SpiFa-Fachärztetag – Webtalk Junge Ärzte

In kleinen Schritten zur E-Akte

Junge Ärzte fordern seit langem mehr Vernetzung im Gesundheitswesen. Die elektronische Patientenakte (ePA) könnte da einen entscheidenden Beitrag leisten. Doch decken sich die Vorstellungen der jungen Mediziner mit der Aktenrealität, die ab Juli kommt?

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Screenshot vom SpiFaWebinar: Was erwarten junge Ärzte von der ePA? Darüber diskutierten die beiden Sprecher des Bündnis Junge Ärzte, Max Tischler (l. oben) und Mira Faßbach (r. oben) mit Barmer-Chef Prof. Christoph Straub (oben Mitte), Nora Zumdick von der apoBank und Dr. Bernhard Tenckhoff von der KBV.

Was erwarten junge Ärzte von der ePA? Darüber diskutierten die beiden Sprecher des Bündnis Junge Ärzte, Max Tischler (l. oben) und Mira Faßbach (r. oben) mit Barmer-Chef Prof. Christoph Straub (oben Mitte), Nora Zumdick von der apoBank und Dr. Bernhard Tenckhoff von der KBV.

© Ärzte Zeitung / Screenshot vom SpiFaWebinar

Berlin. Ab Juli soll die elektronische Patientenakte (ePA) raus aus dem Feldtest und rein in die flächendeckende Versorgung. Vor allem die junge Ärztegeneration setzt große Hoffnungen in die Akte, dabei geht es um Zeitersparnis bei bürokratischen Aufgaben, einen schnelleren Informationsfluss und einen sparsameren Umgang mit Ressourcen.

„Manche Kommunikationswege werden noch schrecklich analog beschritten“, berichtete Mira Faßbach, Sprecherin des Bündnis Junge Ärzte (BJÄ), beim Webtalk Junge Ärzte im Rahmen des SpiFa-Fachärztetages am Donnerstagabend. Faßbach ist Weiterbildungsassistentin in einer Klinik. Klinikintern funktioniere die elektronische Kommunikation bereits gut. Aktuelle Laborwerte, Befunde aus dem Haus oder die Wunddokumentation aus der Pflege seien für Mitbehandelnde schnell einsehbar.

Der Austausch mit den Praxen hingegen laufe meist nur über den ausgedruckten Arztbrief. Und vor allem die Pandemie zeige, wie wichtig eine sektorübergreifende elektronische Kommunikation sei. Die COVID-Meldung ans Gesundheitsamt laufe per Fax, so Faßbach. Die meisten Kliniken hätten zudem noch ein Papier-Backup.

Mehr Zeit für sprechende Medizin

Die Folge laut Faßbach: Doppeluntersuchungen, mehrfaches Erfassen von Daten, die beim Patienten längst an anderer Stelle – etwa in der Hausarztpraxis – erhoben wurden und zum Teil auch Informationsverluste, gerade wenn Patienten in die Klinik kommen. Faßbach: „Wenn es einem Patienten gerade schlecht geht, ist die Anamnese, die ich erhebe, eben mitunter nicht so aussagefähig, wie vielleicht jene, die zwei Wochen vorher erhoben wurde, als zusätzlich noch ein Angehöriger beim Gespräch dabei war.“

Laborwerte würden zudem in der Klinik, auch wenn es nicht unbedingt notwendig sei, erneut erhoben, weil es für die Ärzte oder Klinikassistenten aufwendiger sei, diese per Telefon erst beim Hausarzt anzufordern. „Das ist Verschwendung von Versichertengeldern“, stellte sie klar.

„Wir wollen unsere Patienten einfach besser versorgen und wieder Zeit haben, mit ihnen zu sprechen“, pflichtete ihr ihr Kollege im BJÄ-Sprecherteam, Max Tischler, bei. Dazu sei es aber wichtig, dass die Informationen in einer ePA tatsächlich strukturiert vorliegen. „Damit es wirklich eine Zeitersparnis wird“, so Tischler.

