Rx-Abgabe ohne Rezept?

Apothekenreform: Warken eckt bei Ärzten an

Die Apotheken müssen sich in Geduld üben, die lang erhoffte Honorarerhöhung ist aufgeschoben. Stattdessen stellt Berlin eine Erweiterung ihres heilberuflichen Tätigkeitsspektrums in Aussicht. Das kommt nicht überall gut an.

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Hoch hinaus? Die Apotheken sollen künftig mehr impfen und in bestimmten Fällen verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne ärztliches Rezept abgeben dürfen.

Hoch hinaus? Die Apotheken sollen künftig mehr impfen und in bestimmten Fällen verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne ärztliches Rezept abgeben dürfen.

© P Lanik / panthermedia

Düsseldorf/Berlin. Versorgerapotheken – insbesondere in der Fläche – zu stärken, war bereits das erklärte Ziel der Lauterbach’schen Reformpläne. Nun hat anlässlich des Apothekertags Mitte September in Düsseldorf Amtsnachfolgerin Nina Warken die Eckpunkte ihrer Agenda vorgestellt – und damit in Branchenmedien das Urteil „Lauterbach light“ provoziert. Tatsächlich wird von den Vorarbeiten des SPD-Ministers etliches übernommen oder in entschärfter Form adaptiert.

Freilich mit einer gewichtigen Ergänzung, die in der Ärzteschaft prompt einen Sturm der Entrüstung auszulösen vermochte: Künftig soll es Apothekern erlaubt sein, in bestimmten Fällen auch „verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung abzugeben“, so wörtlich in einem vom BMG formulierten „Fahrplan für Reformen im Apothekenwesen“.

ABDA-Präsident winkt ab

Gedacht sei etwa an chronisch Kranke bei dringendem Bedarf und bekannter Langzeitmedikation. Auch „bei einer Reihe grundsätzlich unkomplizierter Erkrankungen (z.B. unkomplizierter Harnwegsinfekt) sollen Apothekerinnen und Apotheker eigenverantwortlich bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben können“.

Unmittelbar nach Bekanntgabe dieses Vorhabens appellierten Bundesärztekammer, KBV, Marburger Bund und viele weitere Ärzteverbände in einem Offenen Brief an Warken, „diese Pläne zu überdenken“. Medikamentenabgabe ohne ärztliche Verordnung überschreite „eine rote Linie“, heißt es. Zu eigenständiger Diagnostik seien Pharmazeuten gar nicht qualifiziert. Und: Arzneimittelverschreibung und -abgabe nicht länger mehr auf verschiedene Schultern zu verteilen, gefährde die Patientensicherheit zusätzlich.

Noch schneller als die Protestnote der Ärzteschaft kam allerdings das Veto aus der Branche selbst. ABDA-Präsident Thomas Preis: „Die Verordnung muss dem Arzt vorbehalten bleiben.“ Wenn Apotheker in Einzelfällen etwa Antibiotika auf eigene Faust abgeben sollen, dann müsse „das Antibiotikum zuvor rechtlich als rezeptfrei eingestuft werden“.

Weitere Reformbausteine

Ebenfalls auf breite Ablehnung stößt ärztlicherseits Warkens Ankündigung, das Impfangebot in den Offizinen über COVID- und Grippeschutz hinaus auf sämtliche sonstigen Totimpfstoffe auszudehnen. Das war bereits von der Ampel-Regierung angekündigt worden, hatte sich nach deren Scheitern aber zunächst erledigt.

Geht es diesmal durch, könnte in den Offizinen künftig auch gegen Diphtherie, Hepatitis B, Polio, Keuchhusten und Tetanus geimpft werden. Außerdem sollen die Apotheken künftig auch „einfache diagnostische Tests“ zur Früherkennung etwa von Herz-Kreislauf-Erkrankungen anbieten können. Weitere Elemente der geplanten Apothekenreform:

  • Die Abgabevergütung soll nicht länger ministeriell festgelegt, sondern anhand „rechtlich verbindlicher Leitplanken“ zwischen Kassen und Apothekerverband ausgehandelt werden.
  • Landapotheken sollen gesonderte Zuschläge erhalten. Im ersten Schritt wird die Nacht- und Notdienstpauschale zu ihren Gunsten verdoppelt.
  • Antragshürden zur Gründung von Zweigapotheken in unterversorgten Regionen sollen sinken.
  • Für pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) sollen neue Weiterbildungen eingeführt werden, die sie dazu befähigen, zeitweise die Apothekenleitung zu vertreten. Amtsvorgänger Lauterbach hatte die Inhabervertretung noch durch Digitalpräsenz zu erleichtern beabsichtigt. Was von Standesvertretern polemisch als „Abschaffung des Apothekerberufs“ zurückgewiesen wurde. Auch Warkens Version der Inhabervertretung lehnt ABDA-Chef Preis kategorisch ab („geht gar nicht“).
  • Die Aut-idem-Substitution soll erleichtert werden. Künftig könnten demnach wirkstoffgleiche Arzneimittel bereits dann abgeben werden, „wenn das verordnete Arzneimittel nicht in der Apotheke vorrätig ist“.
  • Nullretaxationen aus formalen Gründen – eines der ganz großen Ärgernisse im Alltag der freiberuflichen Pharmazeuten – sollen den Kostenträgern künftig untersagt sein.
  • Rechtliche Vorgaben zum Betriebsablauf sollen liberalisiert werden, etwa durch Freigabe betrieblicher Öffnungszeiten oder geringere Laborpflichten für Filialbetriebe.
  • Die 2021 eingeführten pharmazeutischen Dienstleistungen (u. a. Medikationsberatung, Blutdruckkontrolle oder Einübung in Inhalatortechnik),sollen einem Relaunch unterzogen und deren Inhalte gesetzlich definiert werden. Zudem sollen sie künftig auch von Ärzten verordnet werden können.
  • Der pharmazeutische Großhandel soll Apotheken wieder „handelsübliche Skonti“ über seine variable Marge (3,15 Prozent auf den Einkaufspreis) hinaus gewähren dürfen.

Das für viele Offizininhaberinnen und -inhaber wichtigste jedoch, die im Koalitionsvertrag versprochene Anhebung der fixen Brutto-Abgabevergütung je Rx-Packung, bleibt die Bundesgesundheitsministerin einstweilen schuldig. „Aufgrund der derzeit wirtschaftlich massiv angespannten Lage der GKV muss dieses Vorhaben zurückstehen“. Den enttäuschten Standesvertretern hat Warken immerhin zugesagt, die Honorarerhöhung „auf Wiedervorlage“ zu legen. (cw)

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