Gesetzliche Neuerungen

Kindeswohl: Pädiater begrüßen neue Möglichkeiten des kollegialen Austauschs

Sowohl mit Jugendämtern wie mit Kollegen können sich Kinder- und Jugendärzte künftig im Verdachtsfall kurzschalten – ein Meilenstein, sagt der BVKJ.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
Ein Mädchen versteckt ihr Gesicht in einem Teddybär. Pädiater haben künftig mehr Austauschmöglichkeiten bei Verdacht auf Kindesmisshandlungen.

Ein Mädchen versteckt ihr Gesicht in einem Teddybär. Pädiater haben künftig mehr Austauschmöglichkeiten bei Verdacht auf Kindesmisshandlungen.

© Inderlied / Kirchner-Media / picture alliance

Köln. Mit zwei bahnbrechenden Neuerungen im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) hoffen die Kinder- und Jugendärzte, Kindeswohlgefährdungen und Kindesmisshandlungen künftig noch effektiver begegnen zu können.

Besonders wichtig ist dabei für die Pädiater, dass das Jugendamt künftig bei der Gefährdungseinschätzung des Kindeswohls den vermittelnden Kinder- und Jugendärzten eine Rückmeldung darüber geben müsse, wie in dem betreffenden Fall entschieden oder weiter verfahren wird, erläuterte Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) beim 50. Kinder- und Jugend-Ärztetag.

Bedenken bezüglich Datenschutz

Dies war bisher nicht notwendig gewesen und wurde daher auch von den Jugendämtern häufig unterlassen. Im Gesetz ist zudem nun auch die Möglichkeit eines interkollegialen Austauschs geschaffen worden.

Dieser wurde bisher auch wegen datenschutzrechtlicher Bedenken kaum praktiziert, zumal es dafür laut Fischbach auch keine rechtliche Handhabe gegeben hat. Nordrhein-Westfalen wolle diesen Austausch nun rasch in die Praxis implementieren. Fischbach: „Das ist echt ein Meilenstein.“

Nach Ansicht von Professor Klaus-Michael Keller, wissenschaftlicher Leiter des Kinder- und Jugend-Ärztetages, würden die Pädiater immer noch mit einer Zunahme von Kindeswohlgefährdungen konfrontiert. Die Polizeistatistik 2020 weist seinen Angaben zufolge einen Zuwachs an Gewalttaten gegen Kinder auf.

Dazu zählen mehr Fälle von Kinderpornografie (18.761 Fälle) und mehr Fälle von sexuellem Missbrauch (14.500 Fälle). 152 Kinder seien vorsätzlich oder fahrlässig getötet worden, 115 Kinder davon waren jünger als sechs Jahre (2019: insgesamt 112 Kinder).

Finanzieller Nachholbedarf im ambulanten Bereich

Dennoch würdigte Dr. Bernd Herrmann aus Kassel das Engagement der Kinder- und Jugendmediziner im Bereich Kinderschutz. Waren vor 13 Jahren erst 23 Pädiater Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM), so ist deren Zahl heute um den Faktor 30 höher. 247 dieser Mitglieder haben sich auch bereits zum zertifizierten Kinderschutzmediziner fortgebildet.

Auch die Zahl der Kinderschutzgruppen an Kinderkliniken ist von acht im Jahr 2008 auf heute 180 gestiegen. Damit verfügt heute jede zweite Kinderklinik in Deutschland über eine Kinderschutzgruppe.

Sogar in der Musterweiterbildungsordnung ist das Thema Kinderschutz laut Herrmann mittlerweile „prominent verankert.“ Handlungsspielraum sieht er aber noch im ambulanten Sektor. Während im stationären Bereich inzwischen „erlöswirksame“ Entgelte erzielt werden können, müssten in der Praxis noch sehr häufig von den Ärzten rein ehrenamtliche Leistungen erbracht werden. Hier, so Herrmann, bestehe finanzieller Nachholbedarf.

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