EU-Gesundheitspolitik

Paris will Ausrufezeichen beim Kampf gegen Krebs setzen

Frankreich hat im Zuge seiner EU-Ratspräsidentschaft die Pariser Krebs-Deklaration verabschiedet. Über verschiedene Initiativen sollen die EU-Staaten ihre Kräfte noch stärker bündeln. Ein Schwerpunkt ist der Kinderkrebs.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Seit Januar hat Frankreich den EU-Ratsvorsitz inne. Nun zeigt Paris im europäischen Kampf gegen Krebs Flagge.

Seit Januar hat Frankreich den EU-Ratsvorsitz inne. Nun zeigt Paris im europäischen Kampf gegen Krebs Flagge.

© Dwi Anoraganingrum / Geisler-Fotopress / picture alliance

Paris. Pädiatrische Krebserkrankungen, Krebsarten mit schlechter Prognose, die Krebsprävention, Krebs und Beschäftigung inklusive Recht auf Vergessen für Überlebende sowie die internationale Kooperation – auf diesen fünf Feldern sollen die 27 EU-Mitgliedstaaten nach dem Willen der französisch-tschechisch-schwedischen Triopräsidentschaft im EU-Rat ihre Kräfte noch stärker bündeln.

Wie das funktionieren könnte, haben die betreffenden Gesundheitsminister Olivier Véran, Vlastimil Valek und Lena Hallengren am Freitagabend in Paris in einer gemeinsamen politischen Deklaration kundgetan – im Rahmen einer Veranstaltung am französischen nationalen Krebsinstitut in Paris.

Lesen sie auch

Im Rahmen ihrer Trioratspräsidentschaft haben sich Frankreich, Tschechien und Schweden der Stärkung der Gesundheitspolitik verpflichtet, indem sie sich unter anderem auf Maßnahmen zur Prävention von Krankheiten und zur Förderung einer gesunden Umwelt und eines gesunden Lebensstils konzentrieren. Ein besonderer Schwerpunkt für den Dreiervorsitz soll auf der Umsetzung des zum letztjährigen Weltkrebstag Anfang Februar von der EU-Kommission verabschiedeten europäischen Plans zur Krebsbekämpfung liegen.

Je drei Initiativen pro Handlungsfeld werden in der politischen Erklärung von Paris angestoßen:

Pädiatrische Krebserkrankungen: Jeder fünfte Kindstod ist EU-weit auf eine onkologische Erkrankung zurückzuführen, wobei hier wiederum in 75 bis 90 Prozent der Fälle die Todesursache unbekannt sein soll. In einer ersten Initiative sollen neue Wege etabliert werden, um die Anstrengungen und Projekte rund um pädiatrische Krebserkrankungen besser zu koordinieren und um Handlungsansätze erfolgreich und kohärent zu implementieren.

Im Rahmen einer zweiten Initiative soll sichergestellt werden, dass Kinder auch ihr Recht ausüben können, an klinischen Studien teilzunehmen. Hier sollten die internationalen klinischen Studienplattformen in der pädiatrischen Hämatoonkologie sowie beim Europäischen Referenznetzwerk zu pädiatrischem Krebs (ERN PaedCan) gestärkt werden.

Außerdem sollte durch die Beseitigung bestehender rechtlicher, administrativer, aber auch finanzieller Hürden der grenzüberschreitende Zugang zu klinischen Studien gewährt werden.

Gegenstand der dritten Initiative ist das Stärken der grenzüberschreitenden Gesundheitsdatennutzung, von der die Forschung und über die Translation letztlich auch die Patienten schneller profitieren könnten. Hier strebt die EU-Kommission die Schaffung entsprechend harmonisierter Regeln unter dem Dach des für 2025 anvisierten Europäischen Gesundheitsdatenraum an.

Krebsarten mit schlechter Prognose: Drei Initiativen sollen die Situation von Patienten verbessern, bei deren Krebsarten die Überlebensrate bei weniger als 33 Prozent liegt. Auf europäischer Ebene sollten diese Krebsarten radikal priorisiert und speziell besonders innovative, aber auch gewagte Projekte (High Risk – High Gain) gefördert werden. Gleichzeitig sollten klinische Forschungsprogramme mit translational höchst relevanter Forschung auf die Agenda. Auch hier ertönt wieder der Ruf nach einer grenzüberschreitenden Möglichkeit des Gesundheitsdatenaustausches zu Forschungszwecken, der EU-weit teils durch die strengen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung höchst limitiert ist.

Ist die Translation geglückt, sollte das Augenmerk auf der Optimierung der qualitätsgesicherten, schnelleren Time to diagnosis und Time to treatment initiation liegen. Des Weiteren bedürfe es der Implementierung von Leitlinien sowie des schnellen Zugangs innovativer Arzneimittel und neuer Therapieansätze in der Chirurgie und Radiotherapie.

Krebsprävention: 40 Prozent aller Krebsfälle EU-weit werden vermeidbaren Faktoren zugeschrieben. Unter anderem sollen sich hier, so sieht es einer der drei Initiativen vor, relevante Gruppen zusammenschließen und dafür Sorge tragen, dass wichtige Präventionsthemen, wie Krebsimpfungen, Alkohol, Ernährung, Luftverschmutzung, aber auch der ungleiche Zugang zur Versorgung, prominent auf die politische Agenda kommen und die politischen Entscheidungsträger auch relevante Informationen dazu erhalten – als Entscheidungsgrundlage für ihr Handeln.

Krebs und Beschäftigung inklusive Recht der Überlebenden auf Vergessen: Wer seine Krebserkrankung überlebt, hat erst einmal das Schlimmste hinter sich. In verschiedenen Kontexten droht dann aber Ungemach – zum Beispiel bei erhöhten Versicherungsprämien für Krebsüberlebende. Die drei Initiativen setzen sich unter anderem ein für einen unterstützenden Rechtsrahmen, der Krebsüberlebenden den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern soll, sowie ein Recht auf Vergessen im Umgang mit finanziellen Dienstleistern, um potenzieller Diskriminierung vorzubeugen. Plädiert wird auch für das Aufsetzen eines führenden EU-Forschungsprogramms, das die Situation Krebsüberlebender bei der Rückkehr in den Job adressiert.

Internationale Kooperation: Es fehlt an einer koordinierten globalen Strategie gegen Krebs sowie deren Governance, lautet die Diagnose. In drei Initiativen wird das Aufsetzen eines internationalen Krebskoordinationsmechanismus im G-10-Staaten-Format propagiert – Vorbild könnte der Internationale Währungsfonds mit seiner Zehnergruppe sein. Empfohlen wird auch eine Kooperation der Zulassungsbehörden EMA und FDA auf dem Feld der pädiatrischen Onkologie, um so Krebsmedikamente auch in anderen Regionen schneller verfügbar zu machen. Last but not least wird die Schaffung eines globalen Krebsfondsmechanismus angeregt.

Mehr zum Thema

Weltmalaria-Tag

Invasive Malariamücke bedroht afrikanische Städte

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

© Springer Medizin Verlag

Intens. Video-Podcast

Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Arzt im Gespräch mit Patientin

© Ground Picture / shutterstock

STIKO-Empfehlungen

Handlungsbedarf bei Grippeschutz für Chroniker

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Tag der Privatmedizin 2023

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen