Dr. Google

Wie gehen Ärzte mit vorinformierten Patienten richtig um?

Viele Mediziner reagieren ablehnend, wenn die Patienten nach Internetrecherchen mit Fragen zu ihnen kommen. Das ist der falsche Weg, so ein Praxisberater. Denn der Wissensstand der Patienten könne einer guten Compliance dienen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Das Web bietet viele Gesundheitsinfos und Apps ermöglichen das Tracken eigener Fitnessdaten.

Das Web bietet viele Gesundheitsinfos und Apps ermöglichen das Tracken eigener Fitnessdaten.

© okolaa / fotolia.com

KÖLN. Wenn Patienten sie mit den Ergebnissen von Internetrecherchen konfrontieren, sollten Ärzte das nicht als Angriff auf ihre Kompetenz sehen. Stattdessen bietet ein Gespräch über die Inhalte sogar die Chance, sich als wichtigster Ansprechpartner des Patienten in Gesundheitsfragen zu positionieren.

Das betont der Praxisberater Klaus-Dieter Thill, Leiter des Instituts für betriebswirtschaftliche Analysen, Beratung und Strategieentwicklung (IFABS) in Düsseldorf.

Das IFABS hat über das Thema internet-informierte Patienten fünf Gruppendiskussionen und vierzig Tiefeninterviews mit Ärzten geführt. Viele ärgern sich über Patienten, die sich im Internet oder mit anderen Quellen auf den Besuch in der Praxis vorbereitet haben, berichtet Thill. "Für viele ist das ein sehr emotionales Thema."

Dabei sieht er ein gewisses Paradox: Früher hätten sich Ärzte häufig darüber beschwert, dass sich die Patienten zu wenig für ihre Gesundheit interessierten. Heute wiederum finden sie die Informationssuche falsch oder übertrieben.

Das Rollenbild verändert sich

"Es ist wichtig, zwischen Verhalten und Inhalten zu unterscheiden", sagt er. Es sei gut, dass sich Patienten mit ihrer gesundheitlichen Situation beschäftigen. Die Informationen selbst müsse der Arzt prüfen.

Die Arzt-Patienten-Beziehung stehe vor einem Paradigmenwechsel. "Die Bastion des Arztes als uneingeschränkte Fachautorität wird aufgeweicht." Deshalb reagierten viele Mediziner ablehnend, wenn die Patienten nach Internetrecherchen mit Fragen zu ihnen kommen.

"Mit Blick auf die Patientengewinnung und die Patientenbindung ist das die falsche Strategie", glaubt Thill. Ärzte, die noch einige Jahre Arbeit in der Praxis vor sich haben, müssen sich auf den Umgang mit solchen Situation einstellen. Die Dinge werden nicht mehr so, wie sie früher einmal waren.

"Klar ist, dass der Arzt die Therapiehoheit behalten muss", so Thill. Es bringe nichts, den Patienten Zugeständnisse zu machen, weil sie etwas Bestimmtes haben wollen, das angeblich gut ist. Es nutze aber nichts, wenn der Arzt einfach als "Quatsch" abtut, was der Patient vorbringt. "Dadurch werden unnötige Fronten aufgebaut."

Stattdessen sollte er erläutern, welche Argumente für seinen eigenen Therapievorschlag sprechen und warum das, was der Patient erfahren hat, die falsche Option ist. "Es geht darum, seine Position zu vertreten und den Patienten zu überzeugen, dass sie die richtige ist."

Patienten Orientierung bieten

Das fördere die Therapietreue. "Wenn nach dem Arztbesuch mit Blick auf die Internetrecherche Zweifel bleiben, gefährdet das den Therapieerfolg." Thill empfiehlt den Ärzten, die Patienten grundsätzlich dafür zu loben, dass sie sich mit ihrer Krankheit auseinandersetzen und nach Informationen suchen.

Auch sollten die Mediziner seiner Meinung nach versuchen, das Informationsverhalten im Internet zu kanalisieren. Das ist etwa möglich, indem sie bestimmte Seiten oder Quellen empfehlen und auch begründen, warum. "Damit zeigt der Arzt, dass er die Materie beherrscht."

Zudem seien viele Menschen froh, wenn sie angesichts der Fülle an Material eine gewisse Orientierung erhalten.

