SPD-Politiker fordern

Arzneimittel in Europa produzieren!

Der SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach will die Produktion essenzieller Pharmawirkstoffe nach Europa zurückholen.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Arzneimittelfertigung – ein sensibles System.

Arzneimittelfertigung – ein sensibles System.

© Hexal

Berlin. Lieferausfälle in der Arzneimittelversorgung treiben derzeit Gesundheitspolitiker aller Parteien um.

Nachdem kürzlich Mitglieder der Unionsfraktion ein Ideenpapier gegen Engpässe vorgelegt hatten, folgte Ende voriger Woche das Spahn-Ministerium mit eigenen Vorschlägen – u.a. Meldepflicht, verbesserte Vorratshaltung, leichtere Austauschbarkeit in der Apotheke –, die noch im Zuge der Gesetzgebung zum „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ umgesetzt werden könnten.

Auch in der SPD wird seit geraumer Zeit an einem Maßnahmenkatalog gestrickt – der sei jedoch intern noch nicht abgestimmt, heißt es.

Lauterbach: „Zu häufig fällt die Lieferung aus“

Am Donnerstag nun hat sich Professor Karl Lauterbach aus der Deckung begeben. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk fordert der SPD-Gesundheitsexperte, die industrielle Wirkstoffproduktion lebensnotwendiger und unersetzlicher Arzneimittel „nach Deutschland oder zumindest nach Europa zurück(zu)verlagern“. Das sei „insbesondere für Antibiotika, aber auch für Krebsmedikamente sinnvoll“.

Über Twitter erklärte Lauterbach, „wir können uns nicht auf die Produktion in Indien oder China alleine verlassen, wenn Medikamente lebenswichtig und unersetzbar sind. Zu häufig fällt die Lieferung aus. Eine Produktion in Europa wäre kontrollierbar und zuverlässig“.

Darüber hinaus schlägt Lauterbach Vertragsstrafen für Hersteller vor, die einen Zuschlag etwa in einer Rabattausschreibung bekommen haben, ihren Verpflichtungen jedoch nicht nachkommen. „Wenn nicht geliefert werden kann, muss es Strafen geben.“

„Preisdruck vorgeschoben“

Von einer sozialrechtlichen Modifikation der Rabattvertragsregularien – kassenübergreifende Ausschreibungen, Verpflichtung zum Mehrpartnermodell –, woran etwa der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich denkt, hält Lauterbach hingegen nichts.

Das Argument, der durch Ausschreibungen verursachte Preisdruck zwinge die Industrie zum Wirkstoffeinkauf in Asien und sei infolgedessen mittelbar Schuld an Lieferausfällen, „ist vorgeschoben, um die Rabattverträge zu beschädigen“.

Vielmehr müsse die Herstellung im Inland oder in der EU zu einem Zuschlagskriterium bei Ausschreibungen essenzieller Präparate gemacht werden.

Dittmar: „Pharmaindustrie instrumentalisiert ein globales Problem“

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, teilte auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“ mit, ihre Fraktion präferiere eine sanktionsbewehrte Meldepflicht sowie eine längerfristige Bevorratung versorgungsrelevanter Wirkstoffe bei Herstellern und Großhändlern. Außerdem solle Deutschland im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft „darauf hinwirken, die Herstellung von Arzneimitteln in Europa zu fördern“.

Wie Lauterbach insistiert jedoch auch Dittmar darauf, Versorgungsprobleme und Rabattausschreibungen nicht in einen Kausalzusammenhang zu bringen. „Die Pharmaindustrie versucht seit langem die Legende zu verbreiten, dass Rabattverträge in Deutschland verantwortlich seien für Lieferengpässe.“ Die träten aber auch in anderen Ländern auf, die keine Rabattverträge ausschreiben.

Dittmar: „Die Pharmaindustrie instrumentalisiert hier ein globales Problem für die Durchsetzung ihrer Lobbyinteressen in Deutschand.“ (Mitarbeit: fst)

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