Marburger Bund bricht Lanze für PKV

Die Private Krankenversicherung soll erhalten bleiben - dafür hat sich der Marburger Bund auf seiner Hauptversammlung ausgesprochen. Der Wettbewerb zwischen den Versicherungssystemen sei wichtig für eine gute Patientenversorgung, so die MB-Spitze. Unterstützung kommt von BÄK-Präsident Montgomery.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Wollen beide, dass die PKV überlebt: Rudolf Henke (l.), 1. Vorsitzender des Marburger Bundes, und BÄK-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery.

Wollen beide, dass die PKV überlebt: Rudolf Henke (l.), 1. Vorsitzender des Marburger Bundes, und BÄK-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery.

© [M] Marburger Bund-Bundesverband, Alex Kraus

NÜRNBERG. Es gibt für Klinikärzte sicherlich viele Themen, für die sie sich mit mehr Engagement ins Zeug legen, als den Fortbestand der privaten Krankenversicherung, aber aus Vernunftgründen sollte man besser an ihr festhalten.

Diesen Eindruck konnte man am Wochenende auf der Hauptversammlung des Marburger Bundes gewinnen. Die Zukunft der PKV war dort ebenso ein Thema, wie sie es auf dem am Dienstag beginnenden Ärztetag sein wird.

So sprach sich MB-Chef Rudolf Henke dafür aus, an beiden Versicherungssystemen festzuhalten, da der Gesetzgeber bei der GKV jederzeit eingreifen könne.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, selbst langjähriger MB-Chef und immer noch Delegierter auf den Hauptversammlungen, warnte: "Gäbe es die PKV nicht, könnten die Gesetzlichen Krankenkassen schon heute mit uns machen was sie wollen."

Eine Einheitsversicherung würde zu einer Zwei-Klassen-Medizin führen, "die wir heute noch gar nicht kennen", so der BÄK-Präsident.

Denn es gebe immer Menschen, die für sich besondere medizinische Leistungen einkaufen könnten. Alle anderen hätten dann das Nachsehen. Das Festhalten an den zwei unterschiedlichen Versicherungsmodellen erhöhe den Wettbewerb im System.

Privatversicherern werden die Geschäfte erschwert

Als Referenten für das Thema hatte der MB den unabhängigen Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses Dr. Rainer Hess eingeladen. Der erklärte den Delegierten, warum aus seiner Sicht die Existenz der PKV bedroht ist.

So dürften Kassen jetzt wieder Satzungsleistungen anbieten, mit denen sie in das Geschäftsfeld der PKV eindringen. Diese Möglichkeit habe Horst Seehofer als Bundesgesundheitsminister 1993 den Krankenkassen genommen.

Einige Kassen nutzten diese Gelegenheit nun, um wieder die Kosten für OTC-Präparate zu erstatten oder Behandlungen beim Heilpraktiker zu bezahlen. Damit sei ein neuer Konkurrenzbereich zur PKV entstanden, die solche Leistungen ohnehin anbieten dürfe.

Das Gleiche gelte für Wahltarife in der Gesetzlichen Krankenversicherung. "Wieso muss die GKV sich eines zweiten Gesundheitsmarktes annehmen. Solche Angebote sollten Aufgabe der PKV sein", sagte Hess.

"Wenn wir die Private Krankenversicherung erhalten wollen, müssen wir deren Geschäfte schützen und dürfen nicht der GKV, die unter einem besonderen gesetzlichen Schutz steht, Satzungsleistungen erlauben", forderte Hess.

MB will Nachbesserungen bei Approbationsordnung

In einer Resolution zur Änderung der Approbationsordnung sprachen sich die Delegierten gegen die Einführung einer Pflichtfamulatur in der hausärztlichen Versorgung aus, wenn gleichzeitig die bisherige Pflichtfamulatur in der ambulanten Versorgung bestehen bleibe.

Eine solche zusätzliche Pflichtfamulatur schränke die ohnehin geringe Wahlfreiheit weiter ein, so die Begründung.

Auch lehnt der Marburger Bund eine Begrenzung der Ausbildungsvergütung im Praktischen Jahr ab. Kliniken sollten über die Vergütung der Studierenden eigenständig entscheiden dürfen, "da ansonsten die gewünschte PJ-Mobilität in der praktischen Durchführung stark eingeschränkt würde".

Nur schwer abfinden kann sich der Verband mit dem angekündigten Weggang des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers Lutz Hammerschlag. Der 61 Jahre alte Jurist verlässt nach mehr als 30 Jahren den MB um andere Aufgaben zu übernehmen.

