HINTERGRUND
Doping im Radsport - nach den Lügen kommen jetzt die Geständnisse
Es war ein denkwürdiger Tag in der Geschichte des Radsports und vielleicht der Beginn eines Großreinemachens: Als erster noch aktiver Radprofi hat sich gestern auf einer vom Radsportteam T-Mobile angesetzten Pressekonferenz der heute beim Team Milram in Diensten stehende Berufsradfahrer Erik Zabel als ehemaliger Dopingsünder geoutet. Mit Rolf Aldag schloss sich ihm der erste noch beim Team T-Mobile in Verantwortung stehende Funktionär an und gestand, in seiner aktiven Zeit beim Team Telekom über mehrere Jahre gedopt zu haben.
Erik Zabel - Geständnis unter Tränen
Unter Tränen gestand Zabel, während der Tour de France 1996 Erythropoetin (EPO) ausprobiert zu haben. Er habe das Präparat aufgrund der Nebenwirkungen nach einer Woche wieder abgesetzt. Zabel, zwölfmaliger Etappensieger bei der Tour de France, entschuldigte sich für sein Dopingvergehen und dafür, elf Jahre lang dazu gelogen zu haben. "Es tut mir Leid", sagte er. Dem 38-Jährigen droht nun eine Zwei-Jahres-Sperre.
Die Gefahr, beim Dopen entdeckt zu werden, war gering
Wie zuvor bereits andere Fahrer ausgesagt hatten, gab auch Zabel an, von dem Ex-Telekom-Masseur Jef d‘Hont EPO bekommen zu haben. Zu den Motiven sagte er: "Ich habe gedopt, weil es ging." Damals habe es keine Tests auf Erythropoetin gegeben, die Gefahr, entdeckt zu werden, sei nahezu ausgeschlossen gewesen. Das sei heute im Übrigen noch ähnlich. Allerdings seien die Risiken nicht abzuschätzen. "Ich hatte Angst um mein Leben, denn ich hatte damals gelesen, dass schon einige Rennfahrer gestorben sind."
Er habe immer gehofft, so Zabel, dass sich der Sport irgendwann selbst reinige. Jetzt sehe er ein, dass er dazu seinen Beitrag leisten müsse. Auch damit sein Sohn, der selbst Rad fährt, in einer anderen Zeit aufwachse. Zabel: "Wir waren Gefangene unseres Denkens und unseres Denksystems. Jetzt ist es Zeit, damit aufzuhören. Deshalb müssen wir alles versuchen, damit unsere Kinder später nicht zum Doping greifen müssen."
Aldag gab zu, im Vorfeld der 95-er Tour mit dem Dopen begonnen und die Einnahme von EPO bis 1998 fortgesetzt zu haben. Auch 2002 habe er zur Spritze gegriffen. Wie Zabel sei auch er von Jef d‘Hont mit EPO versorgt worden. Er habe sich die Substanz später selbst gespritzt und sich, um blaue Flecken zu kaschieren, extra eine Tätowierung auf den Arm stechen lassen. Die Situation sei für ihn schwieriger geworden, als 1997 im Berufsradsport eine Hämatokritgrenze von 50 eingeführt wurde. Die Teamärzte aus Freiburg, so betonte Aldag, hätten ihn nie aufgefordert, Dopingsubstanzen zu konsumieren. "Es war meine Entscheidung." Die Ärzte hätten ihn über die Risiken aufgeklärt. Er habe im Gegensatz zu Zabel keine Nebenwirkungen wahrgenommen.
T-Mobile will weiter mit Rolf Aldag arbeiten
Zu seiner Dopingvergangenheit sagte Aldag, der als Sportlicher Leiter in Diensten des Teams T-Mobile steht: "Ich schäme mich dafür." Teammanager Bob Stapleton versicherte, dass er die Zusammenarbeit mit ihm fortsetzen wolle.
Unisono verlangten die ehemaligen Fahrer sowie der Teamchef von Politikern, Sponsoren sowie dem Weltverband des Radsports UCI eine konzertierte Aktion, um den Radsport vom Doping zu befreien. "Wir können nicht allein handeln", sagte Aldag. Stapleton kündigte an, alles dafür zu tun, dass sein Team sauber bleibe. "Aber wir dürfen nicht das einzige Team sein, das das macht."
Freiburger Ärzte haben Radsportler mit EPO versorgt
Die Universität Freiburg hat sich mit sofortiger Wirkung von ihren Sportmedizinern Professor Andreas Schmid und Dr. Lothar Heinrich getrennt. Damit zieht sie nach der schon zuvor erfolgten Suspendierung die Konsequenz aus den Dopinggeständnissen der beiden Sportmediziner. Heinrich und Schmid hatten, nachdem sie wochenlang abgestritten hatten, am Dopingsystem im Radsportteam Telekom (heute T-Mobile) beteiligt gewesen zu sein, endlich zugegeben, als Mannschaftsärzte in den 90-er Jahren die Radprofis beim Doping unterstützt zu haben.
"Ich habe den Radsportlern auf Anforderung Drogensubstanzen, insbesondere EPO, zugänglich gemacht", erklärte Schmid, der betonte, "niemals einem Sportler ohne dessen Wissen oder gar gegen seinen Willen" Dopingmittel verabreicht zu haben. Heinrich gab zu, "in meiner Funktion als Sportmediziner an Doping von Radsportlern mitgewirkt zu haben". Er bedauere diese ärztlichen Verfehlungen.
Die Uni Freiburg will einer Mitteilung zufolge nun die gesamten Aktivitäten der eigenen Sportmedizin in den letzten zwanzig Jahren auf den Prüfstand stellen. Dazu habe man eine Kommission aus unabhängigen Gutachtern bestellt. (Smi)
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