Arbeitsmarkt Österreich

Ärzte aus dem Ausland werden für Österreich immer wichtiger

Ärzte aus Deutschland dürften in österreichischen Kliniken noch länger offene Türen einrennen. Denn in der Alpenrepublik machen sich Kursänderungen beim Zugang zum Medizinstudium negativ bemerkbar.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Nicht ernst gemeint: Auch Menschen in Österreich brauchen Ärzte, wie die Wiener Ärztekammer bei einem Warnstreik 2016 deutlich machte. Die Mediziner kommen immer öfter aus dem Ausland.

Nicht ernst gemeint: Auch Menschen in Österreich brauchen Ärzte, wie die Wiener Ärztekammer bei einem Warnstreik 2016 deutlich machte. Die Mediziner kommen immer öfter aus dem Ausland.

© Juerg Christandl/KURIER/picturedesk.com/picture alliance

Wien. Die Beschränkung des Zugangs zum Medizinstudium an den öffentlichen Universitäten in Österreich ab dem Studienjahr 2005/06 begann sich – bei einer Mindeststudiendauer von zwölf Semestern – nach dem Studienjahr 2010/11 negativ auf die Absolventenzahlen auszuwirken. Das hat der österreichische Rechnungshof (RH) nun in einem aktuellen Bericht im Auftrag des Nationalrates herausgefunden.

Die jährliche Absolventenzahl lag demnach im Durchschnitt der Studienjahre 2011/12 bis 2018/19 bei 1269 und war damit um 19 Prozent niedriger als die jährliche Absolventenzahl im Durchschnitt der Studienjahre 2000/01 bis 2010/11 mit 1576.

„Demgegenüber erhöhte sich von 2009 bis 2020 die Zahl der Ärztinnen und Ärzte in Österreich von insgesamt rund 38.290 auf rund 47.220 um 23 Prozent, jene der Turnusärztinnen und Turnusärzte von rund 6710 auf rund 8020 um 20 Prozent“, heißt es im Bericht. Turnusärzte sind nach deutschem Verständnis Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin.

Gemeinsames Handeln angemahnt

Bereits seit Jahren spiegelt sich die zunehmende Bedeutung der Fachärzte aller Disziplinen mit einer im Ausland erlangten Approbation in der zweijährlich aktualisierten Ärztestatistik der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) wider. Diese Ärzte haben weiter gute Chancen, wenn sie Teile ihrer beruflichen Karriere zum Beispiel in einem Spital in Österreich absolvieren wollen.

Denn – und das belegt der jüngste RH-Bericht wieder einmal – rund ein Drittel der Medizinstudenten, die an einer österreichischen Universität ihren Abschluss machen, stehen der Versorgung in der Alpenrepublik nicht zur Verfügung. „Durch den Zuzug von Absolventinnen und Absolventen nicht–österreichischer Universitäten konnte die Differenz teilweise kompensiert werden“, heißt es im Bericht.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Gesundheitsministerium und dem Wissenschaftsministerium angesichts seiner Befunde, gemeinsam mit den Medizinischen Universitäten die Absolventenzahlen des Medizinstudiums auch im Hinblick auf die Sicherstellung des Ärztenachwuchses zu evaluieren.

Zeichen stehen eher auf Konfrontation

Doch stehen die Zeichen hier anscheinend eher auf Konfrontation denn Kooperation. Das zeigt exemplarisch die von Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker aufgebrachte Idee, die in öffentlichen Wiener Spitälern ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte danach zu verpflichten, weitere Jahre im öffentlichen Spitalsystem zu arbeiten.

„Die Ärztinnen und Ärzte in Österreich zu Sklaven zu machen, wird kaum dazu beitragen, dass sie gerne in Österreich bleiben, sondern ganz im Gegenteil den drohenden Ärztemangel in unserem Land weiter befeuern. Dann werden sie eben überhaupt nicht in Österreich mit der Ausbildung beginnen!“, echauffierte sich hierzu ÖÄK-Vizepräsident Harald Mayer, der zugleich als Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte fungiert.

Eine Entspannung der Lage zeichnet sich nach Ansicht der ÖÄK keineswegs ab. Im Gegenteil: Schon jetzt sei das Interesse am Medizinstudium in Österreich stark gesunken, wie man an den Anmeldezahlen für das im Juli an den heimischen Medizin-Unis stattfindende Aufnahmeverfahren MedAT sehen könne. „Das gilt übrigens selbst für die Privat-Universitäten“, heizt Mayer weiter ein.

Facharzt für Allgemeinmedizin?

Der Druck auf die Spitäler könnte übrigens noch weiter zunehmen. Denn, so die ÖÄK: Seit nunmehr eineinhalb Jahren schaffe es das Gesundheitsministerium nicht, endlich den Facharzt für Allgemeinmedizin einzuführen. In dieser Zeit habe sich der Ärztemangel weiter verschärft und die Zahl unbesetzter Kassenstellen für Allgemeinmediziner habe sich noch weiter erhöht.

„Vor dieser Entwicklung hat die Ärztekammer schon lange Zeit immer wieder gewarnt und so wurde auch in der Regierungserklärung 2019 klar die Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin als dringende Maßnahme zur Stärkung der Allgemeinmedizin formuliert“, so die ÖÄK.

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