Hammerschlag war in den vergangenen Jahren bei den meisten Tarifgesprächen Verhandlungsführer. Dass der Marburger Bund überhaupt arztspezifische Tarifverträge durchsetzen konnte und das oft mit großem Erfolg, hängt auch stark mit seiner Person zusammen.

Die Delegierten verabschiedeten ihn mit Standing Ovations.

Lesen Sie dazu auch: MB-Chef Henke lehnt Politik nach Kassenlage ab Kommentar: Lobbyismus in bestem Sinne MB fordert: Ausbildung zum Notfallmediziner erleichtern

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 21.05.201214:01 Uhr

Quellenangabe

Die Quellenangabe fürs Deutsche Ärzteblatt lautet richtig:
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/50203

Dr. Thomas Georg Schätzler 21.05.201213:41 Uhr

MB - "Schuster bleib bei deinen Leisten"

So präzise und treffend die Analyse des Ex-Vorsitzenden des Marburger Bundes (MB) und jetzigen BÄK-Präsidenten in seinem Interview im Deutschen Ärzteblatt unter dem Titel "Montgomery warnt vor übermächtigen Gesundheitskonzernen" auch war:
http://www./nachrichten/50203#comment17031
Ausgerechnet eine Lanze für die Private Krankenversicherung (PKV) seitens des MB brechen zu wollen, war ebenso substanzlos wie deplatziert. Da half auch der Schulterschluss mit dem 72- jährigen "unabhängigen" Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und Ex-KBV-Hauptgeschäftsführers Dr. jur. Rainer Hess nicht weiter.

Denn falschen Warnungen vor "Zweiklassenmedizin" rein staatlicher Gesundheitssysteme ein deutsches "Zwei-Säulen-System" von GKV und PKV gegenüber stellen zu wollen, ersetzt semantisch dürftig "Klasse" durch "Säule". Dann wird noch behauptet, das PKV-System sei der Inbegriff der "Bereitschaft zur Übernahme von Eigenverantwortung, freiberuflicher Leistungsbereitschaft und medizinischer Innovationskraft", wie BÄK-Präsident F. U. Montgomery aktuell in einem Editorial - PKV nicht dem Reformbedarf der GKV opfern! - in ''Der Allgemeinarzt'' 18/2013 schrieb. Allerdings sind gerade die Gesetzlichen Krankenkassen, die Krankenhausgesellschaft, KVen und Klinik- bzw. Vertragsärzte von Universitätskliniken bis zum ländlichen Raum seit Jahrzehnten geradezu durchdrungen von Eigenverantwortung, Leistung, Innovation, Krankenversorgung mit Untersuchung, Diagnose und Therapie auf hohem Niveau t r o t z demografischer Zuspitzung und gleichzeitiger Pauschalisierung. Wenn sie nicht gerade vom immer restriktiveren G-BA und seinem Vorsitzenden ausgebremst werden.

Die PKV destabilisiert und demontiert sich selbst: Sogenannte "risikoäquivalente Beiträge" sind volatile Prämien, die als Lockvogelangebote besonders jungen Leuten ohne Familie und Kindern billig offerieren, was dann im zweistelligen Prozentbereich jährlich ansteigen muss, um effektive Krankheitsrisiken abzubilden. Von den Exzessen der Assekuranz-Agenturen um Abschlussprämien ganz zu schweigen. Die "Kapitaldeckungen für den notwendigen demografischen Faktor", wie Innovations- und Altersrückstellungen auch genannt werden, orientieren sich bei Aktiengesellschaften der PKV an Kapitalverwertungsinteressen. Nach PKV-Verbandsangaben bestehen 150 Milliarden Euro gebunkerte Reserven bei 8,89 Millionen Menschen mit PKV-Vollversicherung. Das wären pro Kopf deutlich unter 15.000 €, weil Rückstellungen für das Teilversicherungs-Geschäft sonst fehlten. Nach welcher Systematik Rückstellungen an älter werdende Privatversicherungsnehmer zurückgeführt werden, bleibt allerdings PKV-Betriebsgeheimnis. Jedoch entspricht es eher den "return on investment" fordernden Aktionären, Altersrückstellungen und potentielle Zusatzgewinne z. B. bei vorzeitigem Ableben von Versicherten festzuhalten, als die weiterlebenden Versicherten bei im Alter überproportionalen Monatsprämienerhöhungen zu entlasten.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


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