Antiangiogenese als viertes Standbein

BERLIN (gvg). Zwei Jahre nach der erstmaligen Zulassung eines Präparates in der Onkologie, das das Gefäßwachstum hemmt, hat die klinische Forschung noch viel Arbeit vor sich. Vor allem würden Krebsmediziner gerne jene Patienten im Vorfeld identifizieren, die von der Angiogenese-Hemmung profitieren.

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"Ich bin überzeugt davon, daß die Angiogenese-Hemmung außer Chemotherapie, Strahlentherapie und Operation zum vierten Standbein der Tumortherapie wird", sagt Professor Hellmut Augustin vom Tumorbiologiezentrum in Freiburg. Das ist plausibel, denn bösartige Tumoren sind ab einer gewissen Größe auf Blutgefäße angewiesen, um weiter zu wachsen.

Hemmer von Tyrosinkinasen als Monotherapie erfolgreich

Der Teufel steckt allerdings im Detail, wie in einer Veranstaltung auf dem Deutschen Krebskongreß in Berlin deutlich wurde. So gibt es zwar die Erfolgsgeschichte von Bevacizumab, einem monoklonalen Antikörper, der bei Patienten mit metastasiertem, kolorektalem Karzinom als Kombipartner einer Chemotherapie die mittlere Überlebenszeit um 25 Prozent von 15 auf 20 Monate hochschraubt. Doch genauso gab es Rückschläge, etwa mit der Anwendung von Bevacizumab als Monotherapie.

Bei den ebenfalls antiangiogenetisch wirksamen Hemmstoffen der Tyrosinkinasen gab es dagegen Erfolge in der Monotherapie. So ist zum Beispiel die Substanz Sunitinib als Monotherapie bei gastrointestinalen Stromatumoren und bei metastasiertem Nierenzellkarzinom seit Januar in den USA zugelassen. In Kombinationstherapien schnitten Tyrosinkinase-Hemmer bisher nicht so gut ab.

"Es gibt bis heute keine zuverlässige Möglichkeit, um vorherzusagen, welche Patienten von einer antiangiogenetischen Therapie profitieren", so Augustin, der deswegen verstärkte Forschungsanstrengungen in dieser Richtung fordert. Selbst beim metastasierten, kolorektalen Karzinom sprechen 55 Prozent der Patienten nicht auf Bevacizumab an. Welche das sind, weiß im Vorfeld bisher niemand.

Ein bißchen mehr Licht gibt es mittlerweile bei der Frage, ob und wenn ja, womit sich antiangiogenetische Strategien kombinieren lassen. Professor Peter Huber vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg berichtete in Berlin über die erste Phase-3-Studie, bei der der teilweise antiangiogenetisch wirksame monoklonale Antikörper Cetuximab in Kombination mit einer Strahlentherapie zu einer statistisch signifikanten Verminderung der Sterblichkeit führte.

Patienten mit fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom des Kopfes lebten im Mittel 49 statt 29 Monate, wenn zusätzlich zu einer Strahlentherapie noch mit dem Antikörper Cetuximab behandelt wurde.

Synergismus zwischen Radiatio und Antiangiogenese

Daß eine antiangiogenetische Therapie und eine Strahlentherapie synergistisch wirken, ist nicht selbstverständlich. Man könnte vermuten, daß ein die Blutgefäßentstehung hemmendes Medikament zu einer Hypoxie im Tumor führt, was der Wirkung der Strahlentherapie abträglich wäre.

Tatsächlich scheine es aber eher zu einer Normalisierung der Durchblutung zu kommen, wie Augustin betonte. Das ebnet dann Strahlen und Chemotherapeutika den Weg zum Tumor. Der DKFZ-Wissenschaftler denkt deswegen bereits an eine Dreierkombination aus Chemotherapie, Strahlentherapie und Angiogenesehemmung zur Behandlung von Krebspatienten.



STICHWORT

Tyrosinkinasen

Tyrosinkinasen sind Enzyme, die eine Schlüsselfunktion in der Übermittlung von Signalen in Zellen haben. Solche Signale regulieren Zelldifferenzierung, -wachstum und -wanderung und beeinflussen die Vorgänge, die zum programmierten Zelltod (Apoptose) führen. Folge einer übermäßigen Synthese dieser Enzyme ist, daß die Regulation des Zellwachstums aus dem Ruder läuft und Malignome entstehen. Tyrosinkinasen sitzen auch auf der Zellinnenseite von Rezeptoren der Membran und leiten Signale weiter.

Lesen Sie dazu auch: Wissenschaftler schauen dem Blut beim Fließen zu Überblick über die Gefäßneubildung

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