Die Vorgaben für die ePA sehen nach Angaben von Dr. Bernhard Tenckhoff von der KBV genau dies vor: die Gesundheitsdaten sollen strukturiert und wiederverwendbar sein. „Damit man als Arzt oder Pflegekraft eben nicht das Gefühl hat, man trägt wiederholt dieselben Daten ein.“

Strukturierte Daten? – Erst 2021

Dennoch werden die gewünschten strukturierten Daten wohl frühestens im Januar 2021 verfügbar sein. Die sogenannten Medizinischen Informationsobjekte (MIO), wie z.B. der elektronische Impf- und Mutterpass, benötigten schon die nächste Generation der ePA, erläuterte er. Was Tenckhoff gerade angesichts der Pandemie schade findet. Denn gerade jetzt, wo „wir einen Großteil unserer Bevölkerung impfen, wäre das der ideale Zeitpunkt, um mal so einen elektronischen Impfeintrag zu erzeugen“.

Barmer-Chef Professor Christoph Straub geht sogar davon aus, dass es beim Termin 1. Juli für den Start der ePA nicht bleiben wird, sondern dass es eine längere Anlaufphase geben wird. Dies ist ohnehin erst einmal nur der Termin bis zu dem alle Praxen mit der notwendigen Hard- und Software ausgestattet sein sollen.

Die Barmer bewirbt laut Straub die ePA, auf die Patienten seit Jahresanfang einen gesetzlichen Anspruch haben, derzeit nicht aktiv bei den Versicherten. „Weil die Akte noch nichts kann“, sagte Straub. Eine Bewerbung, ohne dass ein erkennbarer Nutzen für die Versicherten da sei, plus dem immer wieder aufpoppenden „Warn-Disclaimer“ zum Datenschutz, wenn man seine Akte öffne, wirke eher abstoßend auf den Normalbürger.

Es sei wichtig, dass der Datenschutz bedacht werde, aber in Deutschland stehe er immer über allem. „Ich wünsche mir, dass auf meinem Grabstein nicht steht, hier ruht Herr Straub, seine Daten waren immer sicher“, überzog er bewusst. „Wir wissen, dass Patientinnen und Patienten, je schwerer krank sie sind, ein umso höheres Interesse haben, dass ihre Daten zugänglich sind.“

Sind andere Länder wirklich weiter?

Sowohl Straub als auch Tenckhoff räumten aber auch mit dem immer wieder auftauchenden Vorurteil auf, dass Deutschland anderen Ländern so weit hinterherhinke. „Es gibt auch einige Potemkinsche Dörfer, die heißen ePA“, so Tenckhoff. Die Frage sei immer, funktioniere die elektronische Kommunikation wirklich und stifte die Akte einen Nutzen. „Da gibt es noch nicht so viele.“

In den USA seien es zudem alles Insellösungen, berichtete Straub. Dort böten Kliniken oder Versicherungen getrennt voneinander Aktenlösungen an. In Deutschland habe man sich aber für ein anderes System entschieden. Bis 73 Millionen GKV-Versicherte eine gut gefüllte ePA hätten, dauere es eben. Und auch in Dänemark habe es circa zehn Jahre gebraucht, bis die Nutzerzahlen bei der dänischen ePA wirklich zugelegt hätten.

Zusätzliche Auklärung kein Problem

Dass die Ärzte nicht nur beim Befüllen, sondern auch in Sachen Aufklärung über die Nutzung der ePA eine zentrale Rolle spielen werden, stört die jungen Ärzte nicht. „Das kostet halt Zeit, aber da sind wir als Ärzte auch gefordert“, sagte Tischler. Allerdings müsse sich die Politik, die die ePA ja will, dann auch überlegen, wie diese Arbeit vergütet werde.

Laut Tischler muss das Geld dafür nicht von den Kassen kommen. Das sieht Tenckhoff ähnlich. Hier werde eine Infrastruktur für die Daseinsfürsorge geschaffen, da sei es die Frage, ob nicht zumindest deren Aufbau steuerlich beanreizt werden sollte.

Tenckhoff wird demnächst auch die Möglichkeit haben, die Akte und damit auch die Vorgaben für die MIO, die die KBV erarbeitet hat, selbst in der Praxis zu testen. Denn er will als Arzt in die Versorgung gehen. „Dann werde ich die Suppe auslöffeln müssen, die ich mir auf der Selbstverwaltungsseite eingebrockt habe“, scherzte er.

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