Kommentar zu Corona-Impfungen

Impfkampagne braucht jetzt einen Kick

Die Ärzte brauchen mehr Spielraum beim Impfen. Die Priorisierung stößt an ihre Grenzen: praktisch und inhaltlich.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

Ja, es ist richtig, dass die Impfpriorisierung Leben gerettet hat. Die Hochbetagten zuerst zu impfen, hat die Intensivstationen und damit Ärzte und Pflegepersonal etwas entlastet.

Es ist aber auch wahr, dass jetzt zunehmend jüngere Menschen auf Intensivstationen landen, was sich in der Impfverordnung jedoch nicht widerspiegelt. Stattdessen betonen Regierungsvertreter wie Kanzleramtsminister Helge Braun nach wie vor den ehernen Charakter der geltenden Reihenfolge. Das irritiert.

Tatsächlich war die Impfpriorisierung von Anfang an nicht in Stein gemeißelt. Beispiele gibt es genug: Um die Reihenfolge massiv zu durchbrechen reichte schon der leichte Imageverlust der Vakzine Vaxzevria® von AstraZeneca in Teilen der Bevölkerung. In Corona-Hotspots an den Grenzen war und ist das Impfen freigegeben. Von Anfang an wurden Vorgaben nachjustiert, für Diabetiker zum Beispiel. Gesundheitsminister Jens Spahn selbst weist auf den Pragmatismus hin, den die Impfverordnung möglich mache.

Es ist an der Zeit, diesen Pragmatismus ganz klar zuzulassen, und zwar schon bald, nicht erst im Verlauf des Juni. Die Impfpriorisierung buchstabengetreu umzusetzen, fällt gerade in Arztpraxen schwer.

Angesichts der Probleme in Kitas und Schulen, stellen Hausärzte zu Recht Fragen danach, ob es nicht sinnvoll wäre, ganze Familien durchzuimpfen, anstatt nur das eine chronisch erkrankte Mitglied. Oder soziale Brennpunkte zu immunisieren, weil Armut das Infektionsgeschehen treibt? Wie sollen die rund 10 000 Betriebsärzte demnächst in Belegschaften agieren? Dürfen sie den Kollektivschutz in einem Betrieb über die vorgegebene Impfreihenfolge setzen, oder nicht? Industrievertreter fordern Antworten.

Der jüngste Impfgipfel am Montag im Kanzleramt hat gezeigt, dass es in der Ministerpräsidentenrunde zwei Schulen gibt: Die einen wollen das bürokratisch korrekte Prozedere über Einladungssysteme und Impfzentren beibehalten. Die anderen wollen mehr „Impf-Anarchie“ wagen und möglichst allen Impfstoff über die Arztpraxen verteilen. Es wäre gut, wenn sich letztere Schule durchsetzte.

Schreiben Sie dem Autor: anno.fricke@springer.com

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