Gastbeitrag

BFH entschärft das Umsatzsteuerrisiko

Leistungen von Honorar- und Konsiliarärzten müssen nicht mehr unmittelbar gegenüber einem Patienten erbracht werden, um umsatzsteuerfrei zu sein. Es reicht, wenn sie unerlässlicher Bestandteil eines Gesamtverfahrens sind. Das hat der Bundesfinanzhof jetzt festgelegt.

Von Dietmar Sedlaczek Veröffentlicht:
Auch für die Zweitmeinung von Konsiliarärzten gilt: Sie ist in der Regel umsatzsteuerfreie Leistung.

Auch für die Zweitmeinung von Konsiliarärzten gilt: Sie ist in der Regel umsatzsteuerfreie Leistung.

© Lisa F. Young / fotolia.com

BERLIN. Für erhebliche Unruhen bei Kliniken und Ärzten sorgten in jüngster Zeit Ergebnisse von Betriebsprüfungen, insbesondere in Bayern. Die Betriebsprüfer kamen vermehrt zu dem Ergebnis, dass honorar- und konsiliarärztliche Tätigkeiten umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten darstellen.

Viele Kliniken sind deshalb dazu übergegangen, in ihre Verträge Regelungen aufzunehmen, dass Honorar- und Konsiliarärzte für die Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer selbst verantwortlich sind, um die eigene Haftung für eventuell nicht abgeführte Umsatzsteuer auszuschließen.

Zum Ärgernis der betroffenen Ärzte, die nun eine Verkürzung der Honorare um rund 16 Prozent des Nominalbetrages befürchteten.

Umsatzsteuerpflicht führt zur Einkommenseinbuße

Die 16-prozentige Kürzung der Honorare ergibt sich, weil das vom Krankenhaus gezahlte Entgelt umsatzsteuerlich als Bruttoentgelt anzusehen ist, die Umsatzsteuer also wie im folgenden Beispiel herauszurechnen ist:

  • gezahltes Honorar: 1000 Euro
  • Nettohonorar: 1000 Euro : 119 = 8,40 Euro x 100 = 840 Euro
  • Umsatzsteuer: 160 Euro

Da als Honorar- oder Konsiliararzt tätige Mediziner kaum umsatzsteuerpflichtige Ausgaben haben, führt die Umsatzsteuerpflicht des Honorars zu einer unmittelbaren Einkommenseinbuße.

Nun hat der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am 26. Oktober 2011 veröffentlichten Urteil entschieden: Infektionshygienische Leistungen eines Arztes, die dieser für andere Ärzte oder Kliniken erbringt, gelten immer dann als steuerfreie Heilbehandlungsleistungen gemäß Paragraf 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz, wenn die Klinik oder der andere Arzt damit ihre/seine Heilbehandlungsleistung ordnungsgemäß unter Beachtung der für sie/ihn nach dem Infektionsschutzgesetz bestehenden Verpflichtungen erbringen kann (Az.: V R 27/10).

Die Grundsätze, die der Bundesfinanzhof in diesem Urteil aufstellt, weisen über den Infektionshygieniker allerdings hinaus, da sie der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, honorar- und konsiliarärztliche Tätigkeit sei umsatzsteuerpflichtig, den Boden entziehen. Doch wie lautet die Sicht der Finanzverwaltung überhaupt?

Auffassung der Finanzverwaltung: Ärztliche Leistungen außerhalb von Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen, also durch niedergelassene Ärzte, sind nur steuerbefreit, wenn diese im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Patienten und dem Behandelnden in der Praxis, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden.

Da bei einem Konsiliararzt und auch bei einem Honorararzt keine besondere Vertrauensbeziehung zwischen dem Arzt und dem Patienten bestehe, der Patient vielmehr nur sozusagen zufällig von diesem Arzt behandelt werde, sei diese Tätigkeit nicht umsatzsteuerfrei.

Im Umsatzsteueranwendungserlass Ziff. 4.14.2 heißt es in Abs. 2 ausdrücklich: "Leistungen eines Arztes aus dem Betrieb eines Krankenhauses oder einer anderen Einrichtung im Sinne des Paragrafen 4 Nr. 14 b Umsatzsteuergesetz sind auch hinsichtlich der ärztlichen Leistungen nur dann befreit, wenn die in Paragraf 4 Nr. 14 b Umsatzsteuergesetz bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind".

Paragraf 4 regelt Umsatzsteuerbefreiung von Heilbehandlungsleistungen

Dieser Paragraf regelt die Umsatzsteuerbefreiung von Heilbehandlungsleistungen, die durch ein Krankenhaus und vergleichbare soziale Einrichtungen erbracht werden.

Zwar gesteht die Finanzverwaltung in Ziff. 4.14.2 Abs. 2 S. 2 zu, dass Heilbehandlungsleistungen eines selbstständigen Arztes, die in einem Krankenhaus erbracht werden (zum Beispiel Belegarzt) sowie die selbstständigen ärztlichen Leistungen eines im Krankenhaus angestellten Arztes (z. B. in einer eigenen Praxis im Krankenhaus) nach Paragraf 4 Nr. 14 a des Umsatzsteuergesetz befreit sind.