Aufgeschlossenheit zeigen

Im Umgang mit Patienten, die mit selbst gesammelten Daten - etwa über Fitness-Tracker - in die Praxen kommen, rät Thill ebenfalls zu größerer Aufgeschlossenheit. Die Mediziner sollten nicht einfach sagen, dass sie damit nichts anfangen können. Sie können aber erklären, warum ihrer eigenen Labordaten besser geeignet sind, sie die Daten des Patienten aber als sinnvolle Ergänzung sehen.

"Es geht darum, das Gegenüber nicht abzuwürgen", betont Thill. Die neuen Anforderungen an die Kommunikation mit den Patienten zwingen die Ärzte dazu, ein bisschen von den eingespielten Routinen in den Praxen abzuweichen.

Den mit den Gesprächen verbundenen zeitlichen Aufwand sollten die Praxisinhaber seiner Meinung nach aber nicht überschätzen. "Wenn man die Dinge einmal mit dem Patienten besprochen hat, ist das Thema meist für eine gewisse Zeit erledigt."

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

MVZ

Augenärzte stellen sich gegen Investoren mit Marktmacht

Tipps für die Praxis

So entwickeln Sie Ihre Arztpraxis strategisch weiter

Freie Berufe

Dreiviertel aller Psychotherapeuten sind weiblich

Kommentare
Robert Künzel 25.07.201617:33 Uhr

Ich kann aber mit "Fitness-Tracker" Daten tatsächlich nichts anfangen....

...was also tun ? Ich kommuniziere dies und lege dem "Digital-Native" nahe, eine andere Praxis aufzusuchen.
Das ist weder ablehnend noch wertend, sondern nur ehrlich.
Hinzuzufügen wäre noch, daß all diese Spielereien sowieso nicht von der WANZ - Medizin (SGB V, §12) abgedeckt sind.
Insofern müssten diese Patienten erstmal den Geldbeutel zücken, leider ist der aber durch die Anschaffung der ganzen elektronischen Spielereien leergesaugt ;-). Am besten also die Fitnessdaten selbst auswerten, soll sogar Spass machen.

Richard Barabasch 25.07.201613:54 Uhr

Die Mehrzahl der Iternet-Schlaumeier . . . .

Die übergroße Mehrzahl der Iternet-Schlaumeier aber haben mir noch nie diese Qualität von Recherche angeliefert, die Frau Hammer "zusammenphantasiert". Prozentual überschlage ich 1 % der angeblich Rechercheirenden - leider. Kommt mir ein Mensch mit Sinnvollem, dann KANN geschehen, was Frau Hammer visualisiert. In 99 % indes werden Forderungen gestellt, Halbwissen muss zeitaufwändig versucht werden zu korrigieren und am Ende - leider - waar''s das. Und Herr Thill fokusiert auch mehr auf seine Idée von "toller Praxis", als auf die Re-Alität in der Praxis - auch "leider",
meint
R.B.

Ulrike Hammer 25.07.201611:57 Uhr

Und wenn der Patient doch mehr weiß als der Arzt?

Der um Informationen bemühte Patient recherchiert ja bekanntlich nur über seine Erkrankung. Damit ist es ihm prinzipiell möglich, sehr detailliertes Fachwissen zusammenzutragen, wissenschaftlich auf dem neuesten Stand zu sein, laufende Studien, neue Therapieansätze zu finden.... Er kann dem Arzt, der über viele Erkrankungen bescheid wissen und dessen Wissen sehr viel breiter sein muss, damit im Einzelfall durchaus Kenntnisse voraus haben. Leider spart der Artikel diese Möglichkeit aus. Der Patient soll eher gelenkt und überzeugt, konsiliant "nicht abgewürgt" werden. Dabei kann vom Patienten eingebrachtes Spezialwissen durchaus hilfreich sein. Wer weiß schon alles? Akzeptanz kann hier zu einem qualifizierten Miteinander, gesteigerter Compliance führen, ohne die Therapiehohheit zu gefährden.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neue transsektorale S3-Leitlinie

Diagnose und Management des Delirs – so geht’s!

Knappe ärztliche und Pflege-Ressourcen

Wie die Peritonealdialyse die Personalprobleme lindern könnte

Lesetipps
Professor Jan Galle

© Dirk Hoppe/NETZHAUT

Kongress-Motto „Resilienz“

DGIM-Präsident Galle: Wie Kollegen den Kopf frei bekommen

Auch einem CT-Bild ist ein Prostata-Karzinom markiert.

© samunella / stock.adobe.com

Aktualisierung der S3-Leitlinie

Früherkennung von Prostatakrebs: Tastuntersuchung vor dem Aus