Viele Praxischefs kümmern sich nicht um Arztbewertungen im Internet

Die öffentliche Wahrnehmung ihrer Praxen im Internet ist vielen Chefs egal. Das zeigt eine aktuelle Studie der Stiftung Gesundheit. Überhaupt freunden sich Ärzte nicht wirklich gut mit neuen Kommunikationsangeboten an.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

Viele Ärzte haben längst eine Praxis-Website, informieren sich im Internet und tauschen sich online mit Kollegen aus. Mediziner scheinen nicht weniger aufgeschlossen für neue Medien als der Rest der Bevölkerung. Eine Studie der Stiftung Gesundheit zeigt aber auch, dass Ärzte bestimmte Entwicklungen in der modernen Kommunikation ignorieren - und damit Gefahr laufen, sich selbst abzukoppeln und letztlich politisch an Bedeutung zu verlieren.

"Eine Berufsgruppe, die sich in so hoher Zahl den fundamentalen Wandlungen der Kommunikation und der damit verbundenen Änderungen im Arzt-Patienten-Verhältnis in einem sich demografisch und sozial ändernden Land verschließt, wird letztlich von der Steuerung und Mitwirkung dieser Prozesse ausgeschlossen werden", mahnt die Stiftung im Fazit ihrer aktuellen Studie. Grund für die eindringliche Warnung sind Antworten von insgesamt 1131 Praxisinhabern, die Rückschlüsse auf ihre Haltung zu neuen Kommunikationsformen zulassen. Insgesamt zeigt sich dabei eine konservative Haltung zu neuen Themen und Methoden. Dies lässt sich an den Ergebnissen aus vier Bereichen belegen:

  • Fortbildung: 70 Prozent der Ärzte favorisieren thematisch fokussierte Seminare vor Ort, 59 Prozent Kongresse von Fachgesellschaften. 63 Prozent bevorzugen Fachpublikationen und eigene Lektüre, nur 14 Prozent Online-Lehrgänge - obwohl diese Form eindeutige Vorzüge wie etwa zeitliche Flexibilität und nicht anfallende Reisekosten aufweisen.

Die Studienautoren vermuten, dass diese konservative Haltung durch die im Studium vermittelten Lernformate geprägt wurde, und prophezeien: "Mit dem Nachrücken neuer Absolventengenerationen könnten hier mittelfristig deutliche Änderungen entstehen." Bei den Inhalten zeigt sich, dass Ärzte mit überragendem Abstand an Fortbildungen in ihrer jeweiligen Fachdisziplin interessiert sind. Themen wie Qualitätsmanagement, Abrechnung oder Betriebswirtschaft folgen abgeschlagen.

  • Arzt-Service-Portale: Mit Ausnahme des Marktführers und eines Wettbewerbers sind diese Portale vielen Ärzten noch nicht bekannt. Deutlich wird, dass ein Teil der Ärzte die Diskussion in solchen Portalen nur sehr oberflächlich verfolgt und Namen nicht mit Programmen oder Inhalten verbindet.

Eine Mehrheit der Befragten gab zwar an, solche Portale zum Kontakt und Gedankenaustausch in geschlossenen Bereichen zu nutzen, die Intensität aber ist sehr unterschiedlich. Nur jeder vierte Arzt nutzt dieses Medium täglich, weitere 20 Prozent mehrmals pro Woche, aber auch 30 Prozent nur einmal im Monat. Thematisch steht hier die Gesundheitspolitik im Vordergrund.

  • Arzt-Bewertungsportale: Die unter Ärzten umstrittenen Bewertungsportale sorgen heute nicht mehr für Aufregung unter Praxisinhabern. Im Gegenteil: Zwei Drittel der Ärzte wissen nicht einmal, ob sie überhaupt bewertet wurden (zehn Prozent gaben an, noch nicht bewertet worden zu sein, 23 Prozent bejahten die Frage).

Die Studienautoren halten diese hohe Gleichgültigkeit für überraschend, weil öffentlich zugängliche Bewertungen dem wirtschaftlichen Erfolg schaden können und im Widerspruch stehen zum hohen emotionalen Gehalt, die eine öffentlichnegative Bewertung haben kann. Zudem gaben sie zu bedenken, dass Ärzte auch qua QM gehalten sind, sich für die Zufriedenheit ihrer Patienten zu interessieren.

Nur ein Drittel der Befragten wünscht sich, dass ein Dienstleister die Überwachung des "guten Namens" im Internet übernimmt. Für eine konsequente Steuerung des Angebots spricht sich nur eine Minderheit aus. Die Studienautoren hierzu: "Dies drückt ein eher konventionelles Verständnis der Dynamik im Internet aus, das von einem insgesamt anständigen Verhalten und entsprechender Kodizes ausgeht."

  • Call-Center-Medizin: Die von Kassen angebotene Beratung von Patienten per Telefon erzeugt bei Ärzten eine Abwehrhaltung. "Die Wahrnehmung ist, dass Therapieberatung über das Telefon verboten gehöre, es letztlich heimlich gemacht werde und nur der Kostenersparnis diene", resümieren die Studienautoren. Sie sehen darin ein Verkennen gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Entwicklungen, verweisen auf Studien zu positiven Ergebnissen solcher Beratungen und geben zu bedenken: "Zum anderen wird die zukünftige demografische Entwicklung neue Formen der Versorgung erfordern, die nicht mehr allein durch das persönliche Gespräch beim Arzt beruhen können."

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