Digitale Gesundheitsanwendungen

Kassen-Kritik an DiGA: Zentrale Anforderung ist medizinischer Nutzen

Der GKV-Spitzenverband kritisiert in einem Positionspapier die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Apps auf Rezept. Unterstützung gibt es von den Psychotherapeuten; die Hersteller bleiben ihrer Linie treu.

Margarethe UrbanekVon Margarethe Urbanek Veröffentlicht:
Digitale Gesundheitsanwendung auf dem Handy. Das Thema App auf Rezept ist Streitpunkt bei den Krankenkassen.

Apps auf Rezept: Auch drei Monate nach ihrem Start, sind noch nicht alle Streitthemen beiseite gelegt.

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Berlin. Rund drei Monate nachdem die ersten Digitalen Gesundheitsanwendungen in die Erstattungsfähigkeit gekommen sind, kritisiert der GKV-Spitzenverband die gesetzlichen Rahmenbedingungen der DiGA-Zulassung und -Vergütung als „unzureichend ausgestaltet“. In einem am Donnerstag veröffentlichten Positionspapier fordert der GKV-Spitzenverband unter anderem schärfere Regeln für die Erstattungsfähigkeit von DiGA.

„Eine patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung allein sollte (...) keine hinreichende Bedingung zur Erstattung darstellen“, heißt es in dem Papier, das auf den Referentenentwurf zum Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) abzielt. „Zentrale und notwendige Anforderung für die Bewertung von DiGA muss der medizinische Nutzen für die Versicherten sein“, so der GKV-Spitzenverband weiter. DiGA müssten im Vergleich zu bestehenden Versorgungsangeboten einen „mindestens gleich hohen“ Nutzen haben und nicht nur gegenüber der Nichtanwendung getestet werden.

Ersatz für Fast-Track-Verfahren gefordert

Unterstützung finden die Kassen bei der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV). „Wir schließen uns dem Spitzenverband weitgehend an. Ein ,positiver Versorgungseffekt‘ kann nicht Maßgabe für eine Zulassung von Apps sein“, kritisiert Gebhard Hentschel, DPtV-Bundesvorsitzender. „Auch die vorläufige Zulassung im ,Fast-Track-Verfahren‘ ohne jede Evidenz untergräbt den Qualitätsanspruch an Medizinprodukte.“

Laut GKV-Spitzenverband entzieht das Fast-Track-Verfahren „die Aufgabe der Ausgestaltung des Leistungskataloges der GKV der gemeinsamen Selbstverwaltung“. Es müsse durch dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende Verfahren ersetzt werden.

Streitpunkt Höchstbeträge

Derzeit stünden die Kosten für DiGA nicht im Verhältnis zu analogen GKV-Leistungen von ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern. Hintergrund: Hersteller können laut Gesetz die Preise für ihre Anwendung im ersten Jahr der Erstattung eigenständig festlegen. Laut GKV-Spitzenverband sind Preissteigerungen um 400 bis 500 Prozent für DiGA in der Regelversorgung im Vergleich zu deren bisherigen Kosten im Selbstzahlermarkt zu verzeichnen.

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Der GKV-Spitzenverband drängt in seinem Papier daher auf die Abschaffung der freien Preisbildung für Hersteller. Stattdessen fordert er ein „Höchstpreis-Modell, das verbindlich von Tag eins der Erstattung gilt“. Die Bildung von Höchstbeträgen ähnlich der Festbeträge bei Arzneimittel ist eines der Streitthemen zwischen GKV und Herstellern. Die Hersteller lehnen das Höchstpreis-Modell ab; DiGA als neues Versorgungsmodell seien nicht in ein bestimmtes Analogie-Schema zu bringen, hieß es unter anderem auf einer Veranstaltung des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) im Dezember.

Auch in einer Reaktion auf das Positionspapier des GKV-Spitzenverbands untermalt der BAH seine Position: Der Verband werde sich weiter dafür einsetzen, „dass die derzeit geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zulassung und Vergütung von DiGA beibehalten und nicht verschärft werden“.

Im Streit um die Höchstbeträge läuft derzeit ein Schiedsverfahren. Die erste mündliche Verhandlung hat bereits am 12. Januar stattgefunden, die zweite folgt am 26. Januar. Die Inhalte der Verhandlungen sind vertraulich.

Digitale Gesundheitskompetenz stärken

Weiter fordert der GKV-Spitzenverband von den Herstellern, DiGA so zu konzipieren, dass Versicherte „mit unterschiedlicher Erfahrung und Kompetenz“ von den Anwendungen profitieren können. Barrierefreiheit sei durchgängig zu gewährleisten.

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Essentiell sei außerdem der Datenschutz. So sei sicherzustellen, dass die Hersteller im Wege der Verordnung, Abrechnung und des Downloads keine versichertenbezogenen Daten erhalten. Um das volle Potenzial von DiGA ausschöpfen zu können, sei es außerdem notwendig, dass ihre Daten sowohl in der Anwendung selbst einsehbar sind auch in die elektronische Patientenakte oder das Praxisverwaltungssystem übernommen werden können.

Nachbesserungsbedarf sieht der GKV-Spitzenband bei den Distributionswegen für DiGA: Der Download sollte an erster Stelle über die Homepages oder mobilen Angebote der Kassen bzw. über die ePA erfolgen. Gesetzlich legitimiert ist jedoch ein Download über öffentlich zugängliche Vertriebsplattformen dritter, etwa der App-Stores von Google und Apple.

Derzeit sind zehn DiGA im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte gelistet und damit erstattungsfähig.

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