Schulung holt nierenkranke Teenager aus der Außenseiterrolle

Mit dem Transitionsprogramm "Endlich erwachsen" werden Jugendliche mit Niereninsuffizienz erfolgreich der Erwachsenenmedizin übergeben. Die Überlebensrate der Nierentransplantate verbessert sich.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Überprotektive Eltern und geringes Selbstwertgefühl machen Jugendliche nach Nierentransplantation häufig zu Außenseitern.

Überprotektive Eltern und geringes Selbstwertgefühl machen Jugendliche nach Nierentransplantation häufig zu Außenseitern.

© Marcus Scholz / fotolia.com

WIESBADEN. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 100 Jugendliche, die als Kind wegen terminaler Niereninsuffizienz eine Transplantation benötigt haben, 18 Jahre alt. Diese Patienten haben nicht nur besondere medizinische, sondern auch psychische und soziale Probleme, sagte Privatdozentin Ulrike John von der Universitätsklinik Jena.

Zur erhöhten kardiovaskulären Morbidität und dem erhöhten Malignomrisiko kommen viele Krankenhausaufenthalte mit Fehlzeiten in der Schule und erheblichen Problemen in der Berufsausbildung.

Krankheit wird häufig verleugnet

86 Prozent der Betroffenen lebten bei ihren Eltern, die ein oft überprotektives Verhalten an den Tag legen, was häufig mit einer problematischen Arzt-Patienten-Beziehung einhergehe, so John. Das Selbstwertempfinden der Jugendlichen sei gering, die Krankheit werde verleugnet.

Dies führe zu einer im zunehmenden Alter immer schlechter werdenden Therapieadhärenz bei der Immunsuppression, sagte die Nephrologin. Das Nierentransplantat-Überleben sei bei Adoleszenten daher vergleichsweise schlecht.

Um nierenkranken Jugendlichen den Start in ein Leben als unabhängige Erwachsene zu erleichtern, hat das KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e. V. das Transferprogramm "Endlich erwachsen" initiiert. Die Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren werden über drei Jahre von einem Ausbildungsteam begleitet.

Dazu gehören zwei pädiatrische Nephrologen, eine Soziologin, eine Krankenschwester, ein Sportlehrer und eine Sekretärin.

171 Teilnehmer bislang

In einem siebentägigen Seminar und sechs Wochenend-Workshops werden die Jugendlichen altersgerecht über ihre Erkrankung und die Bedeutung der medizinischen Behandlung unterrichtet. Körperliche Aktivität wird gefördert, die Teilnehmer bekommen Ernährungstipps, psychosoziale Unterstützung für den Umgang mit Freunden und der Familie sowie Hilfe für die berufliche Ausbildung.

Inzwischen haben 171 Adoleszente an diesem Programm teilgenommen. "Drei Jahre nach Programmbeginn waren 90 Prozent der beim Einstieg funktionierenden Transplantate noch intakt", sagte John.

Bezogen auf das Transplantatüberleben 15 Jahre nach der Operation hatten 85 Prozent der Programm-Teilnehmer noch ihre Niere, in einer Gruppe nicht geschulter Teilnehmer waren es dagegen nur 73 Prozent. Am meisten schätzen die Jugendlichen die medizinischen Kenntnisse sowie Hinweise zur Lebensführung und sozialrechtlichen Fragen.

Gute Zusammenarbeit unerlässlich

Solche Schulungsmodelle können nach Meinung der Jenaer Nephrologin ein erster Ansatz sein, um Jugendliche mit chronischen Erkrankungen wie Mukoviszidose, Diabetes mellitus oder Nierenerkrankungen den Übergang ins Erwachsenenleben zu erleichtern.

Dazu müssten Pädiater und Erwachsenenmediziner eng zusammenarbeiten und sich zudem berufs- und gesundheitspolitische Gremien dieser Frage verstärkt annehmen, forderte sie beim Internistenkongress in Wiesbaden.

www.kfh-dialyse.de

www.endlich-erwachsen.de

Mehr zum Thema

„Das Blatt wendet sich“

RAS-Blocker präoperativ eher nicht absetzen?

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe

Chronisch kranke Kinder

Mangelernährung frühzeitig erkennen und konsequent angehen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Danone Deutschland GmbH, Frankfurt/Main
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an