Notfallreform

Hausärzte kritisieren INZ-Pläne

Die Notfallreform soll das Prinzip „ambulant vor stationär“ stärken. Doch die Hausärzte finden die Pläne zu unausgegoren. Sie warnen vor einem zusätzlich gemachten Ärztemangel – und fordern das Dispensierrecht.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Erst gar nicht in die Notaufnahme? Das soll mit der Reform gelingen.

Erst gar nicht in die Notaufnahme? Das soll mit der Reform gelingen.

© Friso Gentsch / dpa

Berlin. Die Hausärzte haben sich in weiten Teilen kritisch zur geplanten Notfallreform geäußert. Vor allem an den Regelungen für die geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ) lassen sie kaum ein gutes Haar.

Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) als auch der Deutsche Hausärzteverband fürchten, die INZ könnten zu einer „zusätzlichen Anlaufstelle“ für Patienten parallel zu den Arztpraxen werden.

Der Hausärzteverband warnt, durch die parallele Versorgung mit den INZ während der Praxisöffnungszeiten würden die Patienten aus den Praxen dorthin „weggesteuert“. Und mit den „Doppelstrukturen“ würde „zusätzlicher Kosten- und Fachpersonalaufwand“ entstehen, heißt es in der Stellungnahme der DEGAM.

Patienten sollten beteiligt werden

Grundsätzlich begrüßt die Fachgesellschaft allerdings das Prinzip „ambulant vor stationär“ und die „klare Beauftragung der Niedergelassenen mit der Organisation des Notdienstes“.

Im Referentenentwurf vermisst die DEGAM hingegen eine „Notdienst-Kontaktgebühr bei ungesteuerter Inanspruchnahme“ der INZ. Nur durch „finanzielle Beteiligung der Patienten ist eine effektive Steuerung umsetzbar“, heißt es.

Auch der Sachverständigenrat Gesundheit (SVR) hatte 2018 angedeutet, dass eine solche Gebühr eine Ultima ratio zur Patientensteuerung sein könnte. Weder der SVR damals noch die DEGAM jetzt nannten jedoch einen Vorschlag für eine mögliche Höhe dieser Gebühr.

Tausende Hausärzte aus Praxen abgezogen?

Zur Erinnerung: Im Referentenentwurf für die Reform der Notfallversorgung ist vorgesehen, dass „an“ Krankenhäusern INZ eingerichtet werden sollen. Sie sollen gemeinsam von Kliniken und KVen betrieben werden, jedoch unter fachlicher Aufsicht der jeweiligen KV stehen.

Dort sollen den Plänen zufolge Patienten ohne akute Erkrankungen triagiert und wieder in die ambulante Versorgungsebene überführt werden. Für Montag (17. Februar) sind die Verbände zu einer Fachanhörung ins Bundesgesundheitsministerium eingeladen.

Würden die INZ rund um die Uhr betrieben werden, warnt die DEGAM, wären bis zehn Prozent (rund 5000) der Hausärzte in Deutschland in diese Ambulanzen eingebunden. Auch der Hausärzteverband meint, ein „‚Abzug‘ von Hausärzten ... aus den eigenen Praxen ... kann kaum gewollt und sinnvoll sein“.

Für die DEGAM sollten die INZ daher nur an Kliniken der Maximalversorgung etabliert werden, die über eine 24 Stunden besetzte Notaufnahme verfügen.

Mit dem Rettungsdienst direkt zum Hausarzt

Ohnehin fänden es die Allgemeinmediziner besser, würde der Rettungsdienst künftig Patienten etwa mit Bagatellerkrankungen direkt zum Hausarzt bringen. Die DEGAM verweist dazu explizit auf das Partnerpraxen-Modell der KV Hessen. Auch in Köln sind Partnerpraxen an die Rettungsleitstelle angeschlossen.

Denkbar wäre für die DEGAM auch, dass Hausärzte künftig etwa über das IVENA-System (Interdisziplinärer Versorgungsnachweis), das Kliniken heute schon zum Bettennachweis einsetzen, freie Kapazitäten melden.

Allerdings müsste dafür der Rettungsdiensteinsatz auch dann vergütet werden, wenn der Rettungsfahrt nicht in der Klinik endet – wie es heute der Fall ist. Diese Änderung ist im Referentenentwurf allerdings vorgesehen.

Dispensierrecht für INZ-Ärzte

Sowohl Hausärzteverband als auch DEGAM fordern für die Ärzte in den INZ außerdem ein Dispensierrecht, also das Recht, Arzneimittel abgeben zu dürfen, was heute Apothekern vorbehalten ist.

Das halten sie deswegen für nötig, um Patienten zusätzliche Anfahrtswege zu ersparen, wie es in der Stellungnahme des Hausärzteverbands heißt.

Auch solle geprüft werden, ob die Ärzte dafür auf die Krankenhausapotheke zugreifen können. Für die DEGAM wäre eine Alternative zum Dispensierrecht, dass sich in „unmittelbarer Nachbarschaft“ zu den INZ „Notapotheken“ befinden müssen.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Anhörung im Bundesgesundheitsministerium

Versuch einer Reform der Notfallversorgung, der dritte!

Schnittstelle wird getestet

KV Bremen und Feuerwehr tauschen in der Notfallversorgung Daten aus

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt