Vergütung in Schwerpunktpraxen
So reagieren Diabetologen auf die Vorhaltepauschale
KBV und GKV-Spitzenverband haben sich auf eine Neufassung der hausärztlichen Vorhaltepauschale geeinigt. Diabetologische Schwerpunktpraxen atmen auf. Zu Abschlägen kommt es nicht. Jetzt richtet sich der Blick auf eine weitere Pauschale.
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Gut kalkuliert am Ende? Vorhaltepauschale ante portas.
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Berlin. Aufatmen: Dieser Kelch ist an den Schwerpunktpraxen, auch den diabetologischen, vorbeigegangen. Unter diese plakative Überschrift könnte man den kürzlich abgeschlossenen Vorgang um die Neufassung der hausärztlichen Vorhaltepauschale (EBM-Ziffer 03040) packen.
„Die Vorhaltepauschale ist durch. Es ist gut ausgegangen für uns. Es hätte für die diabetologischen Schwerpunktpraxen zu Abschlägen kommen können. Aber das geschieht nicht“, sagte Dr. Christian Klepzig, Facharzt für Allgemeinmedizin und Diabetologe im hessischen Rodgau, auf Anfrage der Ärzte Zeitung.
Jetzt blicken die Teams in den Schwerpunktpraxen gespannt auf die Ausgestaltung der Versorgungspauschale – die steht noch aus. Klepzig spricht von einer „Chronikerpauschale light“.
Blick geht Richtung Versorgungspauschale
„Verwerfungen“ seien hier wohl nicht zu erwarten – auch weil Berufsverbände vorab interveniert hätten. „Die Politik würde Wortbruch begehen, hielte sie sich nicht an ihre auch schriftlich gegebenen Zusagen“, betonte Klepzig, der Mitglied im Vorstand der Genossenschaft „Diabetologen Hessen“ ist.
Die Genossenschaft gehörte zu denen, die beherzt interveniert haben. Anlass der Sorgen war, dass die Versorgungspauschale nur von einer Arztpraxis abgerechnet werden kann.
Analyse der Kriterien
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Die Problematik aus Sicht der Schwerpunktpraxen: Sie zählen zwar zum hausärztlichen Spektrum, sind zumeist aber Überweisungsempfänger. Bei der Pauschale wären sie „raus“ gewesen.
„Diese Sorge ist uns genommen: Bei schweren Fällen, und Diabetespatienten gehören definitiv dazu, sind wir Schwerpunktpraxen nun am Zug als Behandler“, erläuterte Klepzig gegenüber der Ärzte Zeitung.
Ursprung im sogenannten Mini-GVSG
Zur Erinnerung: Vorhaltepauschale wie Versorgungspauschale gehen auf das Anfang 2025 beschlossene Mini-Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) zurück. Dafür hatte sich die Ende 2024 gescheiterte Ampel-Koalition noch einmal zusammengerauft und einen Gesetzentwurf durch den Bundestag gehievt. Kern des Mini-GVSG ist die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen.
Die gemeinsame Selbstverwaltung – Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband – haben zur hausärztlichen Vorhaltepauschale kürzlich eine Einigung erzielen können. Zur Einordnung: Die Vorhaltepauschale ersetzt die bisherige Strukturpauschale.
Greifen soll die Pauschale ab Januar 2026. Praxen sollen die Vorhaltepauschale entsprechend bestimmter „Strukturmerkmale“ gestaffelt bekommen.
Außen vor bei der Abschlagsregelung
Gut für die Schwerpunktpraxen, etwa die für HIV- oder Diabetespatienten: Die neue Abschlagsregelung, nach der die Vorhaltepauschale um 40 Prozent gemindert wird, sobald eine Hausarztpraxis pro Quartal weniger als zehn Schutzimpfungen der entsprechenden Richtlinie erbringt, gilt für sie nicht.
„Nicht schwer zu erreichen“
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Heißt: Ihnen wird die Vorhaltepauschale nicht gekürzt, wenn sie zu wenig impfen. Darüber hinaus erhalten Hausärztinnen und Hausärzte in Schwerpunktpraxen den Zehn-Punkte-Zuschlag zur Vorhaltepauschale, auch ohne dass sie die Kriterien dafür erfüllen müssen.
Zufrieden zeigt man sich auch beim Bundesverband Niedergelassener Diabetologen (BVND). Man begrüße die Neuregelung der Vorhaltepauschale – „Honorarverluste für Schwerpunktpraxen“ seien abgewendet, heißt es in einer Ende August veröffentlichten Mitteilung.
BVND: Honorarverluste sind abgewendet
Der Verband um den Vorstandsvorsitzenden Toralf Schwarz, Facharzt für Innere Medizin im sächsischen Zwenkau, setzt aber hinzu: Es handele sich lediglich „um einen ersten Schritt zur Sicherung der ambulanten Versorgung von Menschen mit Diabetes und zur Vermeidung existenzbedrohender Honorarverluste für diabetologische Schwerpunktpraxen“.
Aber, so Schwarz: „Das Wichtigste ist: Die diabetologischen Schwerpunktpraxen haben nun endlich Klarheit, ob und in welchem Rahmen ihr Praxisbetrieb weiter gewährleistet werden kann.“
Die ab 2026 geltende Neuregelung der Vorhaltepauschale habe „ausgabenneutral“ zu erfolgen, so der BVND-Vorstandschef. Da im System kein zusätzliches Geld für die Versorgung der Patienten zur Verfügung stehe, sondern vorhandene Mittel innerhalb der hausärztlichen Vergütung lediglich umverteilt würden, müssten die Schwerpunktpraxen den Fortgang bei der Vorhaltepauschale genau beobachten.
Freilich: Aufgrund der Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen sind hier wohl keine Verwerfungen zu erwarten.
Planungssicherheit und Investitionen essenziell
Schwarz ist dennoch vorsichtig: Die kommenden Monate würden schlussendlich zeigen, ob die Krankenkassen bereit dazu seien, die ambulante Versorgung wirklich „nachhaltig“ zu stützen. Diabetologische Schwerpunktpraxen benötigten vor allem drei Dinge: Planungssicherheit, faire Honorierung, Investitionen, machte Schwarz deutlich.
Ambulante Versorgung im Visier
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Bausteine, die sicher auch andere Praxen für sich einfordern – die sich aber angesichts der von der Kassenseite geforderten einnahmeorientierten Ausgabenpolitik als Wunschdenken entpuppen könnten.
Preis- und Honorarzuwächse, hat unlängst etwa der Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Oliver Blatt, der „Augsburger Allgemeine“ gesagt, dürften nicht mehr schneller steigen als die Einnahmen der Kassen.
Ausgabensteigerungen von zehn Prozent und mehr wären dann vom Tisch, „denn kein Gesundheitssystem der Welt hält das auf Dauer aus“, meinte Blatt. Kurzum: Die nächsten Monate werden in der Tat spannend – für alle Praxen, nicht nur die Schwerpunktpraxen.