ein Kunde pro zehn Quadratmeter aufhalten. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung bleibt bestehen.
  • Kosmetikstudios, Massagepraxen und Tattoo-Studios werden geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen etwa beim Physiotherapeuten sind möglich. Auch Friseurgeschäfte bleiben geöffnet.
  • Profisport darf im November nur ohne Zuschauer stattfinden. Das gilt auch für die Erste und Zweite Fußball-Bundesliga.
  • Betroffene Unternehmen sollen mit weiteren Hilfen gestützt werden.
  • Besuche in Pflegeheimen sollen weiter möglich sein.

FDP: Weg mit dem höchsten Schaden

Scharfe Kritik an den Beschlüssen kam aus der FDP-Fraktion. „Der Lockdown ist der einfachste Weg, die Infektionen zu senken – mit dem höchsten Schaden“, sagte der Obmann der FDP-Fraktion im Bundestags-Gesundheitsausschuss, Professor Andrew Ullmann. Der schwierigere Weg wären „differenzierte und individuelle Maßnahmen“ gewesen, so Ullmann.

Die Bundesregierung habe den Sommer nicht genutzt, um sich auf die zweite Welle vorzubereiten. Jetzt würden die gleichen undifferenzierten Maßnahmen, wie bei der ersten Welle vorgeschlagen. Das sei „peinlich“, so Ullmann.

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