Extrem niedrige Blutdruckziele gelten für Diabetiker nicht mehr

Diabetiker brauchen eine gute Blutdruckkontrolle, spezielle Zielwerte gelten aber nicht mehr. Wichtig sind ACEHemmer und Sartane.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Etwa 50 Prozent der Typ-2-Diabetiker sind bereits zum Zeitpunkt der Diagnose der Zuckerkrankheit hochdruckkrank. Es gilt die Regel, dass der Blutdruck ab 140 / 90 mmHg gesenkt werden soll mit dem Ziel 130 / 85 mmHg zu erreichen. Noch niedrigere Werte wird man bei Vorhandensein weiterer Risikofaktoren erwägen, muss allerdings bedenken, ob man bei sehr alten Patienten eine zu scharfe Hochdruckeinstellung (und im Übrigen auch eine zu scharfe Blutzuckereinstellung) nicht besser unterlässt.

Dementsprechend werden auch in den neuen europäischen Leitlinien keine schärferen Therapieziele gefordert als für Nichtdiabetiker, was bisher meist der Fall war. Alle neuen Interventionsstudien haben ergeben, dass sich eine Blutdrucksenkung im Hinblick auf Komplikationen und Lebenserwartung lohnt. Die Untersuchung des Harns auf das Vorliegen einer Mikroalbuminurie sowie die Kontrolle des Augenhintergrundes sind gerade bei hypertonen Diabetikern zu fordern, um die Ursache der Hypertonie zu erkunden.

Als Zielsetzung der Therapie gilt die Reduktion der Atherosklerose zur Verhinderung von Endorganschäden. Eine Schulung der Diabetiker im Hinblick auf die so wichtige Blutdruckselbstmessung ist zwingend erforderlich, ebenso die Umstellung der Lebensgewohnheiten (cave: Adipositas!), wobei ein Teil der Patienten auf salzarme Kost gut anspricht. Der Wert der Diuretika ist durch viele Studien belegt. Sie sind bei Diabetikern aber vor allem sinnvolle Partner für eine Kombinationstherapie mit ACE-Hemmern oder Sartanen. Nur bei höheren Dosierungen wurden ungünstige Stoffwechseleffekte ("Thiazid-Diabetes") beobachtet.

Die Betablocker haben nach wie vor ihre Bedeutung, vor allem, wenn sie zusätzlich bei entsprechenden Rhythmusstörungen oder nach einem Herzinfarkt eingesetzt werden. Allerdings haben sich mit diesen Substanzen keine günstigen Effekte auf die kardiovaskuläre Sterberate ergeben, sodass auch wegen der gelegentlichen Verschlechterung des Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsels diese Medikamente eher zurückhaltend gegeben werden sollen. Neuere Betablocker wie Carvedilol haben weniger unerwünschte Wirkungen. Gelegentliche Gewichtszunahme und die Entwicklung einer Impotenz sind nicht außer Acht zu lassen. Kalziumantagonisten sind zum Teil umstritten, aber Substanzen wie Diltiazem und Verapamil haben gute Effekte auf Nephro- und Kardioprotektion.

Besonders wichtig für die medikamentöse Hochdruckbehandlung bei Diabetikern sind zweifellos die ACE-Hemmer und die Sartane. Die Kombination dieser Stoffe mit Diuretika ist in der Regel die Behandlung der Wahl. ACE-Hemmer haben positive Effekte auch auf die linksventrikuläre Hypertrophie, auf die Herzinsuffizienz und die Postinfarkt-Phase.

Die HOPE-Studie hat gezeigt, dass ein diabetesverbessernder Effekt oder eine verzögerte Manifestation der Erkrankung festzustellen ist. Wichtigste unerwünschte Wirkung der ACE-Hemmer ist der Reizhusten, der wohl in einem höheren Prozentsatz der Patienten auftritt, als bisher angenommen wurde. In der HOPE-Studie wurde nur bei 7 Prozent davon berichtet.

Die Hyperkaliämie ist vor allem zu fürchten, wenn Kalium-sparende Diuretika gleichzeitig eingesetzt würden. Das sollte man vermeiden. Die Sartane nehmen an Bedeutung zu, weil sie den lästigen Husten vermeiden. Ihr Profil unerwünschter Wirkungen ist sehr günstig.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat Mehnert die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht. Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

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