Eine verlogene Debatte

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

Wann wird eine Kooperation zu einer unlauteren Angelegenheit - oder gar zur Bestechung? Diese Frage treibt derzeit viele Heilberufler und Standespolitiker um. Aktueller Anlass ist der Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig zu einem Investitionszuschuss und einer Mietzulage eines Apothekers an Ärzte in seiner Umgebung. Krankenkassen und Staatsanwaltschaft haben diesen Beschluss gleich als großen Erfolg gefeiert, weil Ärzte nun "endlich" für finanzielle Kickbacks von anderen Heilberuflern bestraft werden könnten. Ob sich diese juristische Auslegung durchsetzt, ist allerdings noch lange nicht ausgemacht, im Augenblick sieht es nicht danach aus.

Doch einmal abgesehen von der Bewertung durch Juristen: Die Debatte ist in sich verlogen. Eine engere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Berufsgruppen und Sektoren ist für eine bessere Patientenversorgung nützlich, sie wird sogar immer wieder ausdrücklich gefordert. Aber wann immer sich Heilberufler zusammentun und eine engere Kooperation mit finanziellen Anreizen verknüpfen, regt sich zunächst einmal der Neidreflex.

In manchen Fällen mag tatsächlich Argwohn angebracht sein - wenn die Beteiligten zu sehr auf das Geld schielen. Die Bestimmungen in den Berufsordnungen zum Verbot einer Zuweisung gegen Entgelt sind wichtig, weil die Gefahr eines Missbrauchs sonst zu groß wäre. Verstöße dagegen gibt es leider genug - und sie schaden dem Ruf aller Beteiligten.

Doch es gibt auch viele Modelle, in denen die Anreize dazu dienen, dass die Leistung dort erbracht wird, wo sie am besten erbracht werden kann - zum Beispiel, wenn niedergelassene Ärzte für Kliniken Voruntersuchungen übernehmen und dafür nach GOÄ bezahlt werden. Ähnliches gilt auch für Kooperationen zwischen Ärzten und Apothekern, so lange Hilfen nicht an bestimmte Umsatzvorteile für die Apotheke gekoppelt sind.

Es ist das Kennzeichen freier Berufe, dass diejenigen, die sie ausüben, gewisse Freiheiten haben - und damit ein hohes Maß an Verantwortung. Je mehr Freiheit genommen wird, desto starrer werden die Strukturen im Gesundheitswesen. Und das ist sicher nicht zum Wohl der Patienten.

Hauke Gerlof ist stellvertretender Chefredakteur der "Ärzte Zeitung" und Leiter des Ressorts Praxis & Wirtschaft. Schreiben Sie dem Autor eine E-Mail

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