fMRT bei Depressionen

Blick ins Hirn offenbart beste Therapie-Option

Einige Depressive sprechen besser auf Verhaltenstherapien an, andere auf Antidepressiva. Ein Blick ins Hirn per fMRT zeigt, welcher Ansatz den meisten Erfolg verspricht.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Depression: Verhaltenstherapie oder Antidepressiva? Es kommt auf die Konnektivität an.

Depression: Verhaltenstherapie oder Antidepressiva? Es kommt auf die Konnektivität an.

© WavebreakmediaMicro / fotolia.co

WIESBADEN. Seit Jahren suchen Forscher nach Biomarkern im Blut, um die Therapie bei Depressiven zu verbessern.

Zwar gibt es viele gute Ideen, bislang aber noch keinen zuverlässigen Test, der vorhersagt, welche Therapie welchen Patienten die besten Chancen auf eine Linderung bietet.

Nun bahnt sich eine Lösung von einer ganz anderen Seite an: Mithilfe von künstlicher Intelligenz und Maschinenlernen können Ärzte MRT-Bilder so auswerten, dass eine klare Therapieentscheidung möglich ist.

Solche Verfahren sind nicht einmal besonders teuer und könnten schon bald in der Praxis zur Anwendung kommen, hat Professor Volker Arolt, Uniklinik Münster, beim "Psychiatrie Update" in Wiesbaden berichtet.

Mit den neuen Methoden seien Ärzte bereits in der Lage abzuschätzen, ob jemand mit einer ersten depressiven Episode an einer uni- oder bipolaren Depression leidet, ebenso, wie gut jemand auf eine Elektrokrampftherapie anspricht, so der Psychiater. US-Forschern gelang es zudem, anhand von fMRT-Daten vier Subtypen von Depressiven zu ermitteln.

Diese besitzen gemeinsame Merkmale in der funktionellen Konnektivität bestimmter Hirnareale, welche wiederum mit depressiven Kernsymptomen wie Stimmung, Anhedonie und Fatigue verbunden sind.

Vor allem aber sprechen die Subtypen auf eine transkranielle Magnetstimulation sehr unterschiedlich an: Eine deutliche Verbesserung wurde in einer Untersuchung bei einem der Subtypen zu 83 Prozent erreicht, bei einem anderen nur zu 25 Prozent (Nat Med 2017; 23: 28–38).

"Kernkomponente neuraler Netzwerke"

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Forscher derselben Arbeitsgruppe haben nun geschaut, ob sich mit ähnlichen Methoden auch herausfinden lässt, ob jemand eher von kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) oder von Antidepressiva profitiert. Als Ausgangspunkt wählten sie den subcallosalen Cortex cinguli (SCC) im ventromedialen präfrontalen Kortex.

"Hier handelt es sich um eine Kernkomponente neuronaler Netzwerke, die der Aufrechterhaltung einer Depression zugrunde liegen", erläuterte Arolt.

Die Struktur ist etwa mit der Amygdala, der Insula und anderen Teilen des limbischen Systems verbunden. Die US-Forscher interessierten sich vor allem für die funktionale Konnektivität des SCC im Ruhezustand-fMRT.

Sie prüften mithilfe spezieller Algorithmen bei 122 moderat bis schwer Depressiven die Konnektivität im Emotionsregulationsnetzwerk mit dem linken ventromedialen Kortex, dem dorsalen Mittelhirn und dem linken vorderen präfrontalen Kortex.

Die Hälfte der Patienten erhielt anschließend eine KVT, die übrigen eine Behandlung mit Citalopram oder Duloxetin. 17 Patienten gelangten mit der KVT in Remission, 44 mit Antidepressiva. Insgesamt 40 der Patienten sprachen teilweise an.

200 Euro für ein fMRT

Die Forscher stellten nun fest, dass die funktionelle Konnektivität von Patienten mit einer Remission unter KVT deutlich höher war als bei denjenigen, die auf die Therapie überhaupt nicht ansprachen.

Umgekehrt – wenn auch nicht ganz so ausgeprägt – zeigte sich der Zusammenhang bei den Patienten mit Medikation: Hier gelangten vor allem diejenigen mit einer geringen Konnektivität in Remission.

Insgesamt, so Arolt, lässt sich mit einer Sensitivität und Spezifität zwischen 72 und 78 Prozent feststellen, wer unter welcher Therapie in Remission gelangt oder gar nicht anspricht. Aus den Daten können Experten nun Grenzwerte für eine KVT oder eine medikamentöse Therapie ableiten.

Für Arolt haben solche Verfahren einen hohen Nutzen: Depressive müssten oft viele unnütze Therapieversuch erdulden. Funktioniere das Verfahren, lasse sich viel Zeit und Geld sparen; die rund 200 Euro für ein fMRT fielen da nicht groß ins Gewicht.

Interessanterweise scheint die Konnektivität sowohl unter KVT als auch unter Antidepressiva zuzunehmen. Während einer Kombitherapie bei schwer Depressiven könnten Antidepressiva die Patienten erst für eine KVT empfänglich machen, was sich in einer erhöhten Konnektivität äußere. Diese wiederum sei wohl die Voraussetzung, dass die KVT greift, vermutet Arolt.

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