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MedTech – Eine Branche im Umbruch

Vorzieheffekte bescheren der deutschen Medizintechnikbranche 2019 einen neuen Umsatzrekord. Das wirtschaftliche und politische Umfeld gilt weiterhin als Herausforderung.

Von Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

Düsseldorf. Die deutsche Medizintechnik-Branche legt in diesem Jahr deutlich zu. Dabei führen gerade Faktoren, die den Unternehmen Sorgen machen, zu einem Umsatzschub: die novellierte europäische Medizinprodukteverordnung, der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie der bevorstehende Brexit. Sie sorgen offenbar dafür, dass Medizinprodukte früher gekauft werden als eigentlich geplant.

„Die deutsche Medizintechnik-Industrie ist in diesem Jahr trotz aller Probleme bislang deutlich stärker gewachsen als erwartet“, berichtete Marcus Kuhlmann, Leiter Medizintechnik im Deutschen Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik – Spectaris, anlässlich der am Montag in Düsseldorf startenden, weltgrößten Medizinmesse Medica. Von Januar bis August 2019 hat sich der Umsatz der Branche gegenüber dem Vorjahr um 9,8 Prozent erhöht.

„Wenn wir diesen Trend bis Ende des Jahres fortsetzen, könnten wir erstmals auf einen Umsatz von über 32 Milliarden Euro kommen“, sagte er. Dafür gebe es gute Signale. 2018 kamen die deutschen Medizintechnikhersteller auf einen Umsatz von 30,3 Milliarden Euro. Von dem erwarteten Zuwachs sind ein bis zwei Prozentpunkte auf Währungsschwankungen zurückzuführen, vor allem den günstigen Dollarkurs. Wie in den vergangenen Jahren legte auch in den ersten acht Monaten 2019 das internationale Geschäft mit 10,6 Prozent besonders stark zu. Doch auch der Inlandsumsatz brauchte sich mit plus 8,1 Prozent nicht zu verstecken. Insgesamt wachse die Branche deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft, sagte Kuhlmann.

Der Branchenverband BVMed, der auch kleinere Unternehmen vertritt, verweist ebenfalls auf die Bedeutung des Exports für die Unternehmen der Medizintechnologie. Auf Basis seiner Herbstumfrage, an der sich 102 Unternehmen beteiligt haben, rechnet der Verband für 2019 mit einem Umsatzplus von 5,8 Prozent im Auslandsgeschäft und von 3,3 Prozent im Inlandsgeschäft.

Der Handelsstreit zwischen den USA und China wirkt sich nach Angaben von Kuhlmann zumindest kurzfristig positiv aus. Die Verkäufe nach China seien um 12 Prozent gestiegen. „Aus Angst vor Zöllen wird noch schnell gekauft.“ Der drohende Brexit hat zu einem weiteren Vorzieheffekt geführt. „Die Exporte nach Großbritannien haben nach zwei rückläufigen Jahren wieder zugenommen“, berichtete er. Positive Auswirkungen auf den Absatz hat auch die europäische Medizinprodukteverordnung, die ab dem 26. Mai 2020 greift. „Auch hier scheinen im Vorfeld Hamsterkäufe stattzufinden.“ Wegen der Engpässe bei der Zertifizierung der Medizinprodukte versuchen Käufer offenbar, Versorgungsengpässen vorzubeugen.

Diese Vorzieheffekte werden wohl dazu führen, dass sich der Umsatz der Branche im kommenden Jahr abschwächen wird. „Wie stark sich das auswirken wird, können wir noch nicht sagen.“ Der Zuwachs wird aber wieder überdurchschnittlich, erwartet Kuhlmann. Denn die Branche werde weiter stärker wachsen als andere Industriezweige. In der Medizintechnik findet eine Marktkonzentration statt. „Immer mehr kleinere Unternehmen verschwinden vom Markt, sie werden von größeren übernommen“, berichtete der Spectaris-Manager. Die Struktur des Marktes verändere sich auch durch die zunehmende Konkurrenz aus Schwellenländern. Zudem rechnet Kuhlmann damit, dass über kurz oder lang auch Firmen wie Amazon, Google oder Apple auf den Markt kommen und in Wettbewerb zu den traditionellen Medizintechnik-Unternehmen treten werden. „Wer die Daten hat, hat auch die Marktmacht.“

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