Gesundheitssport bleibt umsatzsteuerpflichtig

Klar abgegrenzt hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung von ärztlichen Leistungen, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und einen Beitrag zur Verminderung sozialbedingter Ungleichheiten von Gesundheitschancen erbringen sollen.

Schon bisher hat der BFH entschieden, dass allgemeine Präventionsleistungen, wie Gesundheitssport, sportmedizinische Untersuchungen und Training unter ärztlicher Aufsicht keine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung darstellten, weil es sich um Leistungen zur allgemeinen Stabilisierung des Gesundheitszustandes und zur generellen Prävention handelt, ohne dass ein hinreichend konkreter Bezug zu einem Krankheitsbild gegeben ist.

Diese Trennung will der Bundesfinanzhof offensichtlich aufrechterhalten, da er sein Urteil zu dieser Sache (vom 10.03.2005 - V R 54/09) ausdrücklich als zutreffend zitiert.

Nicht geregelt im Umsatzsteueranwendungserlass sind aber die Tätigkeiten des Honorararztes und des Konsiliararztes.

Da diese Ärzte in Kliniken, anders als Ärzte mit eigener Praxis in der Klinik oder Belegärzte, keine direkten Behandlungsverträge mit Patienten abschließen, und auch nicht Leistungen für, sondern an die Klinik erbringen, sah die Finanzverwaltung eine Umsatzsteuerpflicht mangels Befreiungstatbestandes als gegeben an.

Auffassung des Bundesfinanzhofs: Der BFH hat diese Regelungen in Paragraf 4 Nr. 14.2 Abs. 2 S. 1 Umsatzsteueranwendungserlass nun ausdrücklich für falsch erklärt. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sei es nicht erforderlich, dass ärztliche Leistungen unmittelbar gegenüber einem Patienten erbracht würden.

Auch ein von der Finanzverwaltung gefordertes Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und Patienten sei nicht zwingendes Erfordernis für die Umsatzsteuerbefreiung.

Vielmehr sei notwendig, aber auch ausreichend, dass die ärztliche Dienstleistung ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines Gesamtverfahrens sei, dessen einzelne Abschnitte sinnvollerweise nicht isoliert voneinander durchgeführt werden können.

BFH: Ärztliche Dienstleistung untrennbarer Bestandteil einer Heilbehandlung

Diese Ausführungen des BFH gehen zurück auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Der BFH vertritt also die Auffassung, dass, wenn die ärztliche Dienstleistung untrennbarer Bestandteil einer Heilbehandlung sei und im Rahmen einer ordnungsgemäßen Heilbehandlung auf diese Leistung nicht verzichtet werden könne, die Umsatzsteuerfreiheit nach Paragraf 4 Nr. 14 a Umsatzsteuergesetz zu gewähren sei, auch wenn unmittelbarer Leistungsempfänger nicht ein Patient, sondern ein Krankenhaus oder ein anderer Arzt ist.

Auch die Frage, wer das Honorar des Arztes zahle, sei für die Beurteilung der Umsatzsteuerfreiheit von nachrangiger Bedeutung.

Konsequenzen für die Praxis: Ausgehend von den zitierten Passagen aus dem Urteil des BFH dürfte die Diskussion, ob honorar- und konsiliarärztliche Leistungen umsatzsteuerpflichtige Leistungen gegenüber einer Klinik sind, beendet sein.

Nachdem der BFH klargestellt hat, dass ein persönliches Vertrauensverhältnis nicht in jedem Fall erforderlich ist, sondern die Tätigkeit des Arztes ein notwendiger Bestandteil einer planvollen und den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Heilbehandlung sein muss, dürfte die Auffassung der Finanzverwaltung, honorar- und konsiliarärztliche Tätigkeiten seien umsatzsteuerpflichtig, nicht länger zu halten sein.

Konsiliarärzte sind fester Bestandteil der Klinikleistung

Vereinfachung in die Diskussion bringt auch folgende Tatsache: Der Konsiliararzt wird regelmäßig zugezogen, wenn das vorhandene ärztliche Personal einer Klinik eine Zweitmeinung benötigt oder bestimmte fachliche Kompetenzen gebraucht werden, die die Klinik nicht vorhält.

Die Tätigkeit des Konsiliararztes stellt somit einen notwendigen Bestandteil einer planvollen und lege artis durchgeführten Heilbehandlung dar und ist damit umsatzsteuerfrei. Gleiches gilt für die Tätigkeit als Honorararzt.

Wie berichtet soll die Tätigkeit des Honorararztes im Rahmen des Versorgungsstrukturgesetzes durch eine Reform des Krankenhausentgeltgesetzes legalisiert werden, bzw. bestehende Zweifel an der Zulässigkeit sollen beseitigt werden.

Dass die Tätigkeit des Honorararztes im Rahmen eines ordnungsgemäßen Klinikbetriebes erfolgt, der wiederum eine planvolle Heilbehandlung lege artis zum Inhalt hat, dürfte außer Zweifel stehen.

Zur Person: Dietmar Sedlaczek ist Steuerberater und Fachanwalt für Medizinrecht. Er betreibt eine Kanzlei für Medizin- und Steuerrecht in Berlin und ist Partner des Steuerberaterverbunds Metax.

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