Interview mit BVKJ-Präsident

Fischbach: Corona-Impfung für jüngere Kinder wird „kompliziertere Angelegenheit“

Fast drei von zehn Teenagern in Deutschland sind vollständig gegen COVID-19 geimpft, berichtet Dr. Thomas Fischbach. Der Chef der Kinder- und Jugendärzte spricht im Interview auch über das Verhältnis von Politik und STIKO und die Frage, was die nächste Bundesregierung anpacken sollte.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Dr. Thomas Fischbach, Chef des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte

Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte.

© Stephanie Pilick

Ärzte Zeitung: Herr Dr. Fischbach, wie steht es um die Corona-Impfrate bei Kindern und Jugendlichen?

Dr. Thomas Fischbach: Erfreulicherweise nimmt sie einen sehr dynamischen Verlauf. Und das, obwohl die generelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission, STIKO, für die Impfung der ab 12-Jährigen erst vor ein paar Wochen rausgekommen ist. Inzwischen sind bundesweit mehr als 40 Prozent der 12- bis 17-Jährigen einmal geimpft – gut 30 Prozent haben vollen Impfschutz. Aber es gibt große regionale Unterschiede. In NRW haben knapp 48 Prozent der Teenager die erste Spritze erhalten, in Thüringen sind es 25 Prozent. Das müssen wir im Auge behalten.

Die meisten Teenager wollen also geimpft werden?

Ja, sie wollen einfach wieder ihr Leben leben. Natürlich spielt auch die Angst eine Rolle, schwer an COVID zu erkranken oder andere anzustecken.

Wie gehen Sie mit Eltern und Kindern um, die eine Impfung ablehnen?

Es gibt keine Impfpflicht. Es ist eine freie Entscheidung dafür oder dagegen. Das respektiere ich. Ich sage Impfskeptikern allerdings auch, dass sie noch einmal darüber nachdenken und ihre Meinung gerne ändern können. Ich verfalle nicht in Häme. Für einen Laien ist es schwierig, das alles einzuschätzen – zumal etliche Falschinformationen zum Impfen kursieren. Viele Mütter fragen mich, ob ihre Töchter unfruchtbar werden können nach der Impfung. Da braucht es Aufklärung ohne Druck. Das können Ärzte. Aber es kostet Zeit.

Aktuell wird bereits über die Impfung der unter 12-Jährigen diskutiert. Erste Impfstoff-Zulassungen sind beantragt. Was erwarten Kinder- und Jugendärzte?

Das ist eine etwas kompliziertere Angelegenheit. Die Frage der Impfstoffsicherheit gehört dazu. Jüngere Kinder sind wegen ihres unausgereifteren Immunzustands besonders anfällig für mögliche Nebenwirkungen. Damit muss man sehr sorgsam umgehen. Zudem müssen Eltern für ihre Kinder entscheiden. Das macht die Sache nicht einfacher für Ärzte. Ich gehe davon aus, dass die Vakzine für 5- bis 11-Jährige Ende 2021, spätestens Anfang 2022 zugelassen werden bei uns. Die Frage ist, ob sich die Politik wieder vor der STIKO für die Impfung ausspricht.

Und wie ist Ihre Prognose?

Ich würde nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass die Politik den Fehler nicht wiederholt. Viele Politiker sind von Panik getrieben, weil die Impfzahlen stagnieren. Ich rate aber dringend dazu, nach Zulassung der Vakzine für unter 12-Jährige der STIKO das erste Wort zu überlassen und nicht wieder vorzupreschen. Das würde nur neue Unsicherheit schaffen – und die Praxen der Kinder- und Jugendärzte hätten es auszubaden.

Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Was muss eine künftige Bundesregierung aus Sicht der Pädiater anpacken?

Dringlich ist die Nachwuchsgewinnung. Ein Viertel der rund 5700 niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte geht in den nächsten fünf Jahren in Rente. Gleichzeitig steigt die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die zeitintensiv versorgt werden müssen – zum Beispiel, weil immer mehr Kinder einen Diabetes entwickeln oder adipös werden beziehungsweise unter psychosozialen Störungen leiden. Deshalb brauchen wir mehr Anreize, damit sich junge Kolleginnen und Kollegen als Kinder- und Jugendärzte mit eigener Praxis niederlassen. Leistungen der sprechenden Medizin müssen endlich besser vergütet und die Praxen von Bürokratie entlastet werden.

Derzeit wird um eine neue Approbationsordnung gerungen. Was sind Ihre Vorstellungen?

Das, was wir seit langem fordern. Wir brauchen mehr Studienplätze. Hier muss der Bund die Länder an ihre Verantwortung erinnern und sie in die Pflicht nehmen. Außerdem muss die kinder- und jugendmedizinische Ausbildung analog zur Allgemeinmedizin im Studium angemessen berücksichtigt sein. Pädiater sind Grundversorger und müssen deshalb mit der Allgemeinmedizin auch in der Lehre gleichgestellt sein.

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