Kriminalitätsbekämpfung
EU-Ankläger nehmen ihre Arbeit auf
Zum 1. Juni startet die Europäische Staatsanwaltschaft in Luxemburg. Die EU erhofft sich mehr Effizienz gegen Betrug, Korruption und Bestechlichkeit – auch im Gesundheitssektor.
Veröffentlicht:
Die EU hat ab Juni eigene Staatsanwälte, die kriminellen Machenschaften auf den Grund gehen sollen.
© granata68 / stock.adobe.com
Brüssel. Anfang Februar dieses Jahres schlug die Verwaltung der EU in Brüssel Alarm. „Wir sehen eine steigende Zahl von Betrugsfällen und falschen Angeboten im Zusammenhang mit Impfstoffen“, erklärte die Antibetrugsbehörde der Union (Olaf). Abgesehen von dem medizinischen Schaden durch gefälschte Produkte ging es auch um Geld – immerhin fast 12,7 Milliarden Euro für rund 900 Millionen Impfstoffdosen.
Am 1. Juni dürfte dieser Vorfall endlich konsequent verfolgt werden können: Denn dann nimmt die frisch gebackene Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO = European Public Prosecutor’s Office) mit Sitz in Luxemburg ihre Arbeit auf. Über acht Jahre Vorbereitungszeit mit viel Streit zwischen den Mitgliedstaaten gehen damit zu Ende. Was dieser Schritt für die EU bedeutet, sagte der stellvertretende EU-Generalstaatsanwalt Andrés Ritter am Montag: „Wir sind die erste, jemals geschaffene supranationale Staatsanwaltschaft.“ Die emeritierte französische Strafrechtsprofessorin Mireille Delmas-Marty, die so etwas wie die Geburtshelferin der Idee war, sprach gar von einem Schritt hin zu einer „Weltrechtsordnung“.
22 Staatsanwälte ermitteln
Unter der Leitung der angesehenen rumänischen Juristin Laura Codruta Kövesi arbeiten 22 Staatsanwälte – aus jedem teilnehmenden Mitgliedstaat eine(r). Denn bisher sind nicht alle EU-Hauptstädte dabei: Ausgerechnet die beiden Problemländer Ungarn und Polen tragen das Projekt ebenso wenig mit wie Schweden. Außerdem haben sich Dänemark und Irland Opt-out-Regelungen gesichert. Zu diesem engeren Kreis der Ankläger in Luxemburg kommen weiter 88 sogenannte delegierte Staatsanwälte in den Mitgliedstaaten (elf in Deutschland), die sozusagen die Brücke nach Luxemburg schlagen, indem sie Ermittlungen vor Ort weiterführen.
Denn auch wenn die EU-Ermittler nun aktiv werden, bleibt eine Verurteilung doch stets Sache der Gerichte in den Mitgliedstaaten. Unumstritten ist das Vorhaben nicht. Monika Hohlmeier, Europaabgeordnete der CSU und Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament, sagte denn auch am Montag offen: „Einige Regierungen haben Angst, weil die EU-Staatsanwaltschaft auch innerstaatlich eingreifen können – womöglich sogar gegen Regierungen vorgehen könnte.“
Bis zu 3000 Verfahren erwartet Ritter pro Jahr. Allein Bereich des Mehrwertsteuer-Betruges rechnet die Brüsseler Kommission mit einem Schaden von fast 50 Milliarden Euro. (ded)