Einheitliches Honorarsystem, Bürgerversicherung?

Ökonomen: „Die GOÄ ist ein Qualitätsmerkmal“

Patienten profitieren laut Forschern von dem Nebeneinander von GOÄ und EBM. Sie haben einen internationalen Vergleich für den PKV-Verband gemacht und sprechen sich für den Status Quo aus.

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Die GOÄ wirkt laut Gesundheitsökonomen als Schutz vor Arztrechnungen mit Phantasiepreisen.

Die GOÄ wirkt laut Gesundheitsökonomen als Schutz vor Arztrechnungen mit Phantasiepreisen.

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Köln. Das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung mit zwei unterschiedlichen ärztlichen Vergütungssystemen ist für Patienten kein Nachteil. Zu diesem Ergebnis kommen Gesundheitsökonomen in einer Untersuchung für das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP). Ein Blick nach Frankreich, Österreich und in die Schweiz zeigt ihrer Ansicht nach, dass die Patienten nur hierzulande durch die GOÄ vor einer freien Preisgestaltung durch die Ärzteschaft geschützt sind.

„Die Existenz einer ‚patientenschützenden‘ Gebührenordnung für Ärzte stellt in Deutschland kein Defizit, sondern ganz im Gegenteil ein patientenfreundliches Qualitätsmerkmal dar“, so Professor Günter Neubauer und Dr. Christof Minartz vom Münchener Institut für Gesundheitsökonomik in der WIP-Analyse „Ambulant-ärztliche Versorgung – ein Blick ins westeuropäische Ausland“.

Frankreich, Österreich und die Schweiz haben demnach bei allen Unterschieden eine Gemeinsamkeit: „Außerhalb des öffentlichen Krankenversicherungssystems können die niedergelassenen Ärzte auch angesichts der bestehenden Informationsasymmetrien im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses relativ frei über die Vergütungshöhe verfügen.“ Eine der GOÄ vergleichbare privatrechtliche Abrechnungsgrundlage gibt es nicht. Als Folge sind die Patienten nicht vor zu hohen Preisen bei der medizinischen Leistungserbringung geschützt.

Mit ihrer Untersuchung wollen Neubauer und Minartz das Argument der Verfechter einer Bürgerversicherung und eines einheitlichen Honorarsystems in Deutschland entkräften, dass es in anderen europäischen Ländern auch einheitliche Honorarordnungen gebe. Die Gesundheitsökonomen beschränken ihre Betrachtung auf Länder, deren öffentliche Gesundheitssysteme beitragsfinanziert sind und in denen es niedergelassene Fachärzte gibt, deren Vergütung auf Verträgen mit Kostenträgern basiert. Die Schweiz kommt einer einheitlichen Gebührenordnung am ehesten nahe, so Neubauer und Minartz. Der „Preis“ dafür: eine nicht budgetierte Einzelleistungsvergütung zu relativ hohen Kosten. „Das kostenbremsende Gegensteuern hat in der Schweiz aber bereits begonnen.“

Welche Länder wurden mit Deutschland verglichen?

Für die drei Länder führt die Untersuchung folgende Charakteristika auf:

Frankreich: Es gibt verschiedene ambulante ärztliche Versorgungssektoren. Im Sektor 1 rechnen niedergelassenen Ärzte, vor allem Allgemeinmediziner, nach der „convention médicale“ ab, einer Gebührenordnung für den Grundversorgungssektor. Im Sektor 2 erbringen meist Fachärzte Leistungen auf Basis von Verträgen mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Ärzte können mit Vergütungsaufschlägen arbeiten. Nur ein geringer Teil der in Rechnung gestellten Honorare wird von den Krankenkassen übernommen. Im Sektor 3 erbringt ein kleiner Teil der Ärzte Leistungen ohne vertragliche Grundlage mit den Kassen.

Österreich: Der Großteil der ambulanten Versorgung erfolgt über niedergelassene Allgemeinmediziner, Fachärzte und Zahnärzte. Hinzu kommen Ambulatorien der Kassen und selbstständige Ambulatorien sowie Spezialambulanzen in Kliniken. Die Kassenärzte müssen sich an ein Leistungsverzeichnis und eine Honorarordnung halten. Zwischen den Kassen gibt es allerdings unterschiedlich hohe Vergütungen. Versicherte können auch Leistungen durch Privat- oder Wahlärzte beanspruchen. Dann bekommen sie meist 80 Prozent der Kosten erstattet, die bei einem Vertragspartner der Kasse entstanden wären. Für wahl- und privatärztlichen Leistungen können Ärzte ihr Honorar frei bestimmen. Während die Zahl der Kassenärzte sinkt, nimmt die der privaten Wahlärzte deutlich zu.

Schweiz: Die meisten niedergelassenen Ärzte haben einen Vertrag mit der obligatorischen Krankenversicherung und erbringen Leistungen nach dem Krankenversicherungsgesetz. Es gibt ein einheitliches Vergütungssystem („TARMED“) , die Bewertung der Leistungen ist aber von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Kassenärzte können Leistungen außerhalb des gesetzlichen Katalogs privat in Rechnung stellen. Es gibt eine kleine Zahl sogenannter Ausstandsärzte, die ihr Honorar völlig frei gestalten können.

Der Direktor des PKV-Verbands Dr. Florian Reuther sieht in der Studie eine Bestätigung des deutschen Systems inklusive der GOÄ: „Eine moderne Gebührenordnung wirkt auch als guter Verbraucherschutz für die Patientinnen und Patienten.“ (iss)

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